Die Geschichte der Gottschee
16.
Jahrhundert
Dr. Erich Petschauer, 1980
Aus dem
"Jahrhundertbuch der Gottscheer"
Außer den
lebensgestaltenden und -bedrohenden Gesetzmäßigkeiten, zu denen wir auch den
Hausierhandel zählen konnten, folgen den Gottscheern drei ereignisträchtige
Entwicklungen in das neue Jahrhundert: Die Türkennot, die Ausbeutung durch den
Grundherrn bzw. seine Vollstrecker und der Haß auf die darin verkörperte
"Obrigkeit". Diesen Bedrängnissen von außen und innen setzten die Bauern Trotz
und Widerstand entgegen. Sie drückten sich jedoch nicht nur in einer Rebellion
aus, sondern in einem erstaunlichen Beweis von Lebenskraft, einer umfangreichen
Binnenkolonisation.
Kaiser Friedrich III. (gestorben 1493) schien das Pfandsystem nicht rasch und
nicht genügend Geld eingebracht zu haben. Anders ist es nicht zu erklären, daß
er noch kurz vor seinem Tode vom Südrand der Herrschaft Gottschee die sogenannte
Herrschaft "Pölland" für 2000 Gulden an einen gewissen Hohenwarth verkaufte. Das
Gebiet war gemischtsprachig besiedelt. Gottscheer Familiennamen wurden durch
Josef Obergföll noch im 20. Jahrhundert festgestellt.
Das Gebiet war durch die Türken noch schwerer geschädigt als das übrige
Gottscheerland. Die dezimierte Bevölkerung war schließlich nicht mehr in der
Lage, ihren Lebensraum aus eigener Kraft mit Menschen zu füllen. Aus dem
Hauptsiedlungsgebiet aber wagte kaum jemand, sich dort niederzulassen. Die
krainische Landesverwaltung versuchte, den im ersten Drittel des 16.
Jahrhunderts bereits fast ganz entvölkerten Raum mit Uskoken wieder zu
besiedeln. Die Uskoken waren ein kroatisch sprechender slawischer Volksstamm in
Bosnien, der seinerseits bereits schwer unter der Herrschaft der Türken zu
leiden hatte. Laut Simonic (Seite 18/19) begannen sie zögernd in den
Zugehörungen von Pölland und Kostel Fuß zu fassen. Da sich jedoch die Behörden
und die krainischen Landstände in Laibach nicht über ihre Besteuerung einigen
konnten, fehlte die unerläßliche Förderung von Boden und ihr Ansiedlungsvorhaben
blieb ein Provisorium. Nach längerem Zuwarten ahmten die Uskoken die Türken nach
und unternahmen Raubzüge, unter anderem auch in das übrige Gottscheer
Siedlungsgebiet. Vor allem hatten sie es auf Vieh und Pferde abgesehen. Noch
1613 und 1615 beschwerten sich die Bauern bei der Obrigkeit über die
gewalttätige Nachbarschaft im Süden. Viele uskokische Familien wanderten weiter
und versickerten irgendwo im Kroatischen. - Nach dem Aufhören der Türkeneinfälle
dauerte es ziemlich lange, bis die natürliche Bevölkerungsdichte erreicht war.
Die Gottscheer allerdings waren an der Wiederbesiedlung der Herrschaft Pölland
nur in sehr geringem Umfange beteiligt. Bei einer späteren Gebietsreform wurden
die von Gottscheern bewohnten Ortschaften Unterlag und Saderz an die Sprachinsel
zurückgegliedert.
Die Herrschaft Gottschee aber wurde 1507 durch Kaiser Maximilian I. an den
Grafen Jörg von Thurn verpfändet. Eigentlich handelte es sich auch hier bereits
um eine Art Verkauf auf Zelt, denn Maximilian behielt sich das Recht des
Rückkaufs innerhalb von 16 Jahren vor. Anstatt der notleidenden Bauernschaft
eine Erholungspause zu gönnen, häufte der neue Pfandinhaber Forderung auf
Forderung. Thurns Pfleger Stersen war wegen seiner Unbarmherzigkeit bei der
Eintreibung des Zinses und der anderen Abgaben bald der meistgehaßte Mann im
"Ländchen". Im Jahre 1515 war das Maß des Erträglichen überschritten. Eines
Tages rotteten sich die Bauern, auf das äußerste erbost, in der Stadt zusammen
und stellten den Pfleger. Als er sie wegen ihrer Forderungen jedoch verhöhnte,
erschlugen sie ihn. Über diesen hochdramatischen Geschichtsabschnitt schrieb der
in Oberdeutschau geborene Arzt Dr. Karl Rom den Roman: "Rebellion in der
Gottschee", den einzigen historischen Roman eines Gottscheers über die
Vergangenheit seiner Heimat.
An der Willkür des Jörg von Thurn änderte sich trotz des Aufstandes so gut wie
nichts. Die Habsburger übersahen im Jahre 1523 zunächst den Rückkauftermin der
Herrschaft Gottschee, die sie ein Jahr später jedoch unter Druck wieder
erwarben. Sie wurde jedoch unverzüglich an Hans Ungnad weiterverkauft. Dieser
mußte sich mit dem Rückkauf innerhalb eines bestimmten Zeitraumes, der 1537 auf
ewig "verlängert" wurde, einverstanden erklären. Hinter dieser Maßnahme steckte
die Erwartung, daß die Herrschaft Gottschee in absehbarer Zeit einen
beträchtlichen Wertzuwachs erfahren könnte. Er trat tatsächlich ein, allerdings
erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, durch die dritte
Besiedlungsphase, die Binnenkolonisation. In der Literatur ist die Rede von 25
neuen Dörfern, ohne Angabe ihrer geographischen Lage, Größe und genaueren
Gründungsdaten. Hier bleibt also eine Lücke der Gottscheer Besiedlungsgeschichte
zu schließen.
Eine einfache Überlegung weist uns den Weg, wo wir diese neuen Siedlungen
hauptsächlich zu suchen haben. Rekapitulieren wir: Die Gottscheer haben also
bald nach dem Beginn der Türkenstürme Bannwälder angelegt, Dornenhecken
gepflanzt, Tabore gebaut und mit Feuerzeichen das Herannahen des Todfeindes
angezeigt. Valvasor würdigte diese Leistungen der Gottscheer zusammenfassend in
Bandreihen seines Werkes über das Herzogtum Krain mit der Feststellung,
Gottschee sei "... des Landes Chrain Warnung und gleichsam Schildwacht" gewesen.
All diese Maßnahmen vermochten das Zerstörungswerk der asiatischen Horden nicht
zu verhindern.
Das Gottscheer Völkchen suchte nach neuen Möglichkeiten des Selbstschutzes. Wie
wäre es, so mögen sich vor allem junge Leute gefragt haben, wenn wir den Türken
aus dem Wege gingen? Seine Stoßrichtungen waren ja bekannt. Wo kam der Feind
also nicht hin? In die unwegsamen Westhänge des Hornwaldes mit ihren dichten,
noch nie geschlagenen Herrschaftswäldern, eine Urwaldzone, die zur Zeit des
Herrn von Ungnad etwa mit den größeren Ortschaften Altlag, Nesseltal,
Stockendorf, Tschermoschnitz und Pöllandl abgesteckt ist.
Es ist nicht nachweisbar, aber ebenso nicht auszuschließen, daß bereits Herr von
Ungnad begonnen hat, Herrschaftswald im Ostteil des "Ländchens" für weitere
Ansiedlungen freizugeben. In größerem Stil entstanden neue Ortschaften
allerdings erst unter den kroatischen Grafen von Blagay, die die Herrschaft
Gottschee 1547 von Ungnad wiederum als Pfandinhaber übernahmen. Die Grafen von
Blagay hatten infolge der Türkenüberfälle ihren Besitz in der Nähe von Karlstadt
(Karlovac) verlassen müssen. Durch ihren Widerstand gegen die Türken hatten sie
sich um das Haus Habsburg verdient gemacht. Während der rund 70 Jahre der
Pfandinhaberschaft in den Händen der Grafen von Blagay treten für die
Geschichtsschreibung, neben den Fortschritten in der Weiterbesiedlung der
Sprachinsel, zwei wichtige Fakten zutage:
a) der erste Versuch, die Gottscheer zu slawisieren und
b) das Erscheinen des Urbariums von 1574 mit genauen Angaben über die
geographische Ausdehnung, die Bodenverteilung, die Zahl der Dörfer und
"Besitzer" sowie ihre Lasten und Abgaben.
Unter den Blagay wurden sich die Gottscheer allmählich des Lebensgesetzes bewußt,
dem sie seit mehr als sechs Menschenaltern ausgeliefert waren, ohne es recht zu
wissen, daß sie anders sprachen und anders waren als ihre Umgebung. Allerdings
wurden sie förmlich darauf hingestoßen. Die kroatischen Pfandinhaber
beschäftigten Schreiber, die das Gottscheerische nicht verstanden, auch das
damalige Deutsch nur mangelhaft beherrschten, und die bei ihrer Tätigkeit im
"Ländchen" bereits eine Art aktives Nationalgefühl mitsprechen ließen. Ohne die
Betroffenen zu fragen, ob sie damit einverstanden waren, begannen sie, deutsche
Namen zu slawisieren. So hängten sie an die gebräuchlichen Namen Jaki, Michl
oder Gaspar die Silbe "itsch" an, was in den slawischen Sprachen "der Sohn
des..." bedeutet. Die Bauern wehrten sich dagegen, daß sie nun Jaklitsch,
Michitsch oder Michelitsch oder Miklitsch und Gasparitsch heißen sollten. Sie
hatten anscheinend auch Erfolg, es kamen keine weiteren Namensveränderungen
dazu, doch die bereits vorgenommenen Slawisierungen blieben.
Zur Sprachinsel im engeren Sinn war Gottschee auch in einem anderen Zusammenhang
geworden, der Bauernbefreiung in Krain. Gleich den Gottscheern lehnten sich auch
die slowenischen Bauern gegen ihre Grundherren auf. Das waren aber - bis auf
wenige Ausnahmen - deutsche Adelige. Es bestanden zeitweilig sogar
Querver-bindungen zwischen den Gottscheern und den rebellierenden slowenischen
Bauern in der Untersteiermark. Bei der slowenisch sprechenden Grundbevölkerung
in Krain ging es jedoch nicht mehr um die Auflehnung gegen Unterdrückung und
Ausbeutung allein, sondern sie identifizierten den Unterdrücker mit dem
Deutschsein. Andererseits vollzog sich um die Wende des 14. zum 15. Jahrhundert
das geradezu epidemisch anmutende Aussterben des deutschen Adels in Krain. Die
Gründe dafür sind hier nicht näher zu untersuchen, sie liegen zum großen Teil an
der vergangenen Weltabgewandheit der Adelsschicht. Die feudalen Geschlechter
überboten sich förmlich, den männlichen und weiblichen Nachwuchs geistlichen
Berufen zuzuführen.
Bei den slowenischen Bauern liefen demgemäß zwei Entwicklungen parallel, die
Selbstbefreiung und das Entstehen einer genau abgrenzbaren slowenischen
Bewußtseinslage. Die über das ganze Land verteilten deutschen Einsprengsel und
das deutsche Bürgertum in den Städten und Märkten verloren von Jahrzehnt zu
Jahrzehnt an Zahl und Bedeutung. So war Reifnitz, die ehemalige Residenz der
Grafen von Ortenburg, Sitz ihrer Lateinschule, zu ihrer Zeit weit überwiegend
von Deutschen bewohnt, um 1500 bereits eine slowenische Stadt. Das bedeutet, daß
bei den Slowenen - mit jeder neuen Generation steigend - die Gottscheer als
anders, fremd empfunden wurden. Das soll jedoch nicht heißen, daß die
überlieferte gute Nachbarschaft zwischen den beiden unterschiedlichen völkischen
Elementen sich in Abwehr oder womöglich in Feindschaft verwandelt hätte. - Ein
Adelsgeschlecht überdauerte diese
Entwicklung: Auersperg.
Andererseits hatten die
Slowenen zu lange im Schatten der deutschen Kultur gestanden, als daß sie sich
mit ihrer noch dünnen Oberschicht plötzlich daraus hätten lösen können. Das
änderte sich, doch ebenfalls nicht unvermittelt, nachdem ihnen Primus Truber
(slowenisch Primoz Trubar - 1508 bis 1586) die slowenische Schriftsprache
geschenkt hatte. Er hing der Lehre Martin Luthers an und übersetzte als erster
die Bibel ins Slowenische.
Die krainische Linie der Herren von Auersperg war inzwischen in den
Freiherrnstand erhoben worden. Der erste Freiherr war Trajan, der sich ebenfalls
zum protestantischen Glauben bekannte. Er förderte Primus Truber. Er erzog die
eigenen Kinder in der neuen Lehre und gab die Schloßkapelle für evangelische
Gottesdienste frei. Im Laufe der Gegenreformation floh Primus Truber nach
Deutschland und ließ sich in der Nähe von Tübingen als evangelischer Pfarrer
nieder. In Tübingen wurden auch seine slowenische Bibel und andere
Veröffentlichungen gedruckt.
In der Sprachinsel Gottschee erlangte der Protestantismus keine Bedeutung.
Versuche, ihn zu verbreiten, schlugen fehl. Trajan blieb nichts anderes übrig,
als zum Glauben seiner Väter zurückzukehren.
Die Auersperger verloren auch als Freiherrn das Gottscheerland nicht aus den
Augen. Um eine familiäre Verbindung zwischen dem Pfandinhaber und ihrer eigenen
Familie herzustellen, auf der man vielleicht einmal weiterbauen konnte,
verheirateten sie - nach bewährtem Muster - die Freiin Elisabeth mit dem
Junggrafen Ursin von Blagay. Elisabeth scheint für die Gottscheer Bauern viel
Verständnis aufgebracht zu haben.
Bevor wir mit der Darstellung der Binnenkolonisation fortfahren, ist es
zweckmäßig, bereits an dieser Stelle das Urbarium von 1574 einzuschalten. Am
ehesten würden wir dem wichtigen Dokument gerecht, wenn wir es als eine
Momentaufnahme des Zustandes der Herrschaft Gottschee betrachten. Die
umfangreiche Urkunde entstand nicht etwa aus geschichtlicher
Verantwortungsfreude, um der Nachwelt ein getreues Abbild des Gottscheerlandes
zu überliefern, sondern aus purem Eigennutz.
Die Herrschaft Gottschee unterstand im Jahre 1574 dem habsburgischen Erzherzog
Carl in Graz. Seine Verwaltungsbeamten hatten ihm berichtet, daß die Herrschaft
seit der letzten Einschätzung bedeutend ertragreicher geworden sei. Carl befahl
1573 die schleunige Anfertigung eines Urbariums, das bereits ein Jahr später
vorlag. Der Erzherzog freute sich über den Wertzugewinn und glaubte sich
berechtigt, die Pfandsumme um rund 26.000 Florin zu erhöhen. (Die Abkürzung von
"Florin" = fl. wurde bereits im 16. Jahrhundert auch auf den rheinischen Gulden
übertragen.) Protest über Protest des Hauses Blagay!
Nun zum Inhalt des Urbars, das der Gymnasiallehrer und spätere Direktor des
Gymnasiums in Gottschee, Peter Wolsegger, geboren in Matrei/Osttirol, bei
Archivarbeiten in der Bezirkshauptmannschaft wiederentdeckte, bearbeitete und in
den "Mitteilungen des Musealvereines von Krain", Jahrgang 1890/91,
veröffentlichte. Zunächst stoßen wir auf eine Umgrenzung der Herrschaft. Ihre
kartographische Fixierung war schon zur Zeit Wolseggers nicht mehr möglich, weil
sie sich auf Flur- und Gegendnamen stützte, die sich verändert hatten, oder ganz
verlorengegangen waren. Grothe druckt sie auf Seite 213 ab.
Das Urbar verzeichnet laut der Wolseggerschen Bearbeitung 136 Dörfer und Weiler.
Neben jedem Dorfnamen steht die Zahl der dazugehörigen Hüben bzw. Teil-Huben und
deren "Besitzer". Ihnen folgen die Abgaben der einzelnen Ansiedlungen in
Naturalien bzw. in Bargeld.
Zwingend drängt sich uns der Gedanke an das Lebensgesetz der Gottscheer von der
Enge des Lebensraumes auf. Sie äußert sich in der auffallend starken
Zersplitterung des land- und forstwirtschaftlich nutzbaren Bodens. 498 halbe
"Urbar-Huben" sind verzeichnet. In dieser Angabe ist natürlich der
Herrschaftswald nicht enthalten. Die Bodenaufsplitterung durch Erbteilung und
Teilverkauf war 1574 schon so weit fortgeschritten, daß nur noch 27 ganze Huben
aufgeführt sind. Im übrigen herrscht die halbe Hube mit 904 Einheiten vor. Die
weitere Aufsplitterung kündigt sich mit vier Dreiviertelhuben, drei
Drittelhuben, 32 Viertelhuben und acht Achtelhuben an. Insgesamt sind es 1002
Besitzanteile von der ganzen Hube bis zur kleinsten und darum unwirtschaftlichen
Kulturfläche.
"Besitzer" weist das Urbarium um 1300 aus. Daß diese Angabe nicht identisch ist
mit jener der ganzen Huben und Teilhuben, dürfte daran liegen, daß man damals
auch Unterpächter als "Besitzer" bezeichnete. Bleiben wir aber bei der Zahl
1300. Vielleicht hilft sie uns, zu einer brauchbaren, wirklichkeitsnahen
Berechnung der Einwohner des "Ländchens" zu gelangen:
Grothe und Otterstädt schätzen sie auf rund 9000 Personen. Leider geben sie dazu
keine Aufschlüsselung. Um die Schätzung jedoch nachprüfen zu können, bedarf es
einer solchen. Wie war in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts das Gottscheer
Völkchen sozial gegliedert? Aus dem Urbar erfahren wir lediglich eine etwaige
Stellung der dem Grundherrn gegenüber verantwortlichen Erbpächter bzw. ihrer
Unterpächter. Es waren zusammen etwa 1300. Nun waren die meisten Besitzer
Halbhübler, was bedeutet, daß sie mit ihrer Familie rund 10 ha = etwa 40 Tagwerk
zu bearbeiten hatten. Dazu waren sie, wenn ihnen nicht eine einsatzfähige,
größere Kinderschar zur Verfügung stand, allein nicht imstande. Der Ackerboden
wurde nur mit der Haue - mundartlich "Haga" - umgebrochen und entlüftet. Daß das
Getreide mit der Sichel geerntet wurde, ist selbstverständlich. Es gab also
außerdem noch eine Anzahl von besitzlosen Taglöhnern, Knechten und Mägden. Hinzu
kamen nach menschlichem Ermessen auch damals schon einige hundert, auf das
gesamte Areal des "Ländchens" verteilte, alte Frauen und Männer, die von kleinen
Gelegenheitsarbeiten, wenn es hoch kam, von einer Kuh, ein paar Hühnern und
Almosen lebten. Diesen aus dem aktiven Wirtschaftsleben ausgeschiedenen Typ fand
man in fast allen Dörfern bis in die neueste Zeit.
Fassen wir zusammen:
1. Nehmen wir die normale Gottscheer Familie der friedlichen Zeit mit einem
Durchschnitt von 5,0 bis 5,5 Köpfen einschließlich der Großeltern, bzw. eines
Großelternteils, so ergibt dies 1300 mal 5,0 bzw. 5,5 = 6500 bis 7250
2. Dienstboten und Taglöhner, zum Teil mit Familie = 1800 bis 2000
3. Alleinstehende Alte und Arme = 300 bis 400
Zusammen etwa 8600 bis 9550
Ganz abwegig ist die Schätzung von Prof. Grothe also nicht, obwohl dem Verfasser
alle drei Zahlenangaben, auch die Alternativzahlen, etwas zu niedrig gegriffen
erscheinen, er meint daher, daß man die Grothesche Schätzung ruhig auf 10.000
bis 10.500 erhöhen dürfte, ohne an der historischen Wahrscheinlichkeit weit
vorbeizuschießen.
Die unterschiedliche Größe der Ortschaften lag schon 1574 fest. Das größte Dorf
war Rieg mit einer Ortsflur von 14 Huben, die von 32 Besitzern bebaut wurden.
Rieg, das ja schon 1398 Sitz eines Amtes, das heißt, eines Verwalters oder eines
Vogtes war, muß sehr schnell gewachsen sein. Es bestätigte damit aber nur seine
Rolle als ursprünglicher Siedlungsmittelpunkt und Zentrum des Hinterlandes. Der
Ortsname stammt aus Kärnten. In der Nähe von Kolbnitz/Oberkärnten gibt es heute
noch einen Flurnamen "An der Rieggn" und einen "Rieg"-Bach (siehe Kranzmayr,
Ortsnamenverzeichnis von Kärnten). Diese Bezeichnung wurde von den Kolonisten
auf Rieg übertragen, das bis auf den heutigen Tag noch "An dar Riaggan" genannt
wird. "In da Riagga gean" war ebenso durch alle Jahrhunderte ein feststehender
Begriff. Rieg überflügelte wahrscheinlich schon zu Beginn des 15. Jahrhunderts
das Nachbardorf Göttenitz, das bereits in den ersten Siedlungsphasen entstanden
war. Allerdings mußte es zu Beginn des 15. Jahrhunderts den Pfarrsitz an Rieg
abgeben, denn in der Chronik des Burkard Zink ist um 1409 bereits der erste
Pfarrer in Rieg erwähnt.
Ein typisches Ursprungsdorf war weiter Obermösel. Auch die Bezeichnung "Mösel"
stammt aus Kärnten. Im Urbar erscheint es mit 10 Huben und 28 Besitzern. Im
weiteren Ausstrahlungsbereich Obermösels liegen die bereits erwähnten Dörfer
Verdreng und Verderb. Mit einem etwas galligen Humor lassen sich diese beiden
seltsamsten Ortsbezeichnungen des Gottscheerlandes so erklären, daß sich
nachgewanderte Kolonisten aus Kärnten oder Osttirol aus dem schönen Mösel hinter
den späteren Verdrenger Berg ins Verderben verdrängt fühlten.
Je 10 Huben gehörten auch zu den Dörfern Nesseltal und Reichenau. Nesseltal
zählte 30 Besitzer, Reichenau indessen 33, was auf eine bereits weitergehende
Aufsplitterung der Ortsflur hinweist. Nesseltal, eine der schönsten Ortschaften
der Sprachinsel, war das Zentrum des Unterlandes und wies - gleich Rieg - mit
seinem lebhaften wirtschaftlichen und kulturellen Leben marktähnliche Züge auf.
- Der Ortsname Reichenau kommt aus Kärnten. Das Dorf genoß wegen seiner
altüberlieferten und erfolgreichen Ochsenmast sowie der kunstvollen
Siebeflechterei einen besonderen Ruf.
Ähnliche, siedlungsgeschichtliche Funktionen wie Rieg, Obermösel und Nesseltal
übernahmen im Oberland - wahrscheinlich schon im frühen 14. Jahrhundert - die
Ortschaften Mitterdorf und Altlag. Beide weisen allerdings im Urbar keine
herausragenden Huben- und Besitzerzahlen auf: Mitterdorf zählte 6 Huben und 12
Besitzer, Altlag 7 Huben und 18 Besitzer. Der alte Name für Mitterdorf,
"Altenkirchen", (slowenisch "Stara cerkev"), taucht 1574 nicht mehr auf.
Die großen Gottscheer Dörfer - "groß" ist natürlich bezogen auf die
Größenordnung des "Ländchens" - liegen ausnahmslos in der westlichen Hälfte des
Siedlungsgebietes, jenem Abschnitt, den noch die Grafen von Ortenburg
kolonisatorisch vorgeplant und durchdacht und zur Besiedlung freigegeben hatten.
Die bis ins 19. Jahrhundert feststellbaren Neugründungen - es mögen rund drei
Dutzend gewesen sein - blieben durchwegs klein. Dies gilt namentlich für die
Ortschaften des Waldlandes um das Hornwaldmassiv, mit dem wir uns nun zu
beschäftigen haben.
Im 14. Jahrhundert erfuhren wir, daß während der ersten Besiedlungsphase der
Urwald von den Rändern her gewissermaßen aufgebrochen wurde, insbesondere im
Südosten und im Osten. Die Besiedlung des Suchener Beckens gehört in diesen
zeitlichen Zusammenhang. Während im Kulpatal bzw. in der späteren Herrschaft
Pölland die Orte bekannt sind, wissen wir über die damaligen Ansiedlungen an der
Ostflanke des Siedlungsgebiets wenig. Zwar liegt uns eine Anzahl slowenischer
bzw. slowenisch klingender Ortsnamen vor, es ist jedoch mit Sicherheit nicht zu
unterscheiden, wann die dazugehörigen Dörfer angelegt wurden, im 14. oder im 16.
Jahrhundert. Mit Sicherheit stammen nur die Ortschaften Tschermoschnitz und
Pöllandl aus der Ära Meinharts I. und Hermanns III. Aber schon Stockendorf ist
eine Dorfanlage mit Kärntner Siedlern. Abgesehen vom Ortsnamen, der sich leicht
von "Stock", dem Wurzelstock, ableiten läßt, befindet sich in der Umgebung des
Ortes ein Flurname "in der Wiederschwing", der auch in Kärnten vorkommt. Ihre
Nachfolger als Kolonisatoren konzentrierten sich auf den leichter zu
erschließenden westlichen Teil des Urwaldlehens und vernachlässigten die "Moschnitze".
Da sie keinen Zuzug mehr erhielten und keine Förderung erfuhren, entwickelten
sich die Ortschaften Pöllandl und Tschermoschnitz nicht annähernd so schnell und
umfangreich wie die Besiedlungsmittelpunkte der Westhälfte des "Ländchens". Wie
ungünstig die Lebensbedingungen in den drei eben genannten Dörfern waren und
blieben, ist aus dem Urbar von 1574 ersichtlich: Sie zählen mit ihren 3 halben
Huben und 11 Besitzern (Tschermoschnitz), 3 Huben und 9 Besitzern (Stockendorf)
und 3 Huben und 7 Besitzern (Pöllandl) zu den Nachzüglern des kolonisatorischen
Reifeprozesses.
Ungünstige Voraussetzungen für ein wirtschaftliches Weiterwachsen herrschten
auch im Suchener Hochtal, dessen siedlungsgeschichtliche Sonderentwicklung wir
uns hier in Erinnerung rufen. Sie ist allerdings 1574 noch nicht abgeschlossen.
Im Urbar sind lediglich die Dörfer Ossiunitz mit 4 Huben (l ganze, 6 halbe) und
10 Besitzern, Obergras und Mittergras mit 4 Huben (3 ganze, 2 halbe) und 6
Besitzern, sowie Untergras mit 3 1/2 Huben (2 ganze, 3 halbe) und 5 Besitzern
vermerkt.
Ein ziemlich klares Bild der sozialgeschichtlichen Entwicklungshilfe der
Gottscheer läßt sich aus dem Urbar herauslesen, als da sind: der Herrendienst
(Robot und Fron), wie die Abgaben in natura und in barer Münze. Allerdings geht
aus der von Peter Wolsegger wiederentdeckten Handschrift des Urbars nicht
hervor, ob es sich um die bis dorthin gültigen Belastungen der Bauern handelt
oder bereits um deren neue Festsetzung nach der Pfandpreiserhöhung. Im übrigen
hatte jener Graf von Blagay eine schriftliche Erklärung dahingehend abgegeben,
daß er die Bauern hinsichtlich ihrer Abgaben nicht überfordern und in ihren
alten Rechten nicht schmälern würde. Wie illusorisch diese Erklärung in
Wirklichkeit war, ersehen wir aus der jedes vernünftige Maß überschreitenden
Erhöhung der Pfandsumme durch den Erzherzog Karl.
Die zu erbringenden Leistungen waren Dorfweise festgelegt. Abzuliefern waren an
Feldfrüchten Weizen, Roggen und Hirse. Die Gerste wird nicht erwähnt,
ebensowenig wie der Buchweizen. Ausdrücklich sei darauf hingewiesen, daß im 16.
Jahrhundert die Kartoffel und der Mais als Volksnahrungsmittel noch unbekannt
waren. An tierischen Produkten wurden Hühner, Eier und Käse verlangt, Schweine
und Rinder bzw. deren Fleisch sind in diesem Urbar nicht gefordert. Dagegen
hatten die Bauern Wein, viel Wein und Most zu erbringen.
Dabei bestätigt sich, daß die
geographische Grenze der Weinabgabepflicht bei Obermösel lag. Sie traf im
Unterland jene Besitzer, die neben ihrer eigentlichen Landwirtschaft in Maierle
Weingärten besaßen und bearbeiteten. Wir sehen daraus, daß das Weinbaugebiet im
Südosten der Sprachinsel im 16. Jahrhundert längst erschlossen war, daß aber,
wegen der großen Entfernung dorthin, die zusätzliche Bewirtschaftung eines
Weingartens nicht mehr lohnte. Körnerfrüchte sowie Wein und Most wurden den
Bauern in so großen Mengen abverlangt, daß sie wohl die Haupteinnahmequelle des
Pfandinhabers darstellten. Sie wurden nach Abzug des Eigenbedarfs für die
Hofhaltung auf Burg Friedrichstein zunächst im "Maierhof" gelagert und dann
verkauft.
Der "Herrendienst" bestand hauptsächlich in Hand- und Spanndiensten für den
Pfandinhaber, im Roboten am Maierhof, am "Stadthaus" und an der Burg. Der
Maierhof war, weil die Türkennot nicht aufhörte, sicher in die Stadt verlegt
worden. Ein paar Beispiele für den Herrendienst und die Abgaben:
Die Oberloschiner hatten Getreide zur Mühle zu fahren. Daraus entnehmen wir, daß
bereits vor 1574 an der Rinse eine Mühle betrieben wurde. - Den Koflern war
aufgegeben: "... tragen zwei Fuhren Zehentmost." Wohin wohl? Auf die Burg
Friedrichstein?! - Eine Sonderaufgabe fiel den Windischdorfern neben dem "Fahren
von zwei Fuhren Zehentmost" zu: "Wenn das Wasser Gotsche gefischt wird, müssen
das Schaff führen." Ferner mußten sie "für das Heurechen den Maiergarten
zäumen." - Auch Malgern hatte eine Fuhre Most zu fahren. Außerdem, so hieß es;
"... tragen vier Besitzer Briefe nach Reifnitz und Seisenberg."
Die Schalkendorfer haben, wie andere Dörfer, Hofgetreide zum Maierhof zu bringen
und ".. . müssen diesen ausbessern und säubern". Darüber hinaus hatten die
Schalkendorfer das "Stadthaus" und "das Schloß" vom Schnee zu reinigen.
Als Sonderleistung einzelner Dörfer erscheint sogar die ständige Betreuung der
Kreitfeuer im Urbar, so Prerigel, Graflinden, Unterdeutschau und Nesseltal.
Unterdeutschau hatte außerdem am Schloß zu roboten und Briefe nach Pölland wie
"in die Gotsche" zu tragen. Nesseltal mußte ferner vier Fuhren Wein stellen und
je Kopf der Bevölkerung 25 Dachschindeln abliefern. Drei Fuhren Wein und "die
nötigen Dachschindeln für Schloß Friedrichstein und das Amtshaus in der Stadt"
hatte Obermösel beizutragen.
Immerhin waren einige wenige Siedlungen von allen Abgaben befreit, so
Fliegendorf, mit der Begründung: ". .. weil sie gar unsicher und ihre Gütlein in
dem Staudach und nah der Kulp".
Die drückendste Fron muß wohl in den schweren Wintern das Freischaufeln des
Weges bis hinauf zur Burg Friedrichstein gewesen sein.
Überwacht wurden die Abgaben und Bauernleistungen durch einen Pfleger, der
seinen Sitz in dem wiederholt erwähnten "Amtshaus" in der Stadt hatte. Wer das
"Amtshaus", auch "Stadthaus" genannt, und wann erbaut hat, ist urkundlich nicht
belegt. Es muß jedoch schon einige Zeit vor der Erstellung des Urbariums von
1574 bestanden haben, denn, wie wir aus der Ablieferungspflicht von Schindeln
folgern können, war es reparaturbedürftig.
Die Neubewertung der Herrschaft Gottschee durch den Habsburger in Graz erwies
sich in der Tat als wirklichkeitsfremd. Der Pfandinhaber hätte lediglich
erreicht, daß sich die Bauern wie im Jahre 1515 erhoben, hätte er die Pfandsumme
von über 26.000 fl. auf das "Ländchen" umlegen wollen. Graf Franz von Blagay,
zur Zeit der Erstellung des Urbariums Pfandinhaber, setzte schließlich durch,
daß man in Graz die Unerfüllbarkeit der Überforderung einsah. Es blieb von ihr
erstaunlich wenig übrig. Otterstädt berichtet dazu auf Seite 21 seines
Bildbandes, daß man zuerst die 26.160 fl. auf 15.000 fl. ermäßigte, von denen
5000 für bauliche Bedürfnisse der "Burg im Städtl" und der Tabore abgezweigt
werden sollten. Hier bestätigt sich, daß das Stadthaus recht reparaturbedürftig
war. Die restlichen 10.000 fl. sollten in Teilbeträgen während der folgenden
acht Jahre fällig sein. Aber auch dieser Rest der ursprünglichen Summe überstieg
den Leistungswillen des Grafen und die Leistungsfähigkeit der Bauern, die gegen
Ende der siebziger Jahre wieder gefährlich aufbegehrten. Laut Otterstädt betrug
die endgültige Erhöhung 1589, nach einem neuerlichen Türkenüberfall, bei dem die
Stadt niedergebrannt wurde, ganze 5000 fl., zahlbar in drei Jahresraten.
Otterstädt wirklich: "Damit lag auf der Herrschaft Gottschee die Pfandsumme von
12.000 fl. in Gold, 10.500 fl. in Münze und 900 fl. als Bargeld, eine gewaltige
Summe."
In den neunziger Jahren des 16. Jahrhunderts wurde die finanzielle Lage der
Grafen von Blagay immer kritischer. Sie versuchten, weitere Abgabelasten aus den
Bauern herauszupressen. Die Unruhe unter diesen wuchs. Sie suchten in ihrer Not
bzw. aus ihrer Not einen Ausweg. In Versammlungen entstand der Plan, dem
Erzherzog Carl die Ablösung des Hauses Blagay mit der einmaligen Zahlung der
1574 geforderten Erhöhung der Pfandsumme vorzuschlagen. Sie wollten künftighin
die Herrschaft Gottschee selbst verwalten. Die 16.160 fl. aber sollten unter
größten Opfern von der Bevölkerung durch Sammlungen aufgebracht werden. Der
Blagay erfuhr davon und verhinderte in Graz die Ausführung des Planes.
Unabhängig von Erfolg oder Mißerfolg dieses Vorhabens stellen wir bei den
Gottscheern einen gewissen politischen Reifeprozeß fest, der hier den ersten
Höhepunkt erreichte. Sie erstrebten nicht mehr und nicht weniger als die
Selbstverwaltung. Vergleichen wir dazu ihr Verhalten am Beginn des 15.
Jahrhunderts, als sie sich am Waldbesitz ihres Grundherrn Friedrich III.
schadlos hielten oder am Beginn des 16. Jahrhunderts, wo sie den Stersen
erschlugen, so taucht hier eine durchaus politische Konzeption auf. Aus ihr
erkennen wir darüber hinaus, daß sich die Gottscheer am Ende des 16.
Jahrhunderts ihrer Sprachinsellage in vollem Umfange bewußt geworden waren.
Zum Abschluß des Kapitels Urbarium 1574 noch die Frage: Was hat Beamte des
Erzherzogs Karl veranlaßt, anzunehmen, daß die Herrschaft Gottschee bedeutend an
Wert gewonnen habe? Auch in Graz war nicht unbekannt, daß seit 1559 kein
Türkenüberfall mehr stattgefunden hatte, woraus man schloß, daß die
landwirtschaftlichen Erträge gestiegen sein mußten. Zudem war den Schreibern
Karls nicht verborgen geblieben, daß sich die Zahl der Dörfer vermehrt hatte.
Darin sahen die stets mit den Geldsorgen ihrer Herren ringenden Staatsdiener
eine Wertsteigerung, die es möglichst umgehend abzuschöpfen galt. Beide Annahmen
erwiesen sich als Irrtümer.
Die kurze Erholungspause nach 1559 reichte nicht aus, die vorher von den Osmanen
angerichteten Schäden auszugleichen, zumal der Pfandinhaber hinsichtlich der
Naturalabgaben und der Zinsung keineswegs nachgiebiger verfuhr als vorher.
Allerdings zeigte Franz von Blagay Verständnis für das Bestreben der Bauern,
neue Dörfer anzulegen, womit wir wieder bei der Binnenkolonisation angelangt
sind. Nicht zuletzt dachte der Graf dabei an seinen eigenen Vorteil, der
freilich erst in Jahren greifbar wurde. Die Neukolonisten vollzogen andererseits
unbewußt das natürliche Gesetz des Wanderungsausgleiches zwischen dicht und dünn
besiedelten Zonen. Im Gottscheerland bewegte sich der Haupttrend zur
Erschließung neuer Urwaldgebiete in westöstlicher Richtung. Warum, ist uns
bekannt. Wir wissen jedoch nur in zwei Fällen genau, wer, wann und wo
Siedlungsland bereitgestellt hat: Die Gräfin Elisabeth von Blagay, geborene
Freiin von Auersperg. Es sind dies die Dörfer Langenton (1605) und Masereben
(1613). Ob die Gräfin Elisabeth weitere Ansiedlungen ermöglicht hat, ist nicht
zu ermitteln. Die Historiker geben leider nur eine pauschale Zahl der
Neugründungen an, nämlich 25. Zugegeben, die frühe Geschichte des
Gottscheerlandes ist arm an Urkunden, doch wurden bedauerlicherweise nicht
einmal die vorhandenen voll ausgeschöpft, wie das Urbarium von 1574, das
bezüglich der dünnen Kolonisation sehr wohl Auskunft gibt. Man muß es allerdings
mit einer anderen, wenig beachteten Urkunde kombinieren:
Wir brauchen nur davon auszugehen, daß Ortschaften, die im Urbar nicht erwähnt
sind, auch noch nicht existiert haben. Das nächste, ebenfalls sehr genau
geführte Dokument ist das Rekrutierungsregister Maria Theresias aus dem Jahre
1770. Darin sind alle Städte, Märkte und Dörfer der gesamten Monarchie
aufgezeichnet worden. Logische Schlußfolgerung: Alle Gottscheer Dörfer, die 1574
nicht genannt sind, hingegen 1770 zum ersten Mal auftauchen, müssen zur
Binnenkolonisation gehören. Freilich hat die nun folgende Liste dieser
Gottscheer Ortschaften einen Schönheitsfehler. Aus ihr ist nicht ersichtlich,
welche Dörfer tatsächlich im 16. Jahr-hundert ins Leben gerufen wurden. Das wird
sich nie mehr feststellen lassen. Seien wir also mit der nun folgenden Liste
zufrieden:
Gemeinde Tschermoschnitz: Alttabor, Maschel, Neutabor, Plösch, Widerzug,
Wretzen.
Gemeinde Stockendorf: Roßbüchel, Skrill, Töplitzel.
Gemeinde Nesseltal (östlicher Teil): Schäflein, Schlechtbüchel, Suchen.
Gemeinde Pöllandl:
Steinwand.
Gemeinde Döblitsch: Maierle.
In der von den Ortenburgern besiedelten westlichen Hälfte des "Ländchens"
scheinen 1770 folgende Ortschaften zum ersten Mal urkundlich auf:
Gemeinde Obermösel: Suchen, Unterskrill.
Gemeinde Graflinden: Ramsriegel, Thura.
Gemeinde Niederdorf: Masereben (siehe oben).
Gemeinde Langenthon: Langenthon.
Gemeinde Hinterberg: Hornberg.
Gemeinde Suchen (im Hochtal): Merleinsrauth.
Gemeinde Unterlag: Unterpockstein.
Die rund um das Hornwaldmassiv entstandenen Spätgründungen weisen typische
Gemeinsamkeiten auf: Sie liegen verkehrsungünstig, sind klein, offensichtlich
nicht nach einem Plan angelegt, und es gelang keinem von ihnen, sich zu einem
Mittelpunkt zu entwickeln.
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