Die Geschichte der Gottschee (3)


Krieg


Die Geschichte der Gottschee  15. Jahrhundert
Dr. Erich Petschauer, 1980
Aus dem "Jahrhundertbuch der Gottscheer"

Graf Friedrich III. von Ortenburg verlor sich jedoch nicht vollends in der Politik. Das er dies nicht tun konnte, dafür sorgten unter anderem seine Gottscheer. Die dritte im Lande geborene Generation, die von der Herkunft ihrer Groß- und Urgroßväter kaum noch etwas wußte, war herangewachsen. Sie versuchte mit den mageren Daseinsbedingungen des "Ländchens" zu leben. Es gelang ihr zwar in der Landwirtschaft, das Existenzminimum zu erreichen, aber nur durch übermäßige Schlägerung der den Siedlern ursprünglich zugemessenen Waldanteile. Diese reichten deshalb nicht mehr für die Versorgung mit Bau- und Brennholz aus. Der Engpaß war natürlich mit der gestiegenen Bevölkerungszahl entstanden. Eigennutz mag dabei mitgesprochen haben. Die Bauern begannen in den Wäldern des Grundherrn zu Schlägern. Über die Berechtigung und den Umfang der Holzentnahme aus dem Herrschaftswald gerieten sie in so heftigen Streit, daß Blut floß.

Die Reaktion des Grundherrn auf diese Vorgänge war typisch ortenburgisch. Er antwortete nicht mit Unterdrückung und Gewalt, weil er einsah, daß der Bauernwald den gestiegenen Bedürfnissen nicht mehr entsprach. Um außerdem einen ständigen Herd der Unzufriedenheit zu beseitigen, erließ er im Jahre 1406 ein "Waldgesetz", die Waldgerechtsame". Es räumte den Bauern in einem bestimmten Rahmen Nutzungsrechte am Herrschaftswald ein. Die Gottscheer haben sich noch Jahrhunderte später auf die "alten Rechte und Waldgerechtsame" berufen, wenn sie von weniger menschenfreundlichen Grundherren drangsaliert wurden.

Bemerkenswert ist, daß Graf Friedrich das Waldgesetz von Reifnitz und nicht von Gottschee aus erließ. Offenbar war bereits vor der Jahrhundertwende die zentrale Verwaltung der ortenburgischen Lehenschaften in Unterkrain nach Reifnitz verlegt worden. Darauf läßt namentlich die "Chronik" des Burkard Zink schließen, daß Graf Friedrich III. dem Baumeister Hans Schwab um 1409 Bauaufträge erteilte. (Siehe Grothe, Seite 213.) Aus der gleichen Quelle erfahren wir, daß sich auch die Gräfin Margaretha um Gottschee kümmerte. So entsandte sie laut Zink ihren Schrei-ber, den sie dazu hatte ausbilden lassen, nach Rieg, wo er an die 30 Jahre als Pfarrer amtierte. Zink wußte das so genau, weil dieser Pfarrer sein Onkel war.

Leider wird Margaretha auch mit dem Tode ihres Gemahls in Verbindung gebracht: Sie soll ihn nach einer unbestätigten Legende - es muß 1418 gewesen sein - bei einem Festmahl vergiftet haben. Angeblich hatte sie ein Tischmesser einseitig mit Gift bestrichen, damit einen Apfel zerteilt und ihrem ahnungslosen Gemahl die vergiftete Hälfte gereicht (siehe Huschberg). Wer möchte dieser frommen Schwäbin Unrecht tun? In der Tat, schon bei dem Versuch, die Hintergründe dieses vermeintlichen Gattenmordes aufzuklären, drängt sich der Schluß auf, daß Margaretha kein einleuchtendes Motiv haben konnte. Daß sie ihrem Mann keinen zweiten männlichen Leibeserben bringen konnte, war nicht ihre Schuld, sondern ein menschliches Unglück, und kein Grund, ihn, an dessen Seite sie das Leben einer Fürstin führte, umzubringen. Sie hatte auch kein bedeutendes Erbe aus seinem Vermögen zu erwarten, denn es bestand doch der Erbvertrag zwischen Ortenburg und Cilli. Und die Grafen von Cilli selbst - hatten sie ein Motiv? Als einziges könnte man vielleicht den Wunsch heranziehen, möglichst rasch in den Besitz des ortenburgischen Erbes zu gelangen. Da aber Friedrich über das Haus Cilli mit Kaiser Sigismund ebenfalls verwandt war, dürften die Cillier den Verwandtenmord nicht erst ins Auge gefaßt haben.

Wem aber konnte der Tod Friedrichs III. von Ortenburg soviel nützen, daß das Bekanntwerden des Mordanschlags an ihm in der Öffentlichkeit weniger schwer wog als sein Weiterleben? Erst wenn wir das politische Kraftfeld, in dem sich der Schwertträger Aquilejas bewegte, genau ausleuchten, finden wir ein glaubwürdiges Motiv - es ist allerdings kaum mehr als ein schlüssiger Verdacht, ohne daß dafür Belege beigebracht werden können. Der ungemein tapfere und schnell operierende "Condottiere" aus Kärnten/Krain war der Republik Venedig ein Dorn im Auge. Er nahm in den unaufhörlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Kaiser und ihr eine Schlüsselstellung ein. Freilich gelang es ihm nicht, die Lagunenstadt an der oberen Adria militärisch zu bezwingen, wozu selbst der Kaiser aus Geldmangel nicht imstande war, aber er fügte ihr schwere Verluste zu. Aus Geldmangel sah sich der Kaiser auch gezwungen, am 17. April 1413 mit Venedig einen auf fünf Jahre befristeten Waffenstillstand abzuschließen. Er wurde von beiden Seiten vielfach gebrochen, geriet jedoch nicht in Vergessenheit. Der Ortenburger aber verschwand von der politisch-militärischen Bühne. Er zog sich auf seine Güter in Krain zurück. Großräumige Kämpfe zwischen den Venezianern und dem Kaiser begannen erst wieder genau fünf Jahre nach dem Abschluß des Waffenstillstandes, nämlich am 18. April 1418.

Und hier das Motiv der Republik Venedig, wie es der Verfasser sieht:

Setzte man des Kaisers tüchtigsten Kriegsmann rechtzeitig außer Gefecht, sparte man viel Zeit, viel Geld und - venezianisches Blut. Wie der Mord im einzelnen ausgeführt wurde, ist mit der umstrittenen Legende vom vergifteten Apfel gewiß nicht belegt. Daß er geschehen ist, ist unzweifelhaft. Es kann auch so gewesen sein, daß Venedig einen gedungenen Mörder unter das Gesinde der Hofhaltung des Grafen geschmuggelt hat, mit dem Auftrag, noch vor dem 18. April 1418 zuzuschlagen. Die Politiker der landhungrigen Seemacht an der oberen Adria aber besaßen genug Phantasie, um der Gräfin Margaretha den Gattenmord gerüchtweise zuzuschieben.
1420 eroberte Venedig den Patriarchenstaat und zwang den Patriarchen, seinen Sitz von Udine in die Lagunenstadt zu verlegen. Dies scheint die obige Gedankenreihe zu bestätigen. - 1420 starb die Gräfin Margaretha und im gleichen Jahre belehnte der Kaiser die Grafen von Cilli mit den Grafschaften Ortenburg und Sternberg. Sie durften sich fortan "Grafen von Cilli und Ortenburg" nennen. Das noch unbefestigte und hilfsbedürftige Gottscheerland aber hatte seinen gütigen Schirmherrn verloren. Die Ära der Grafen von Ortenburg war leidvoll zu Ende gegangen.
Und leidvoll begann die Herrschaft der Cillier. Sofort setzte eine brutale Ausbeutung ein. Die Abgaben wurden drastisch erhöht. Die Cillier trugen selbst ihre Familienangelegenheiten zum Teil auf Gottscheer Boden aus. Oberhaupt des Hauses war damals Graf Hermann II. Sein Sohn Friedrich verliebte sich in ein Edelfräulein, Veronika von Dreschnitz. Sie gehörte zu dem kleinen Hofstaat seiner Frau Elisabeth. In höchster Eile ließ er durch die Gottscheer Bauern auf dem Bergzug, der das Oberland vom Hinterland trennt, eine uneinnehmbare "Veste" errichten und nannte sie: Friedrichstein. Für die geplagten Bauern des Ober- und Unterlandes wurde das steinerne Liebesnest des landfremden Grafen zu einem neuen Stein des Anstoßes. Nicht nur mußten sie es auftürmen, sondern sie wurden auch gezwungen, es in Fronarbeit auf unabsehbare Zeit instandzuhalten. Unglück brachte es auch den beiden Liebenden. Das Liebesglück war nur von kurzer Dauer, denn Altgraf Hermann II. ruhte nicht, bis er das Paar getrennt hatte. Er ließ Friedrich gefangennehmen und auf Schloß Hoch-Osterwitz festsetzen. Veronika jedoch gelang es zu fliehen. Ihr erstes Versteck fand sie in dem Dorf Kuntschen im Gottscheerland. Als sie sich dort nicht mehr sicher fühlte, eilte sie weiter zu Freunden auf ein Schloß bei Pettau in der Untersteiermark. Dort stöberten sie die Häscher Hermanns auf. Er machte ihr einen Scheinprozeß. Die Richter verurteilten sie wunschgemäß zum Tode. Das Urteil wurde - sinnigerweise - auf Schloß Hoch-Osterwitz von zwei Rittern in einem großen Waschbottich vollstreckt. Friedrich indessen, der in einem Zwischenspiel seine Frau Elisabeth hatte ermorden lassen, söhnte sich mit seinem Vater aus und wurde nach weiteren hier bedeutungslosen Ereignissen sogar noch sein Nachfolger.

Friedrichs mit Elisabeth gezeugter Sohn Ulrich war dann der letzte Cillier Graf. Er wurde 1456 auf Veranlassung des Königs Ladislaus Hunyady bei Graz hinterrücks ermordet. Im alten ortenburgischen Schutzmarkt Spittal an der Drau wurde ihm ein fürstliches Begräbnis gerichtet. Die 36 Jahre Cillier-Herrschaft hatten aber genügt, um die Gottscheer wirtschaftlich zugrunde zu richten. Neuer Grundherr wurde, abermals durch Erbvertrag, das Haus Habsburg.

Die unmittelbare Verfügung über die Herrschaft Gottschee übte der deutsche König und römische Kaiser Friedrich III. aus. Er war zugleich nämlich Herzog von Krain. Seine Regierungszeit: 1440 bis 1493. Auch die Habsburger brachten in dem nun beginnenden Abschnitt seiner Geschichte dem Gottscheer Bauernvolk kein Glück. Friedrich verzichtete darauf, die Herrschaft Gottschee selbst zu bewirtschaften. Vielmehr führte er eine neue Form der Ausbeutung ein, die Verpfändung. Damit war der Willkür des Pfandinhabers Tür und Tor geöffnet. Gleichwohl wäre es ungerecht, würde man ihm und den Habsburgern allein die Schuld für die weitere Ausplünderung und Verarmung des "Ländchens" zumessen. Dafür trugen 125 Jahre lang die Türken die Verantwortung. Mordend und brennend, plündernd und Geiseln nehmend, brachen sie zehnmal in das Gottscheerland ein. Schon beim ersten Raubzug im Jahre 1469 legten sie den Markt Gottschee in Schutt und Asche. Das gleiche Schicksal sollte dem Mittelpunkt des Siedlungsgebiets noch sechsmal widerfahren.

Die Bewohner des niedergebrannten Marktes gingen unverzüglich an den Wiederaufbau, mit dem sie, in der Erwartung weiterer Türkeneinfälle, Verteidigungsmaßnahmen verbanden. Die ursprüngliche Ortschaft Gotsche hatte auf dem Gelände gestanden, auf dem Jahrhunderte später die Kirche zu Corpus Christi errichtet wurde. Sie verlegten den neuen Standort unmittelbar an die Rinse. Ob der Fluß dort einen natürlichen und fast kreisrunden Bogen gebildet hatte, oder ob die Bevölkerung die Rinse als künstlichen Wassergraben um das Baugelände herumleitete, ist nicht bekannt. Das letztere sollten wir jedoch nicht von der Hand weisen. Zugleich baten sie ihren Grundherrn, den Herzog und Kaiser Friedrich III., um die Gunst der Stadterhebung. Sie wurde gewährt - kurz nach Ostern des Jahres 1471 unterzeichnete der Monarch in Graz das Dokument (siehe Grothe, Seite 215).

Das Wappen der neuen Stadt in Krain trägt einige in der Urkunde nicht auftauchende, geschichtliche Merkmale. Wir wollen jedoch davon absehen, mehr in das Wappen hineinzulesen oder aus ihm herauszuforschen, als zum Zeitpunkt seiner Verleihung darin enthalten sein konnte:

In der linken Hälfte des Innenschildes steht der Kirchenpatron der Pfarrkirche, St. Bartholomäus. Wir haben keinen Grund zu bezweifeln, daß es sich um den Apostel dieses Namens handelt. Früher galt er, wesentlich mehr als heute, als der Schutzheilige und Fürbitter der Wandernden. Er hatte weite Reisen bis nach Indien zur Verbreitung des Evangeliums unternommen. Kein Zufall also, daß gerade die Kapelle von Mooswald und die darin versammelten Gläubigen unter seinen Schutz gestellt wurden. Irgendwann zwischen 1339 und 1363 ist er selbst dann von der "villa Mooswald" als Kirchenpatron nach "Gotsche" weitergewandert, um die Gottscheer auf dem Weg durch ihre sechs Jahrhunderte zu begleiten.

Der Heilige tritt im Wappen der Stadt Gottschee mit Kurzschwert und Buch als Kämpfer und Denker in Erscheinung. Die Waffe in der rechten Hand sollte wohl die Verteidigungsbereitschaft der jungen Stadt gegenüber dem Angreifer aus dem Südosten Europas versinnbildlichen; das Buch in der Linken des Missionsbeflissenen bedeutet die Hl. Schrift.

Schwieriger ist die Deutung des wehrhaften Baues im Innenteil des Wappens. Er kann ebensogut die Wehrhaftigkeit der Stadt selbst symbolisieren wie Burg Friedrichstein, die tatsächlich nie von den Türken bezwungen wurde, oder aber ein Bausymbol für die Befestigung, die der Kaiser zur Bedingung für die Stadterhebung gemacht hatte, darstellen.

Mundartgeschichtlich interessant ist der Ortsname "Kotschew" im Randkreis des Wappens. Er kommt dem mundartlichen "Gattscheab" sehr nahe. Verblüfft stellen wir jedoch fest, daß in der Stadterhebungsurkunde selbst die Schreibweise "in der Gottschee" verwendet ist. Der Heraldiker und der zuständige Sekretär in der kaiserlichen Hofkanzlei haben sich hinsichtlich der Schreibweise also nicht miteinander abgestimmt. Und woher kommt "Gottschee"? Das Wort ist sicherlich eine Weiterentwicklung jenes "Gotsche" aus der Urkunde von 1363, von der eine Abschrift ebenso zweifelsfrei im Archiv der Hofkanzlei zu Wien vorlag.

Hinsichtlich der Einwohnerzahl des jungen Städtchens sind wir wiederum auf Vermutung angewiesen. Sie dürfte mit 350 bis 400 Seelen eher zu hoch als zu niedrig eingeschätzt sein. In der Hauptsache beherbergte es wohl Bauern, deren landwirtschaftliche Arbeit nach dem Wiederaufbau durch die Stadtbefestigung überaus erschwert wurde. Obgleich schon damals jeder Bauer zwangsläufig ein Handwerker sein mußte, dürften sich bereits einige Spezialisten der Grundhandwerksarten dazugesellt haben, wie Schneider, Schuster, Schmiede, Wagner, Faßbinder, namentlich aber Zimmerleute, denn festgemauerte Wohnhäuser waren höchst selten.

Was taten die Gottscheer außerdem, um sich gegen den unerbittlichen Feind zu wappnen? Der Wald wurde ihr Verbündeter, Bannwälder entstanden, dichte Dornenhecken wurden an den leicht durchgängigen Stellen der Landschaft angelegt. Zum Schutz der Bevölkerung errichteten die Bauern "Tabore", zu deutsch: Burg, burgähnlicher Bau, indem sie Ringmauern um die Kirche zogen. In den Mauern waren kleinere und größere Vorratskammern ausgespart.

Als dritte Dauermaßnahme richteten die Gottscheer eine Warnfeuerkette ein. Zwangsläufig bemerkten sie den auf Unterkrain losstürmenden Feind zuerst. Diese sogenannten Kreitfeuer bestanden aus Tag und Nacht besetzten Holzstößen, die jederzeit entflammt werden konnten. Das erste Signal hatte das Kreitfeuer in der Gemarkung des Schlosses Pölland zu geben. Als nächste Station nahm es wahrscheinlich der Unterlager Berg auf, von diesem sicher der Späher (838 m) bei Preriegel, von dort übernahmen weitere Wachen das lebenswichtige Lichtsignal und pflanzten es bis Gottschee bzw. von dort bis Reifnitz und Laibach fort.

Der Türke erkannte bald die für ihn ungünstigen Auswirkungen der Feuerkette und versuchte sie auszuschalten, indem er die Wachen auskundschaftete, überfiel und niedermachte.

Die Verteidigungsmaßnahmen der Gottscheer vermochten die von den Türken angerichteten Schäden nur um ein Geringes zu mildern. Beträchtliche Menschenverluste traten ein. Gemäß seiner Gewohnheit entführte der Feind auch in Gottschee Knaben für die Elitetruppe, die Janitscharen, und Mädchen als Sklavinnen. - Angesichts der rasch fortschreitenden Verarmung und der bleibenden Bedrohung erdachten die Gottscheer eine Art Entwicklungshilfe, wie man heute sagen würde. Wer den Vorschlag, ihnen ein Handelsprivileg außerhalb ihres "Ländchens" zuzubilligen, an den Kaiser und Herzog herangebracht hat, ist nicht überliefert. Jedenfalls unterschrieb Friedrich III. am 23. Oktober 1492 ein Dekret, mit dem er seinen Gottscheern gestattete, "in Ansehen des erlittenen Türkenruins..." mit bestimmten Waren innerhalb der Reichslande im Umherziehen Handel zu treiben. Friedrich ging in die Geschichte als politischer Zauberer ein. Manche Historiker halten die Vermählung seines Sohnes Maximilians I. mit Maria von Burgund für seine bedeutendste politische Tat. Er galt jedoch als Finanzfachmann. Sehen wir davon ab, daß sich dieser "Nachruhm" auch auf die Erschließung neuer Steuerquellen bezieht, so müssen wir hier sein Verständnis für die Notlage der Gottscheer hervorheben. Er erkannte wohl, daß diese, seine Untertanen, sich auf einem ungewöhnlichen, aber vielleicht erfolgreichen Wege Bargeld verschaffen konnten. Verdienten die Bauern mehr, konnte sie der Pfandinhaber höher besteuern, und auf diese Weise konnte auch der Inhaber der Herrschaft Vorteile aus dem Handelsprivileg ziehen. In den folgenden Jahrhunderten erwies sich das Hausierpatent bzw. der Hausierhandel, wie das Umherziehen mit Waren etwas abwertend genannt wurde, tatsächlich als der Bargeldbringer schlechthin. Das Patent, das sich ursprünglich auf die gesamte Reifnitzer Zugehörung bezog, wurde nämlich vielfach erneuert. Allein Kaiserin Maria Theresia (Regierungszeit: 1740 bis 1780) tat dies dreimal und Josef II. (1780 bis 1790) folgte ihrem Beispiel. Die letzte, bis zum Ersten Weltkrieg wirksame, Wiederzulassung wurde 1841 erteilt. Sie wird - anscheinend völlig unorganisch - im 20. Jahrhundert wieder auftauchen.

Womit sind die Gottscheer anfänglich "gereist"? Das Privileg Friedrichs III. spricht von "Vieh, Leinewand und anderem, so sie erarbeitet." Das "so sie erarbeitet" bezieht sich auf die Holzschnitzerei. Die Gottscheer müssen notgedrungen bereits in den ersten zwei bis drei Menschenaltern eine besondere Geschicklichkeit bei der Herstellung von Haushaltsgegenständen aus Holz entwickelt haben. Allerdings, nicht jeder war für das Schnitzen begabt und nicht jeder besaß die Fähigkeit, mit den Schnitzwaren auf Handelswanderschaft zu gehen. Es muß daher schon frühzeitig eine gewisse Arbeitsteilung eingetreten sein, dergestalt, daß die Frauen die "Leinewand" für den eigenen Hausgebrauch wie für den Vertrieb durch die Hausierer erarbeiteten. Sie beherrschten den gesamten Herstellungsprozeß vom Flachsanbau über das Rösten, das Brecheln und Spinnen bis zum Weben. Die Leinwandweberei blieb durch alle Jahrhunderte erhalten und wurde im 20. Jahrhundert noch da und dort betrieben. Die Spinnstube war der traditionelle Raum für das Entstehen und Weitergeben von Erzeugnissen der Volksphantasie, wie Liedern, Teufels- und Hexengeschichten, Legenden und Erzählungen.

Der Wanderhandel scheint ziemlich ertragreich gewesen zu sein, sonst wäre es nicht erklärlich, daß die Gottscheer immer wieder auf die Erneuerung ihres Hausierpatents drängten. Das taten sie gewiß nicht nur, damit es nicht in Vergessenheit geriet, sondern wohl auch, weil sie unberechtigte Nachahmer fanden. Der Hausierhandel wurde im Normalfall in den Wintermonaten betrieben, der wandernde Bauer kehrte im Frühjahr auf seinen Hof zurück. Immer wieder gab es, insbesondere in den letzten 250 Jahren, Hausierer, die sich in der Fremde niederließen und als Geschäftsleute irgendwo selbständig machten. Über die Zahl der am Wanderhandel beteiligten Bauern herrschen falsche Vorstellungen. Nicht alle Gottscheer Männer zogen seit 1492 im Spätherbst als Hausierer in die österreichischen Alpenländer. Die Natur traf auch hierbei eine Auslese. Man wird geradezu an die Frühzeit der Besiedlung des Gottscheerlandes erinnert: Nur die gesündesten, kräftigsten und standfestesten Siedlungswilligen hatten die Chance, die unsagbar harten Prüfungen der Urwaldrodung zu bestehen. Auch das Hausieren war bis in das 19. Jahrhundert heran ein hartes Geschäft. Wer es unternahm, hatte eine bis hoch über den Kopf beladene "Kraxn", mit Holzwaren und Leinwand beladen, von Ort zu Ort zu schleppen. Hier taucht die Frage auf, was die Männer aus Gottschee unternahmen, wenn sie die heimatliche Ware abgesetzt hatten. Sicher hatten sie dann Waren in ihrem Revier eingekauft, was zugleich ein Anreiz für die Eröffnung eines Geschäftsunternehmens mit festem Wohnsitz war.

Über die Zahl dieser Saisonwanderer hat natürlich niemand eine Statistik angefertigt. Die vorliegenden Schätzungen bewegen sich nur zwischen 500 und 700 Mann. In deren Gesamtheit übten sie jedoch in der Kulturgeschichte des deutschen Völkchens im Karst eine bedeutende Funktion aus. Sie bildeten eine lebendige Brücke aus dem Gottscheerland zum geschlossenen deutschen Sprachgebiet.