Die Geschichte der Gottschee
17.
Jahrhundert
Dr. Erich Petschauer, 1980
Aus dem
"Jahrhundertbuch der Gottscheer"
Der Steuerdruck stieg ins
Ungemessene. Als Folge seiner aufwendigen Lebenshaltung geriet Graf Stephan von
Blagay gegen Ende des 16. Jahrhunderts in immer größere finanzielle Bedrängnis.
Um sie zu überwinden, führte er 1599 ein teuflisches System der Ausbeutung ein:
Er verpachtete die Gottscheer Dörfer weiter und forderte von seinen
Unterpächtern untragbare Summen. Er begann mit den Dörfern Koflern,
Schwarzenbach und Prerigel. 1613 waren ihm 35 Unterpächter zinspflichtig, neben
Kroaten und Slowenen auch einzelne Gottscheer, Frauen und ein Geistlicher. Die
Bauern sandten immer neue Beschwerden und Bittschriften nach Laibach und Graz.
Erst 1613 erschien aus Laibach eine "Kommission", um die angeprangerten Zustände
zu untersuchen. Sie fügte diesem einen neuen Skandal hinzu. Sie erwies sich als
bestechlich und zögerte den Bericht hinaus. Des Treibens müde, verkaufte das
Haus Habsburg die Herrschaft Gottschee 1618 an den Freiherrn Hans Jakob von
Khysel. Wie schlimm es um das ausgeplünderte Ländchen bestellt war, geht aus dem
Ausspruch des Freiherrn hervor, man habe während der letzten zehn Jahre in den
Wäldern von Gottschee weder einen Hirsch noch ein Wildschwein gesehen. In den 22
Jahren seiner Grundherrschaft erfahren wir nichts über Willkür und maßlosen
Steuerdruck. Eine nicht unwichtige Jahreszahl ist anzumerken: 1623 wurde der
Freiherr von Khysel in den Grafenstand erhoben und die "Herrschaft" Gottschee
durfte sich fortan "Grafschaft" nennen.
Die Hälfte der Schicksalsuhr der Gottscheer war abgelaufen: Das Geschlecht
Auersperg erschien endgültig auf der Gottscheer Szene und blieb genau 300 Jahre.Die Familie Auersperg hatte jahrhundertelang traditionsgemäß die Erblandkämmerer
und Erblandmarschälle, mehrfach auch den Landeshauptmann und den Landesverweser,
in Krain gestellt. Natürlicherweise besaßen sie in diesen hohen Ämtern stets den
Überblick über das ganze Land und hatten auch das ortenburgische Siedlungswerk
nicht aus den Augen verloren. Dafür hatte bereits Meinhart I. von Ortenburg zu
Beginn seiner Besiedlung gesorgt. Was war nun geschehen?
1641 kaufte Wolf Engelbrecht von Auersperg die Grafschaft Gottschee.
Diesem bedeutsamsten Ereignis seit dem Beginn der deutschen Besiedlung und der
Stadterhebung war folgendes vorausgegangen:
Der Freiherr Johann Weikard von Auersperg hatte sich am Hof in Wien zum
persönlichen Vertrauten des Kaisers Ferdinand II. (1619 bis 1637) - ein Sohn des
Erzherzogs Karl in Graz - emporgearbeitet.
Er war kaiserlicher Rat, Kabinettsminister, also Ministerpräsident, und stand
persönlich beim Monarchen in höchster Huld und Gnade. Er wurde zum Fürsten
erhoben und erhielt später auch noch den Titel eines Herzogs von Münsterberg in
österreichisch-Schlesien. Wolf Engelbrecht war sein älterer Bruder. Der
entscheidende Einfluß Johann Weikards bei Hofe hatte ohne Zweifel mitgewirkt,
als Wolf die Grafschaft im Karst erwarb. Damit war er Graf von Gottschee
geworden.
Graf Wolf Engelbrecht besaß, wie viele Auersperger vor und nach ihm, eine
ausgesprochene Begabung und Neigung zur Menschenführung. Er ging sofort daran,
im "Ländchen" Ruhe und Ordnung herzustellen und - Arbeit zu schaffen.
Energiegeladen, wie er war, muß er noch im Kaufjahr an die Planung und
unmittelbar darauf an den Bau des "Schlosses" gegangen sein. Mit der Errichtung
dieses für die kleine Stadt überdimensionalen Bauwerks beschäftigte er jahrelang
eine größere Zahl von Handwerkern und Arbeitern. Ob er es am Standort des im
Urbar von 1574 erwähnten "Stadthauses" errichten ließ, ist nicht nachgewiesen,
jedoch wahrscheinlich, sonst wäre das Stadthaus irgendwann in den nächsten
Jahrhunderten urkundlich noch einmal aufgetaucht.
Bereits 1642 legte der Graf dem Kaiser und Herzog von Krain ein "Privilegienbuch
der Stadt Gottschee" zur Unterschrift vor. Darin waren alle Privilegien und
Rechte, die Habsburg der Stadt Gottschee seit ihrer Erhebung gewährt hatte,
zusammengetragen. Mit der kaiserlichen Unterschrift wurden sie neu bestätigt.
Die zu den Rechten gehörenden vier Markttage und die zwei Kirchweihtage tauchten
selbstverständlich wiederum auf. Sie bildeten seit 1471 einen wesentlichen
Bestandteil des Wirtschaftslebens in der Sprachinsel.
Die Gottscheer waren es nicht gewohnt, regiert zu werden. Sie kannten lediglich
die Ausbeutung und Unterdrückung - und den Protest. Nun wollten sie offenbar
wissen, wie weit sie bei dem neuen Herrn mit dem Protestieren gehen konnten. So
rebellierten sie 1661 gegen die in ihren Augen immer noch zu hohen Abgaben. Wolf
Engelbrecht reagierte zunächst gelassen, zog aber auch niemand zur
Verantwortung. Als jedoch kurz darauf ein katastrophales Hochwasser der Rinse
weite Teile des Oberlandes verheerte und 1668 ein zündelndes Kind die Stadt
einäscherte, kam er den Betroffenen mit deutlich spürbaren Steuererleichterungen
entgegen. Diese Maßnahmen entsprachen durchaus seinem Wesen.
Graf Wolf war ein außergewöhnlich gebildeter Mann, ein bei den Jesuiten in Graz
geschulter Renaissance-Mensch. Zunächst ohne rechten Erfolg versuchte er, auf
die rauhen Sitten des krainischen Adels einen glättenden Einfluß zu nehmen.
Besser wurde es erst, als er die traditionellen Landesämter der Familie
Auersperg übernahm. Das Beispiel, Künstler und Gelehrte in seinem Palais in
Laibach einzuladen, bewirkte eine Anhebung des Kulturniveaus. - Das Schloß in
der Stadt Gottschee diente ihm nicht als Repräsentationsbau, sondern war von
vornherein als Verwaltungsgebäude geplant.
Graf Wolf starb 1673. Sein Bruder Johann Weikard beerbte ihn. Dadurch kam die
fürstliche Linie des Hauses Auersperg in den Besitz der Grafschaft Gottschee.
Der Fürst war bereits vor dem Tode seines älteren Bruders selbstverschuldet beim
kaiserlichen Hof in Ungnade gefallen. Er mußte seine Ämter niederlegen, weil er
hinter dem Rücken des Kaisers in Rom versucht hatte, vom Papst zum Kardinal
ernannt zu werden. Er zog sich zunächst nach Wels, dann nach Unterkrain zurück -
nicht nach Gottschee! - wo er verbittert und vereinsamt mit 63 Jahren auf Schloß
Seisenberg verstarb. Seinen Erben hinterließ er nicht nur ein geordnetes und
wirtschaftlich erholtes Gottscheerland, sondern auch eine dynastische
Verpflichtung, die nur ein gereifter, ja, noch mehr, ein weiser Menschenkenner
aussprechen konnte: Er bestimmte, daß die Grafschaft Gottschee auch bei
Erbstreitigkeiten nicht geteilt werden durfte, womit er sie zum Fidei-Kommiß
erhob. Die Familie Auersperg hielt sich bis an das Ende aller Gottscheer Tage
getreulich an den Auftrag ihres großen Vorfahren.
Im Jahre 1690 wurde in der Stadt die erste deutschsprachige Schule auf
Gottscheer Boden ins Leben gerufen. |