Die Geschichte der Gottschee
20/2.
Jahrhundert
Dr. Erich Petschauer, 1980
Aus dem
"Jahrhundertbuch der Gottscheer"
Einige Wochen des Lagerlebens waren vergangen und des Suchens, Fragens und
Schreibens nach den engsten Verwandten, Freunden und Nachbarn war kein Ende.
Endlich trafen die ersten Briefe aus den Vereinigten Staaten ein, familiäre
Freudensbotschaften und Trauernachrichten, aber auch die Ankündigung, daß Hilfe
vorbereitet werde
.
Im Jahre 1946 bewiesen die Amerika-Gottscheer, daß der in Jahrhunderten
gewachsene Geist der Nachbarschaftshilfe in den Steinwüsten der Millionenstädte
nicht erloschen war. Nach umfangreichen Vorbereitungen wurde 1946 das "Gottscheer-Hilfswerk"
mit dem Ziel ins Leben gerufen, den schwer geprüften Landsleuten in Europa so
rasch und so umfangreich wie möglich beizustehen. Über das Zustandekommen der
Hilfsorganisation berichtet das Festbuch anläßlich ihres 25 jährigen Bestehens
das Folgende:
"Bei den Hauptversammlungen der Gottscheer Vereine in Ridgewood wurden bereits
im Januar 1945 provisorische Komitees erstellt, die sich mit dem Problem einer
Hilfsaktion befassen sollten. Das Ende des Krieges, mit seinen chaotischen und
grausamen Folgen für unsere Landsleute in Europa, drängte zur Tat. Um dem an den
Folgen einer tragischen Politik der Kriegsmächte, im Elend gestrandeten
Gottscheer Völklein zu helfen, war eine großzügige und koordinierte Hilfsaktion
notwendig. Da die Satzungen der bestehenden Gottscheer Vereine für ein solches
Unternehmen nicht geeignet waren, wurde am 23. Mal 1945 eine Versammlung ins
Gottscheer Klubhaus einberufen, an welcher sich folgende Vereine beteiligten
Gottscheer Kranken-Unterstützungsverein |
Österreichischer Männer-Kranken-Unterstützungs-Verein |
Gottscheer Central Holding Company |
Gottscheer Männerchor |
Gottscheer Damenchor |
Deutsch-Gottscheer Gesang-Verein |
Gottscheer Vereinigung. |
|
Später traten noch der Gottscheer Kranken-Unterstützungs-Verein von New York,
der Gottscheer Kegelklub und der Fisch- und Jagdklub bei, und nach seiner
Gründung im jähre 1951 auch der Fußballklub Blau-Weiß Gottschee.
Aus deren Reihen wurden dann 19 Vertreter als provisorischer Beamtenstab für das
Hilfswerk erwählt. Sogleich wurde mit Geld- und Kleidersammlungen begonnen.
Leider gab es noch keinen Postverkehr nach Europa, und außerdem waren Sendungen
an Privatpersonen oder Gruppen nicht erlaubt. Nur kirchlichen Organisationen war
es gestattet, Medikamente an Lazarette und Flüchtlingslager zu senden.
Im März 1946 schloß sich das Gottscheer Hilfswerk der "Katholischen Kriegshilfe
Konferenz' (N. C. W. C.) an und steuerte 6000 Dollar bei, mit der Erwartung, daß
die notleidenden Gottscheer in Europa wenigstens teilweise bei der Verteilung in
den verschiedenen Ländern berücksichtigt werden.
Nach Überwindung vieler Schwierigkeiten gelang dann am 15. April 1946 endlich
die gesetzliche Eintragung des Gottscheer Hilfswerkes (Gottscheer Relief
Association, Inc.). Zu betonen wäre hierzu, daß damit das Gottscheer Hilfswerk
als erste Organisation in Amerika befugt war, für die eigenen Landsleute zu
arbeiten. Jetzt lief die Arbeit mit großem Schwung an. Aus jeder Ortschaft wurde
ein Vertrauensmann beauftragt, die Anschriften der Landsleute einzubringen und
in kurzer Zeit wurden mehr als 2000 Gottscheer Familien erfaßt. Die Relief News,
nach Bedarf erscheinend, sorgten laufend für die nötige Aufklärung unter den
Landsleuten, und die darin enthaltene Spalte "Verwandte und Freunde gesucht",
stellte für Hunderte die seit Jahren unterbrochene Verbindung wieder her. Durch
die enge Verbindung zum N. C. W. C. konnten wichtige Informationen eingeholt und
veröffentlicht werden. Ein Appell im Gottscheer Dialekt wurde zwei Monate lang,
eine halbe Stunde wöchentlich, über den Sender WWRL ausgestrahlt.
Korrespondenzen, Drucksachen, Radiosendungen die vielen Reisen, besonders
späterhin Transportkosten usw., wurden von den betreffenden Amtierenden aus
privaten Geldern bestritten und alle gesetzlichen und sonstigen Arbeiten
vollkommen kostenlos erledigt.
Als dann die noch heute bestehende Hilfsorganisation "Care" entstand, wurde
sofort Verbindung aufgenommen und bald darauf wurden die ersten 1000 Care-Pakete
zum Preis von 15.000 Dollar abgeschickt. Zu dieser Sendung steuerte auch die
Cleveland-Gruppe 5000 Dollar bei. In den nächsten Jahren folgten dann noch
weitere 3000 Care-Pakete. Tonnen von Kleidern sowie Milch- und Eierpulver.
Zunehmend wurde es schwieriger, die finanziellen Mittel aufzutreiben. Wohl
deckten die Spenden im ersten Jahr alle Ausgaben mit einem Überschuß, auch die
oben angeführten landsmännischen Vereine stellten zwei Jahre alle Einnahmen
ihrer Vereinsveranstaltungen dem Hilfswerk zur Verfügung, jedoch mußte für neue
Einnahmsquellen gesorgt werden, sollte die Hilfsaktion nicht ins Stocken
geraten. So wurde am 29. Juni 1947 das erste Picknick und Wohltätigkeitsfest in
Franklin Square abgehalten, welches nicht nur ein ausschlaggebender finanzieller
Erfolg war, sondern das größte aller Feste der Gottscheer wurde. Niemand ahnte
damals, daß dieses Picknick fortan der Treffpunkt der Gottscheer aus aller Welt
sein sollte. Nach 25jähriger ununterbrochener Folge ist dieses Fest mit seinen
großen und kleinen Begebenheiten und Aktivitäten zum festen Bestandteil der
Volkstradition geworden.
Am 26. Oktober wurde das Gottscheer Gedenkbuch herausgegeben. Außer dem
finanziellen Beitrag, den dieses Buch damals leistete, wird es allen
Verantwortlichen und Mitarbeitern immer zur Ehre gereichen, daß sie mit dieser
Publikation ein historisches Werk für die nachfolgende Generation geschaffen
haben.
In diesen Monaten erreichte die Sammel- und Hilfsaktivität ihren Höhepunkt und
die Sendungen an die bedürftigen Landsleute gingen regelmäßig nach Europa.
Hunderte von freiwilligen Mitarbeitern zählte damals das Hilfswerk; alle
steuerten Zeit und Geld bei; die Opferbereitschaft kannte keine Unterschiede; es
galt alles nur den in Not und Elend befindlichen Landsleuten. Die Verteilung
überließ man vertrauensvoll den in den Nachkriegsjahren in Österreich und
Deutschland organisierten Hilfsvereinen und Vertrauensleuten. Die Zukunft
unserer Heimatlosen in Europa war in eine Wolke der Trostlosigkeit und
Verzweiflung gehüllt, notdürftig in Lagern untergebracht, teilweise zur
Untätigkeit verdammt und auf fremde Hilfe angewiesen, oder als Land- oder
Hilfsarbeiter um den Lebensunterhalt der Familie kämpfend. Auf die Dauer waren
diese Zustände nicht tragbar. Wegen dem nicht endenden Zustrom von Flüchtlingen
war auf eine Hilfe von staatlicher Seite in Deutschland und Österreich zur
Seßhaftmachung der Gottscheer Flüchtlinge damals nicht zu rechnen.
Der einheimischen Bevölkerung der österreichischen Länder aber sei an dieser
Stelle nochmals herzlichst gedankt.
Das damals nicht reichlich vorhandene brüderlich geteilte Brot hat zahllose
unserer Flüchtlinge vom Hungertode bewahrt. Einen Ausweg aus dieser Notlage zu
finden, war lebenswichtig. Seit Jahrhunderten waren es die
Gottscheer gewohnt, sich das Brot in aller Welt zu verdienen, also mußte wieder
eine Auswanderung in Betracht gezogen werden. Auch eine Einwanderung in die USA
war damals nicht möglich, so wurden andere Möglichkeiten erwogen, wie Südamerika
oder Kanada. Die Verhandlungen mit dem Vizekonsul in Venezuela ergaben kein
befriedigendes Resultat. Längere Verhandlungen wurden mit kanadischen Stellen
geführt, wo sich wohl eine Möglichkeit der Einzeleinwanderung, aber nicht die
einer geschlossenen Ansiedlung ergab.
In der Zwischenzeit bewilligten die USA die Einwanderungsquote für Deutschland
und Österreich für zwei Jahre. Nach vielen Verhandlungen und Überwindung starker
Opposition wurde erwirkt, daß die Hälfte dieser Quoten für Volksdeutsche erlaubt
wurde. Auf diese Weise sollten in diesen zwei Jahren 23.000 Volksdeutsche
Flüchtlinge zur Einwanderung zugelassen sein. Laut Schätzungen der kirchlichen
Organisationen gab es damals in Europa mehr als
11 Millionen Volksdeutsche Flüchtlinge. Das Gottscheer Hilfswerk, das in dieser
Angelegenheit schon viel vorgearbeitet hatte, war bereits im Besitz einer Liste
mit 11.000 Namen von Gottscheern, die von unseren Vertretern in den
verschiedenen Lagern für eine eventuelle Auswanderung erfaßt worden waren. Durch
die Verbindung mit dem N. C. W. C., der damalige Präsident des Gottscheer
Hilfswerkes Adolf Schauer war persönlich Mitglied dieser Organisation, und durch
unzählige Vorsprachen und Verhandlungen dieses Vertreters, war es möglich,
sofort mit der Arbeit für unsere Einwanderer zu beginnen.
Das zur gleichen Zeit laufende "Displaced Persons-Gesetz", worin jedoch keine
Volksdeutschen einbegriffen waren, wirkte sich leider sehr störend auf die
Bearbeitung der Einwanderungsgesuche bei den betreffenden Behörden aus. So kam
es, daß nach Ablauf der zwei Jahre von der bewilligten Zahl nur 10.400
Volksdeutsche einwanderten, darunter noch viele Unberechtigte. Immerhin waren
unter diesen Einwanderern auch 2000 Gottscheer, also beachtliche 20 Prozent
anstatt ein Zehntel Prozent des gesamten Flüchtlingsverhältnisses. Leider mußten
damals viele unserer Landsleute, die bereits in Salzburg auf ein Visum warteten,
enttäuscht wieder umkehren.
Erst als am 16. Juni 1950 Präsident Truman ein Gesetz unterzeichnete, welches
die einwanderungsunterschiede (Discrimination) abschaffte, kam wieder Leben in
die Volksdeutsche Einwanderung. Bei den nun folgenden Konferenzen der N. C. W.
C. und D. P. C. (Displaced Persons Commission) wurde aber das Problem der
Volksdeutschen immer zuletzt behandelt. Unter diesem Gesetz benötigte jeder
Einwanderer eine Arbeits- und Wohnungszusicherung (Assurance), die wiederum in
großzügiger Weise und Zahl von den Gottscheer Unternehmern hier gestellt wurden.
Es war dies keine leichte Angelegenheit, denn die Wohnungen waren damals knapp
und die finanziellen Mittel bemessen, und außerdem war sich niemand darüber
klar, in welchem Maße der Zusicherungsgeber im Notfalle zur Verantwortung
gezogen werden könnte. Bei einer Konferenz in Bellville, III., versprach auch
Father Zurin von Missouri Zusicherungen für 50 Gottscheer Familien. Zwei Monate
später fand in Milwaukee eine zweitägige Konferenz statt, bei der Bischof
Swanstrom vor den D. P. C. und N. C. W. C. - Vertretern sehr stark für das
Problem der Volksdeutschen eintrat. Dies belebte die Sache der Einwanderung
wieder. Trotz der Schwierigkeiten, genügend Arbeitsplätze und Wohnungen zu
beschaffen - unsere Landsleute gingen nur ungern auf "Farmen" - ging
einigermaßen alles glatt..."
Die vorstehenden Ausführungen vermitteln uns nicht nur die Gründungsgeschichte
des Hilfswerks, sondern auch ein knappes Bild des Lebens der Gottscheer in New
York. Wir erfahren vor allem, daß sie über eine ganze Reihe von Organisationen
verfügten mit denen wir uns noch beschäftigen werden. Zunächst bedürfen jedoch
zwei Punkte aus dem obigen Zitat einer Erläuterung:
Die elftausend, von der "Relief Association" ermittelten, hilfsbedürftigen
Gottscheer sind nicht gleichzusetzen mit den 1941 von der EWZ durchleuchteten
Umsiedungsberechtigten. Natürlich handelt es sich bei dieser Zahl hauptsächlich
um Flüchtlinge aus der Untersteiermark, jedoch befanden sich darunter auch
Landsleute die unter Umständen bereits Jahrzehnte vorher nach Österreich
ausgewandert und nun durch den Kriegsausgang in materielle Not geraten waren.
Hingegen sind andererseits Flüchtlinge aus irgendwelchen Gründen nicht erfaßt
worden. Ferner verdient, festgehalten zu werden, daß die Amerika-Gottscheer
nicht nur über ihr Hilfswerk, sondern auch privat noch Unmengen von Paketen nach
Europa sandten. Es dürfte schwer sein, in Österreich und Deutschland einen
damals bereits erwachsenen Gottscheer zu finden, der dieser großartigen
menschlichen Leistung nicht teilhaftig geworden wäre.
Eine ergiebige Geldquelle wurde dem "Gottschee-Hilfswerk" mit einer ergreifenden
Dokumentation der Nächstenliebe erschlossen, dem "Gedenkbuch 1330 - 1947". Unter
der redaktionellen Leitung des Rechtsanwalts und Notars John Kikel erarbeitete
ein Ausschuß binnen kürzester Zeit ein reich bebildertes Buch mit
geschichtlichen Ausführungen über die einzelnen Gottscheer Dörfer und Gemeinden,
wie sie bis 1933 bestanden. Sinn und Zweck dieses in der Gottscheer Literatur
einmaligen Werkes waren jedoch Inserate unterschiedlicher Größe, für welche die
Auftraggeber erhebliche Beträge aufwandten. Die weiteren Spender sind unter
Angabe ihrer Namen und Herkunftsorte, samt Hausnummer, aufgeführt. Die meisten
von ihnen waren schon jahrzehntelang in den USA ansässig. Rund 2300 Namen finden
wir dort.
Es wäre ein unverzeihliches Versäumnis in den Augen der Empfänger von
Liebesgabensendungen, würde man die Namen der Männer und Frauen aus dem
Gottscheerland, die das "Gottschee-Hilfswerk" gemeinsam ins Leben gerufen haben
verschweigen. Neben ihren Namen sollen auch die Herkunftsorte stehen, denn
daheim war es alter Brauch, wenn zwei einander fremde Landsleute sich trafen,
lautete die erste Frage:
"Won bu sheitar
?" (Von wo seid Ihr?)
Dem Gründungsausschuß gehörten laut Festbuch von 1971 am 23. Mai 1945 die
folgenden Persönlichkeiten an:
Frank Deutschmann aus Suchen bei Nesseltal |
Josef Meditz aus Nesseltal |
Alois Fink aus Klindorf |
John Petschauer aus Tschermoschnitz |
John Kikel als Altlag |
Ferdinand Sbaschnig aus Masereben |
Mary Gregoritsch aus Stockendorf |
Adolf Schauer aus Oberwarmberg |
Maria Högler aus Göttenitz |
Viktor Schauer aus Niedermösel |
Mary Hönigmann aus Windischdorf |
Josef Schneller aus Nesseltal
|
Rudolf Kump aus Buchberg |
Karl Stalzer aus Büchel |
Mathias Lackner aus
Prerieg |
Fanny Staudacher aus Büchel |
Frank Meditz aus Nesseltal |
Ferdinand Stimpfel aus Mooswald |
Hilda Meditz aus Nesseltal |
|
In ebenso dankbarer Würdigung seien die Namen der bis zum Erscheinen dieses
Werkes wirkenden Präsidenten des "Gottschee-Hilfswerkes" bzw. der "Relief
Association, Incorporation" genannt:
Adolf Schauer aus Oberwarmberg (1946-1950) |
Karl Stalzer aus Büchel (1956-1965) |
John Kikel aus Altlag (1951-1953) |
Ernst Eppich aus Unterdeutschau (seit 1966) |
Josef Hoge aus Altlag (1954/55) |
|
Nicht nur in den Vereinigten Staaten finden große Veranstaltungen der Gottscheer
statt, sondern auch in Europa. Die größte Zahl an Besuchern weist jedoch das
"Volksfest" im Plattdeutschen Park zu New York auf. Je nach Witterung erscheinen
vier- bis fünftausend Besucher. Das "Gottscheer Volksfest" gehört zu den größten
landsmannschaftlichen Veranstaltungen der Deutsch-Amerikaner in New York. Der
äußere Rahmen und Ablauf entsprechen am ehesten einem überdimensionalen
Kirchweihfest daheim, einem "Kirtog". Lange Tische unter alten Bäumen erinnern
an irgendein Wirtshaus im "Ländchen". Eine riesige Schallmuschel verrät, daß
dieser Park für Volksfeste mit Blechmusik angelegt wurde. Den Gottscheern dient
sie jedoch als Rednertribüne. Farbenfrohe Dirndltrachten beleben das heitere
Bild.
Überlagert ist die festliche Kulisse von einem hochgestimmten Schwirren
gottscheerischer Laute und dem immer neu aufklingenden Lachen der fröhlichen
Festbesucher. In den ersten Jahren des "Volksfestes" wurde das Stimmengewirr
vielfach unterbrochen von lauten Zurufen, Menschen stürzten aufeinander zu und
hielten sich minutenlang mit den Händen und den Augen fest. Manche hatten sich
dreißig, vierzig, andere fünfzig Jahre nicht mehr gesehen. Nachbarskinder, die
fast geschwisterlich miteinander aufgewachsen waren, Jugendfreunde und
-freundinnen, alte Kameraden aus gemeinsamer Militär- und Kriegszeit hatten sich
wieder.
Und doch besteht ein tiefgreifender Unterschied zwischen dem "Gottscheer
Volksfest" in New York und einem "Kirtog" daheim. Wenn sie so beieinander
stehen, forscht heimlich jeder im Antlitz seines Gegenübers nach den
Gesichtszügen der Kinderzeit - und findet sie, verborgen unter der Erinnerung an
das Wunderland der Jugendtage. Alles blüht auf, was damals allein wichtig war,
das Elternhaus, das Dorf, seine Kapelle, die unvergessenen Wege vorbei an den
Bildstöcken und Feldkreuzen in die Wiesen und Wälder, die oft geheimnisvoll
drohenden, dunklen Gottscheer Wälder. Die Spielplätze, die Schule, die Kirche
und der Friedhof drängen sich in das Bild, durch das spielende Kinder toben, die
Mutter ernst und schweigsam schreitet. Alles kommt ihnen viel größer und reicher
vor, als es in Wirklichkeit war, denn die Enge und das Entbehrenmüssen sind
vergessen. Viele, viele alte Gottscheer kommen aus der Tiefe des
nordamerikanischen Raumes, plötzlich müde geworden des Übermaßes an Fremde, zu
diesem Rastplatz der Heimatliebe, die nur noch das versunkene Traumland des
Lebensfrühlings gelten läßt.
Vor dem eingefriedeten Festplatz aber stehen Hunderte jener Zeugen dafür, wie
sich harte Arbeit lohnt, Automobile, von denen manche mehr kosten, als ein
kleiner oder mittlerer Gottscheer Bauer in seinem ganzen Leben eingenommen hat.
Ein weiterer Unterschied zu einem heimischen "Kirtog" sind die offiziellen
Ansprachen. Zuhause stand die Predigt des Pfarrers im Mittelpunkt. Im
"Plattdeutschen Park" werden die Gäste von der Festleitung und dem Präsidenten
des "Gottschee-Hilfswerkes" feierlich begrüßt, namentlich jene aus Europa. Unter
ihnen befindet sich immer wieder Pater Mathias Schager aus Meierle. Er ist als
Pfarrer in Wien tätig. So oft der Pater das "Volksfest" besucht, liest er einige
Wochen später in Neu-Gottschee eine Feldmesse. "Neu-Gottschee" ist ein Gelände
in der Landschaft Walden, 60 Meilen westlich von New York, das der Gottscheer "Country-Club"
erworben und mit weit auseinanderstehenden Landhäusern im gängigen
amerikanischen Stil bebaut hat. Trotz der beträchtlichen Entfernung wohnen
jedesmal mehrere hundert Gottscheerinnen und Gottscheer dem Gottesdienst bei, um
sich von diesem Ereignis mit seinem eigentümlichen Stimmungsgehalt erneut in der
Abstammung bestätigt zu fühlen. An der Rückseite des Clubhauses ist, reich mit
Grün geschmückt, der Feldaltar aufgebaut. In wenigen Metern Entfernung scharen
sich die Gläubigen tief gestaffelt in einem weiten Bogen um den Altar. In ihrer
Mitte steht eine Gruppe von Frauen. Sie singen ohne einen Dirigenten die
"Deutsche Messe" von Franz Schubert.
Eine zweite, ländliche Ansiedlung von Gottscheer Landsleuten in aufgelockerter
Form befindet sich in Hawley, Staat Pennsylvania. Sie ist in einem Raum von etwa
5 Quadratkilometern verstreut, dort stehen bereits 52 in moderner Art gebaute
Einfamilienhäuser auf Grundstücken im Ausmaß von jeweils 5000 bis 50.000
Quadratmetern. Die meisten davon sind direkte Nachbarn. Etwa 20 Gottscheer sind
bereits Eigentümer von weiteren Baugrundstücken in diesem Gebiet. Die Gegend
liegt zweihundert Kilometer von New York entfernt in der Pocono-Gebirgsregion
(eine bekannte und gern aufgesuchte Sommerfrische). Sie ist der Landschaft sowie
auch der Seehöhe nach unserer ehemaligen Heimat Gottschee ähnlich. In diesem
Raum liegt auch die beliebte Gaststätte "Lukans Farm" der Familie Lukan aus dem
Gottscheer Unterland.
Um das Hilfswerk aufzubauen und mit Leben zu erfüllen und um eine Veranstaltung
wie das "Volksfest" aufzuziehen, bedurfte und bedarf es zahlreicher freiwilliger
Helfer und einer Anzahl von Männern und Frauen, die organisieren können und
bereit sind, sich unter erheblichen, persönlichen Opfern an die Spitze zu
stellen.
Die Präsidenten des Volksfestes waren:
1947 Anton Gliebe |
1960 Albert Belay |
1948-1952, 1959 Ignaz Kreuzmayer |
1961-1963, 1966 bis heute Richard Eisenzopf |
1954/55 Karl Stalzer |
1964/65 Ernst Eppich |
1956 Fred Sumperer |
|
Besonders hervorzuheben ist hier die Leistung von Richard Eisenzopf aus Hohenegg,
dem die Festleitung schon 15 Jahre anvertraut wurde. Für seine Verdienste wurde
er zum "Ehrenrat" des "Gottscheer Hilfswerks" ernannt und ist Ehrenmitglied der
Gottscheer Landsmannschaft in Klagenfurt.
Die Kraft für ihre
Opferbereitschaft erwuchs ihnen allen aus einem Aufruf des Gewissens, den eine
Hinterbergerin in ihrem Inserat in die schlichten Worte kleidete: "Vergeßt den
Gottscheer nicht in seiner Not!"
Die materielle Gesamtleistung der Gottscheer in USA und Kanada ist statistisch
nicht erfaßt und wohl auch nicht erfaßbar. Wenn allein schon das "Gottscheer
Hilfswerk" den Wert der Liebesgabenpakete, die über seine Organisation
abgefertigt wurden, mit rund 100.000 Dollar beziffert, so sind darin die
ungezählten Einzelsendungen an Verwandte, Freunde und Unbekannte noch nicht
Inbegriffen. Nicht bewertbar ist auch das ideelle Kapital dieser einzigartigen
Nachbarschaftshilfe, weil sie sich in Geld nicht ausdrücken läßt. Man kann ihr
Vorhandensein bestenfalls erklären und zwar aus der Geschichte des
Gottscheerlandes und aus den zahlreichen Vereinigungen zur Pflege gemeinsamer
Erinnerung an das ferne "Ländchen".
Bei der Wahl des Vorstandes des Gottscheer Hilfswerks wurde 1966 Ernst Eppich
zum Präsidenten erwählt. Er ist am 10. April 1920 in Unterdeutschau geboren und
wanderte 1952 in die USA aus. Der gesamte Vorstand setzte sich damals aus
Neueinwanderern zusammen. Diese jungen Leute sind mit aller Kraft und auch einem
gewissen Ehrgeiz an die Arbeit gegangen, um zu beweisen, daß sie aus Dankbarkeit
für die früher empfangenen Hilfesendungen bereit sind, weiterhin Hilfe an die
noch immer in Not befindlichen Landsleute in Europa zu bieten.
Damals wurde auch das heute noch funktionierende Kulturkomitee gebildet. Sofie
Moschner, die Leiterin dieser Vereinigung, hat durch ihre persönliche Hingabe
und Bereitschaft den größten Anteil an den Erfolgen. Sie bildete die Gottscheer
Trachtengruppe, die bei allen größeren Anlässen und Festlichkeiten in
Erscheinung tritt. Alle Gottscheer Vereine mit dem Gottscheer Hilfswerk an der
Spitze unterstützten auch den Deutschen Schulverein von New York. Sie erachten
es als sehr wichtig, daß die Kinder von Gottscheer Eltern die Deutsche Schule
besuchen.
Der jetzige Leiter des genannten Kulturausschusses, Albert Belay, veranstaltet
alljährlich für jung und alt Weihnachtsfeiern im Gottscheer Klubhaus.
Die alten Weihnachtsbräuche aus der verlorenen Heimat werden erneuert, Gedichte
und bekannte Weihnachtslieder werden von Kindern und den Gottscheer Chören
vorgetragen. Kinder und betagte Landsleute werden durch Weihnachtsgaben erfreut.
Seit dem Jahre 1965 beteiligen sich die Gottscheer von New York auch an der
großen Steuben-Parade der Deutsch-Amerikaner, die jedes Jahr in der 5th Avenue
in New York abgehalten wird. Eine große Anzahl der Mitglieder der
angeschlossenen Vereine nehmen daran teil. Die jeweilige Miß Gottschee mit ihren
Prinzessinnen, die Gottscheer Trachtengruppe, die alljährlich Aufsehen erregt,
sowie eine große Gruppe der jungen Fußballer von "Blau-Weiß Gottschee"
marschieren mit.
In der Vermögensentschädigung hat sich das Gottscheer Hilfswerk mit großer
Energie eingesetzt, um die Wiedergutmachung für unsere Landsleute in den USA zu
erlangen. Es wäre falsch, einen Mann zu vergessen, der sich voll und ganz für
die Entschädigung des Vermögens verwendet hat: Sein Name ist Josef Novak aus der
Stadt Gottschee. Schon 1970 wurde er in Anerkennung seiner Verdienste vom
Gottscheer Hilfswerk zum "Ehrenrat" ernannt.
Heute besteht eine reibungslose Zusammenarbeit unter den Gottscheer
Organisationen von New York. Diese Tatsache ist nicht zuletzt der umsichtigen
Arbeit des Präsidenten des Gottscheer Hilfswerks, Ernst Eppich, und seiner 12
jährigen Amtszeit zuzuschreiben.
Die erste Vereinsgründung zur gegenseitigen Hilfeleistung in Cleveland/Ohio
(1889) wurde bereits dargestellt. Alle Vereinigungen entstanden und bestehen aus
Idealismus und dienen kulturellen, sozialen und sportlichen oder rein
gesellschaftlichen Zielen. Organisationen mit politischen oder wirtschaftlichen
Zielen haben die Gottscheer in der Neuen Welt auf landsmannschaftlicher Basis
nicht hervorgebracht.
Nachstehend verzeichnen wir die in der "Gottscheer Relief Association"
zusammengeschlossenen Organisationen, auch jene, die sich nach jahrzehntelangem
Bestehen und Wirken aufgelöst haben. Als Quellen dazu dienten das "Gedenkbuch"
1330 bis 1947, die "Jubiläumsschrift" anläßlich des 25jährigen Bestehens des
Gottschee-Hilfswerks 1971 und Berichte eines Arbeitskreises des Hilfswerkes.
Der "Gottscheer Männerchor" ist der älteste Gottscheer Verein ganz Nordamerikas,
der eine besondere kulturelle Tätigkeit entfaltet. Er wurde am 1. April 1900
gegründet, und hat sich in den nun fast acht Jahrzehnten seines Bestehens den
Ruf eines hochstehenden Klangkörpers erworben. Er erfüllt heute noch die bei
seiner Gründung gestellte Aufgabe, wie die Pflege des deutschen und des
Gottscheer Liedes sowie hilfsbereiter Nachbarschaft bei frohgemuter Geselligkeit
nach Gottscheer Art. Der erste Präsident hieß Peter Stonitsch aus
Unterdeutschau. Zum ersten Dirigenten wurde Julius Drück, ein zu jener Zeit sehr
bekannter Musiklehrer, gewählt. Jetziger Dirigent ist Peter Freund, ein
Donauschwabe, der nicht nur hohe musikalische Fähigkeiten besitzt, sondern auch
viel Verständnis für das Gottscheer Liedgut mitbringt. Ihm vor allem verdankt
der Gottscheer Männerchor seine anerkannten sängerischen Qualitäten.
Die Seele des Vereins ist jedoch seit dem Jahre 1937 sein Präsident Karl J.
Stalzer aus Büchel, Gemeinde Nesseltal. Er wurde 1905 in Newark/USA in jene
Gottscheer Generation hineingeboren, die in Scharen in die Vereinigten Staaten
auswanderte, aber nur in geringer Zahl wieder heimkehrte, um mit den ersparten
Dollars neu zu beginnen. Dies taten auch noch seine Eltern. 1923 zog der 18
jährige seinerseits die Auswanderung in die Vereinigten Staaten, seinem
Geburtsland, den immer schwieriger werdenden Lebensumständen in der Heimat vor.
Er ließ sich in New York nieder und begründete seine Existenz als Bautischler,
wurde Baumeister und Unternehmer. Unmittelbar nach seinem Eintreffen tat er im
Gottscheer Vereinsleben mit. Die Landsleute erkannten seine Fähigkeiten und
übertrugen ihm zahlreiche Arbeitsposten in den Organisationen, denen nun schon
fast 52 Jahre seine Freizeit gehört. Mit ungewöhnlicher Arbeitskraft
ausgestattet, gelang es ihm, Ämter wie das des Männerchorpräsidenten mit jenem
des ersten Vizepräsidenten der "Relief Association" und Präsidenten derselben
Organisation (1956 bis 1965) zu vereinen. Das Gottschee-Hilfswerk verlieh ihm
für seine große Leistung den Titel eines Ehrenpräsidenten. Die
"Arbeitsgemeinschaft der Gottscheer Landsmannschaften" (Sitz Klagenfurt)
zeichnete ihn durch die einstimmige Verleihung des Gottscheer Ehrenringes 1977
aus. Der Ring wurde ihm in einer Feierstunde in New York überreicht.
1923 erhielt der "Männerchor" ein Gegenstück in dem "Gottscheer Damenchor". Es
wurde Brauch, daß die beiden Chöre in jeder Saison als gemischter Chor mit einem
umfangreichen Konzertprogramm vor die Öffentlichkeit traten. Der "Gottscheer
Damenchor" löste sich 1957 auf. Ein weiteres Beispiel für die Sangesfreudigkeit
der Gottscheerinnen in New York stellt der 1937 gegründete "Deutsch-Gottscheer
Gesangsverein" dar. Derzeitige Präsidentin ist Sofie Moschner, geborene König
aus Hohenberg. Ihre Vorgängerinnen waren Elsa Tscherne, Netti Wittmann, Luise
Högler und Maria Stampfel-Graf, die vom Verein zu Ehrenpräsidentinnen ernannt
wurden. Sofie Moschner, geboren 1922, wanderte 1955 nach New York aus, wo sie
sofort eine tatkräftige Mitarbeiterin im Vereinswesen wurde. Große Verdienste
hat sie sich, wie schon erwähnt, durch die Gründung einer Trachtengruppe
innerhalb des Hilfswerks erworben. Auch ist es ihrem Einsatz zu verdanken, daß
das Gottscheer Mundartlied zu einem Mittelpunkt in der Arbeit der "Gottscheer
Chöre" (wie der Männerchor und der "Deutsch-Gottscheer Gesangsverein" auch
genannt werden) geworden ist. Im Jahre 1967 erbrachte die enge Zusammenarbeit
der Chöre eine Schallplatte mit 16 Gottscheer Volksliedern, eine Leistung, die
damals einzig dastand und die sich würdig in die verdienstvollen Beiträge zur
Erhaltung unseres Kulturgutes einreiht.
Dieser Frauenchor stützt sich heute nicht mehr allein auf die eingewanderten
Gottscheerinnen, sondern auf ihre heranwachsenden Töchter, die bereits ein
Drittel der Sängerinnen ausmachen. Sie liefern somit den Beweis, daß die
Blütezeit des Chores noch nicht zu Ende ist.
War schon das Entstehen des "Gottscheer Männerchores" ein Zeichen dafür, daß die
Zahl der Einwanderer aus der Sprachinsel bedeutend gestiegen war, wurde diese
Tatsache am 24. April 1901 mit der Gründung des "Gottscheer
Krankenunterstützungsvereines" unterstrichen. Er ist einer der ältesten
Arbeiter-Selbsthilfe-Organisationen Amerikas. Der Mangel an sozialer Fürsorge
und das Bedürfnis nach geselligen Zusammenkünften der Gottscheer Landsleute
trugen wesentlich zu der Gründung dieses Vereins bei, die Unterstützung der
Mitglieder in Krankheits- und Sterbefällen blieben jedoch bis heute der
Hauptzweck. Erster Präsident wurde John Krisch. Man erkannte bald, daß der
geringe Mitgliedsbeitrag nicht ausreichen würde, die Erfordernisse erfüllen zu
können. So entschloß man sich, den inzwischen zur Tradition gewordenen
Bauernball ins Leben zu rufen. Dies ergab nicht nur eine Stärkung der
Vereinskasse, sondern bot gleichzeitig auch den Mitgliedern und Angehörigen
Gelegenheit zu geselligen Zusammenkünften. Dazu fehlte den Gottscheern ein
eigener Raum. So war der Ruf nach einem eigenen Clubhaus sehr groß. Der damalige
Präsident des Vereines, Gottfried M. Tittmann, wurde der Urheber und Gründer des
Gottscheer Clubhauses und der bald darauf folgenden Kinder-Weihnachtsbescherung.
Diese leitete durch viele Jahre Adolf Schauer.
Ein weiterer Verein entstand am 4. Juni 1904 mit dem Namen
"Österreichisch-Ungarischer Reservistenbund". Er wurde im Jahre 1907 als
"österreichischer Männer-Krankenunterstützungsverein" bekannt. Erster Präsident
war Alois Duffek, später zum Ehrenpräsidenten ernannt. Das Motto dieses Vereines
war ebenfalls, den in Not geratenen Landsleuten bei Krankheits- und Sterbefällen
behilflich zu sein. Am 18. Dezember 1955 vereinigten sich die beiden gleichen
Zielen dienenden Vereine. Verdienstvolle Präsidenten des österreichischen M. K.
U. V. waren Andreas Stontisch, Adolf Schauer, Ferdinand Matzele, Alois Fink,
Hermann Koch und Ferdinand Novak. Wie bereits nach dem Ersten Weltkrieg der
Gottscheer K. U. V. die treibende Kraft für Hilfsaktionen war, so kamen auch
diesmal aus seinen Reihen die ersten Stimmen, den notleidenden Landsleuten in
Europa nach dem Zweiten Weltkrieg zu helfen. Tatkräftig wurde das Vorhaben der
Gründung des Gottscheer Hilfsvereines unterstützt. Den Höhepunkt im Hinblick auf
die Mitgliederzahl erreichte der Verein wohl im Dezember 1956 mit 530
Mitgliedern. Auch beim Umbau des Gottscheer Clubhauses im Jahre 1962 tat der
Verein durch finanzielle Unterstützung ausgiebig mit. Alles wurde getan, um das
Heim der Gottscheer in Ridgewood zu vergrößern.
Den großen Erfolg dieses Vereines kann man auch daran erkennen, daß er bis heute
eine halbe Million Dollar an Kranken- und Sterbegeld nebst vielen anderen
Unterstützungen auszahlte. Dabei wird nicht nur für die alten Mitglieder
gesorgt, sondern auch der Jugend wird durch Errichtung von Stipendien geholfen.
Für besondere Verdienste wurden im Laufe der Zeit mehrere Präsidenten zu
Ehrenpräsidenten ernannt. Dies sind:
Mathias Kump aus Kummerdorf 1903-1906 und 1931-1937 |
Adolf
Schauer aus Oberwarmberg 1924-1930 Präsident im Ö. M. K. V |
Gottfried M. Tittmann aus Steyr 1910, 1912-1922, 1924-1927 |
Josef Eppich aus Altlag 1962-1969. |
Der jetzige Präsident ist Alois Eppich aus Kukendorf, der diesen Posten bereits
elf Jahre bekleidet (1958/59 und seit 1970). Wiederum mit fast gleichem Namen
und Programm wurde 1919 eine dritte Wohlfahrtsorganisation ins Leben gerufen,
der Gottscheer Kranken-Unterstützungsverein von New York.
"Gottscheer Vereinigung" nennt sich eine vierte Organisation, die gegenseitige
Hilfsbereitschaft und Pflege gottscheerischer Sitte und Art seit 1935 auf ihre
Fahne geschrieben hat. Der Gründungspräsident war John E. Loser aus Rieg, der
den Verein (mit kurzer Unterbrechung) auch heute noch führt. Loser ist ein
tüchtiger Mitarbeiter in der Gottscheer Volksgruppe in New York und seine
Leistungen werden hoch bewertet und voll anerkannt.
Der mitgliederstärkste und in der deutsch-amerikanischen Öffentlichkeit
bekannteste Verband ist ein Sportclub, der sich nach den Landesfarben der
früheren Sprachinsel den Namen "Blau-Weiß Gottschee" gegeben hat. Der erste
Präsident war der Zivilingenieur Albert Belay aus Lienfeld. Er ist 1925 geboren,
wanderte 1950 in die Vereinigten Staaten aus und fügte sich sogleich durch die
Übernahme bleibender Ämter in das organisatorische Leben der Gottscheer in New
York ein. Unter anderem führt er zehn Jahre das Kultur-Komitee der "Relief
Association".
Die Gründung "Blau-Weiß Gottschee" machte den Landsleuten von Anbeginn viel
Freude. Der Klub entwickelte sich zeitweilig über längere Strecken zum
erfolgreichsten Sportverein des "Deutsch-amerikanischen Fußballbundes". So stieg
er 1963 in die Oberliga dieses Verbandes auf. Die bedeutendsten Siege errangen
jedoch die Nachwuchsmannschaften, besonders die Knabenmannschaft. Sie erreichte
in den Jahren von 1963 bis 1968 und 1970 die DAFB-Meisterschaft
(Deutsch-amerikanischer Fußballbund) in ihrer Klasse und (eine herausragende
Leistung) verlor von 1963 bis jetzt kein einziges Spiel.
Seit Jahren bestreitet "Blau-Weiß" jede Spielsaison mit zehn oder mehr
Mannschaften, ein Unternehmen, welches die Freizeit vieler Mitarbeiter und
Betreuer voll in Anspruch nimmt. Seine Präsidenten waren bisher
1951 Albert Belay (Lienfeld) |
1970,1971 Albert Petsche (Hinterberg) |
1952, 1953, Erwin Hönigmann (Altlag) |
1972 bis 1974 Erwin Jonke (Gottschee Stadt) |
1954 bis 1961 Josef Hoge (Weißenstein) |
1975 Willy Stalzer (Reichenau) |
1962 bis 1965 Albert Belay |
seit 1976 Ernst Kresse (Ort) |
1966 bis 1969 Louis Hocevar (Brunnwirt/Gottschee Stadt) |
|
Neben "Blau-Weiß Gottschee" haben sich viele Gottscheer zu anderen Sport- und
naturverbundenen Clubs zusammengeschlossen. Vom Gottscheer Country-Club wird der
Wunsch, möglichst oft und lange in einem eigenen Heim unter Gottscheern weilen
zu können, organisiert. Die von den Clubmitgliedern entwickelte ziemlich
weitläufige Siedlung nennt sich "Neu-Gottschee". Auf dem Gelände steht ein gut
ausgestattetes Clubhaus, das seit seiner Errichtung ein viel besuchtes,
sommerliches Ausflugsziel der New Yorker Gottscheer darstellt.
Jagdfreuden verwirklicht der "Green Mountain Hunting Club". Er wurde 1954
gegründet. Sein erster Präsident hieß Hermann Ostermann. Das Jahresprogramm
sieht einschlägige sportliche Veranstaltungen sowie die Pflege waidmännischer
Traditionen vor. Gegenwärtiger Präsident ist Josef Kofler aus Katzendorf.
Ein ähnliches jagdsportliches Vereinsleben entfaltet der "Gottscheer Rod and Gun
Club". Gegründet 1950, war sein erster Präsident John Köstner. Er besitzt ein
ausgedehntes Jagdrevier, dessen Baum- und Wildbestand sich freilich nicht mit
jenem in den Gottscheer Wäldern vergleichen läßt. Mit um so größerer
Anhänglichkeit pflegt der Club die Erinnerung an die alte, heimatliche "Jagerei".
Gegenwärtiger Präsident ist Adolf Petsche aus Unterskrill.
Besonders ist noch der "Gottscheer-Kegelclub" zu erwähnen. Auch seine
Zielsetzung endet nicht im sportlichen Tun, sondern vereinigt die Mitglieder oft
und oft zu alt-gottscheerischer Unterhaltung in froher Runde. Erster Präsident
war John Kropf, jetziger Präsident: Robert Schlinderer aus Rieg. Dieser Club hat
eine beachtliche Zahl von Mitgliedern und ist ein treuer Mitarbeiter in der
Gottscheer Gemeinschaft.
Das Vereinsleben der Gottscheer in New York hätte seine nun bald achtzig Jahre
andauernde Regsamkeit mit den zahlreichen geselligen und gesellschaftlichen
Veranstaltungen und Versammlungen nicht fortführen können, wäre nicht am 15.
März 1924 der erste Schritt zur Gründung der "Gottscheer Central Holding
Corporation" getan worden. Die damals bereits bestehenden Vereine beriefen eine
Massenversammlung ein. Noch an Ort und Stelle erklärten sich mehr als hundert
Personen bereit, der vorgeschlagenen Neugründung, deren Hauptziel die Errichtung
eines Clubhauses war, als Aktionäre beizutreten. Bereits im Juni wird die
Gesellschaft bei der zuständigen New Yorker Behörde eingetragen. Die
Mitgliederzahl war inzwischen auf mehr als 400 angewachsen, das Aktienkapital
auf rund 10.000 Dollar gestiegen. Es wurde zum Ankauf des Grundstückes Nr. 657
in der Fairview Avenue im Stadtteil Ridgewood und für die dringendsten
Reparaturen am Gebäude verwendet. Die größten Verdienste um das Entstehen der "Gottscheer
Central Holding Corporation" erwarb sich Gottfried M. Tittmann, Sohn von
Gottscheer Eltern, geboren 1888 in der Stadt Steyr, ist er im Jahre 1902 mit
Vater und Mutter in die Vereinigten Staaten eingewandert. Er ist gelernter
Goldschmied, gründete vor mehr als sechs Jahrzehnten ein eigenes Unternehmen, in
dem er noch heute mit seinen Söhnen arbeitet. Aus seiner Lebensleistung für das
Gottscheertum sei hervorgehoben: Er war der Gründer der "Central Holding
Corporation" und sein erster Präsident. 16 Jahre war er Präsident und 70 Jahre
Mitglied des "Gottscheer Kranken-Unterstützungsvereines". In beiden Fällen wurde
er von den Mitgliedern zum Ehrenpräsidenten gewählt.
Im Laufe der Jahrzehnte erfüllte das Clubhaus nach mehreren Ausbauten seine
Zweckbestimmung immer besser. Der Durchbruch zum großräumigen repräsentativen
Mittelpunkt der Gottscheer in New York wurde jedoch erst 1960 mit dem Ankauf des
Nachbargrundstückes möglich. Die Umbauplanung und die erforderlichen Arbeiten
leitete der verstorbene Präsident Ferdinand Sbaschnig aus Masereben (1905-1970),
dem ein arbeitswilliges Komitee zur Seite stand. Sbaschnig war für diese Aufgabe
als Inhaber eines Eisen- und Stahlkonstruktionsunternehmens besonders geeignet.
Die feierliche Eröffnung fand am 1. Dezember 1962 unter großer Beteiligung der
Gottscheer statt.
Auch der gegenwärtige Präsident Arthur Tramposch aus Nesseltal betrachtet es als
persönliches Anliegen, das Clubhaus in einem ausgezeichneten Zustand nicht nur
zu erhalten, sondern noch weiter auszubauen. Arthur Tramposch ist 1904 in
Chicago geboren, lebte mit seinen Eltern von 1911 bis 1922 in Nesseltal und
kehrte in diesem Jahr in die USA zurück. Er blickt auf ein erfolgreiches Leben
als Fachmann der Holzbearbeitung im Rahmen einer Großtischlerei zurück.
So wie das Gottscheer Clubhaus heute dasteht, legt es beredtes Zeugnis ab für
die Opferbereitschaft und das Zusammengehörigkeitsgefühl seiner Gesellschafter
und Besucher. Seine Anziehungskraft endet nicht an der Stadtgrenze von Groß-New
York. Alle Gottscheer wissen, daß dort ein Heimathaus steht, Heimat durch die
Menschen, die dort Tag für Tag und Jahr für Jahr aus und ein gehen. Das klingt
ein wenig sentimental, aber - es soll kein Vorwurf sein - ein dem
materialistischen Zeitgeist verhafteter Zeitgenosse kann sich eben kaum
vorstellen, was diese Menschen bewegt, wenn sie manchmal nach langer Zeit wieder
mit einem Landsmann in der alten Mundart gatscheabarisch
reden können. Am ehesten begreift das noch ein Schwabe, der sich ungemein freut,
wenn er in einer anderssprachigen Umgebung auf einen Landsmann trifft, mit dem
er schwäbisch "schwätze" kann. Nicht zufällig steht das "Haus der Gottscheer",
wie man es auch nennen könnte, in Ridgewood. Von diesem Stadtteil sagt man, daß
dort jedes zweite Haus einem Gottscheer gehöre. Die Stadtverwaltung hat
wiederholt die auffallende Sauberkeit der Straßen und Häuser in diesem Viertel
anerkannt. Dies ist die Repräsentation der Wohngesinnung nach außen.-
Die große Bedeutung des in New York entstandenen Gottscheer Hilfswerks für alle
lebenden Gottscheer rechtfertigt eine eingehende Behandlung seines Entstehens
und Bestehens. Dies bedeutet jedoch nicht, daß es außerhalb New Yorks keine oder
keine so hilfsbereiten Gottscheer Organisationen gibt und gab wie dort. Es gibt
auch noch weitere Stätten der Begegnung mit dem Landsmann, von denen man
ebenfalls sagen kann, daß die Vereine darin ein Zuhause haben. Wie in New York
finden dort Gemeinschaftsveranstaltungen, Familienfeiern, Konzerte und Bälle
statt. Man sieht und wird gesehen, junge Leute finden sich hier fürs Leben,
feiern hier Hochzeit und Taufe. - Nicht zufällig entstand fast gleichzeitig mit
der "Gottscheer Relief Association Incorporation" in New York das "Relief Comity"
in Cleveland/Ohio. Es wurde von folgenden Vereinen aufgebaut: "Erster
österreichischer Krankenunterstützungsverein", dem wir hier zum zweitenmal
begegnen. Er darf für sich in Anspruch nehmen, der erste Gottscheer Hilfsverein,
überhaupt die erste, von Gottscheern gebildete Organisation auf amerikanischem
Boden gewesen zu sein. Dazu kamen der "Deutsch-Österreicher
Unterstützungsverein" und der "Deutsch-Österreicher Frauenbund". Alle drei sind
Gottscheer Gründungen vor 1918. Sie verwendeten das Wort Österreich in ihren
Namen, weil sie aus diesem Lande kamen und weil sich unter dem Begriff "Gottschee"
selbst die Deutsch-Amerikaner zur damaligen Zeit nichts vorstellen konnten.
- Je drei Beauftragte dieser drei Organisationen trafen sich mit
Vorstandsmitgliedern und nicht organisierten Gottscheern im März 1946 zu einer
Vorbesprechung. Schon bei dieser Gelegenheit wurde beschlossen, mit dem "Gottschee-Hilfswerk"
in New York zusammenzuarbeiten. Der Beschluß zur Gründung des "Relief Comity"
wurde kurz darauf gefaßt. Die Gottscheer Volksgruppe von Cleveland/Ohio dürfte
in der Mitte der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts noch 6000 bis 6500
Gottscheer umfaßt haben. Auch sie erbauten für ihr Gemeinschaftsleben ein
Clubhaus. Bereits seit Jahrzehnten verfügen sie aber auch über eine eigene
Kirchengemeinde, die von Geistlichen aus Gottscheer Familien geführt und betreut
wird. Sie amtieren in der gemeindeeigenen Kirche zur "Heiligen Dreifaltigkeit".
Als letzte Vereinigung von Gottscheern entstand 1970 eine Blaskapelle.
In Milwaukee am Michigansee, wo ebenfalls ein Gottscheer Verein existiert,
gründeten sangesfreudige Frauen einen gemischten Damen-Kinder-Chor.
Eine größere Zahl von Gottscheern ist auch in Chicago seßhaft geworden. Wie
viele es sind, ist schwer zu sagen, immerhin genug, um einen Verein mit einem
stattlichen Jahresprogramm zu haben.
Die Gottscheer in Kanada stellen zahlenmäßig lediglich einen Bruchteil ihrer
Landsleute in Amerika dar. Außerdem sind sie außerordentlich dünn über das
Riesenland verteilt. Ihre Einwanderung lag zeitlich wesentlich später als jene
in die USA, hauptsächlich zwischen den beiden Weltkriegen und nach dem Zweiten
Weltkrieg. Die größte Gruppe lebt in Toronto, eine etwas kleinere Gruppe in
Kitchener und einige Dutzend Familien haben in Montreal und Vancouver Heimat und
Existenz gefunden. Sie und andere kleine, über das ganze Land verteilte Gruppen
sind im allgemeinen deutschen und österreichischen Vereinen angeschlossen.
Gottscheer Vereine haben sich nur in Toronto und in Kitchener entwickelt. Beide
Vereine besitzen Clubhäuser. Jenes in Kitchener wurde 1953 unter dem Präsidenten
Richard Mausser gegründet. Es nennt sich "Alpen-Club" und gehört den Gottscheern,
steht aber auch anderen deutsch-kanadischen Vereinigungen zur Verfügung. Der
"Alpen-Club" in Kitchener gilt bei Besuchern als die umfangreichste, von
Gottscheern erbaute Anlage dieser Art. -
Wenn von Kitchener die Rede ist, so sollte man auch Josef Mausser, den Bruder
von Richard Mausser, erwähnen. Er wurde von der Stadt mit der Benennung einer
Straße und eines Parks nach seinem Namen dafür ausgezeichnet, daß er nach dem
Zweiten Weltkrieg mehr als achtzig Gottscheern die Einwanderung nach Kanada
ermöglicht hat.
Der Verein der Gottscheer in Toronto wurde 1955 ins Leben gerufen. Seine Gründer
waren Rudolf Muchitsch aus Obergras und Heinrich Lobe aus Zwischlern. Seit 1965
steht Norbert Lackner an der Spitze des Vereines, der 1967 den "Gottscheer Park"
kaufte und auszustatten begann. Lackner stammt aus Hohenegg und wurde 1924
geboren. Er absolvierte die Private deutsche Lehrerbildungsanstalt in Neuwerbaß/Batschka,
Jugoslawien.
Wegen einer besonderen, sportlichen Leistung verdient Josef Schleimer aus
Zwischlern hervorgehoben zu werden: Er errang - für Kanada startend - bei den
Olympischen Sommerspielen 1936 in Berlin eine Bronzemedaille im Ringen. Sein
Name ist in der "Hall of Fame", der höchsten Auszeichnung für kanadische
Sportler, eingetragen.
Kehren wir zurück in die USA. Wir haben das Bild des Gottscheer Clubs in den
Vereinigten Staaten von Nordamerika noch hinsichtlich seiner wirtschaftlichen
und sozialen Lage in seiner Gesamtzahl und Verbreitung zu vervollständigen.
Glücklicherweise hat John Kikel in dem Gedenkbuch 1330 bis 1947 dazu eine
prägnante Abhandlung hinterlassen. Er schreibt auf den Seiten 22/23 unter
anderem:
"Im Vergleich zu anderen in Amerika eingewanderten Stämmen stehen die Gottscheer
in wirtschaftlicher Hinsicht an der Spitze und das Durchschnittsvermögen wird
auf mehr als 10.000 Dollar geschätzt. Die Mehrzahl der Gottscheer ist in einem
gelernten Beruf beschäftigt und ein großer Teil davon als Zimmerleute und
Tischler. Als Geschäftsleute finden wir sie fast in jeder Branche, vorwiegend
aber in Delikatessengeschäften und Gasthäusern. Fast alle Gottscheer sind
Hausbesitzer. In Cleveland, welches größere Ausdehnungsmöglichkeiten hat als New
York, eignen die meisten Ein- oder Zweifamilienhäuser.
Wir haben keine genauen statistischen Belege über die in Amerika lebenden
Gottscheer und ihre Angehörigen, können aber mit ziemlicher Sicherheit annehmen,
daß in Cleveland und anderen Städten in Ohio etwa 7000 ansässig sind und in
Ridgewood, New York und Umgebung etwa 6000. Wenn man die Anzahl der in den
anderen Staaten Amerikas und Kanadas lebenden Gottscheer und ihrer Angehörigen,
die man in jedem Staat von New York bis San Franzisco findet, auf 6000 schätzt,
so haben wir heute in Amerika 19.000 Gottscheer und mag diese Zahl größer, aber
sicher nicht kleiner sein."
Die vorstehenden Ausführungen John Kikels treffen heute nur noch bedingt zu.
Seit ihrer Niederschrift sind 3 Jahrzehnte vergangen. In dieser Zeit hat sich
das Durchschnittsvermögen der Gottscheer nominell zweifellos vergrößert, aber
der Wert des Dollars ist inzwischen stark abgesunken. Auch in den USA ist die
Inflation sehr wohl bekannt.
Pauschal kann man sagen, daß es in der Mitte der siebziger Jahre des 20.
Jahrhunderts dem Amerika-Gottscheer besser geht, denn je.
Weitaus weniger erfreulich stellt sich uns jedoch die Bevölkerungsbilanz der
Gottscheer in Amerika und Kanada dar. Ohne Aufsehen, in ihr Schicksal ergeben,
vollstrecken auch die Gottscheer in den USA und Kanada das Lebensgesetz ihres
Stammes, denn: Echte Gottscheer werden nicht mehr geboren, sie sterben nur noch.
Mit "echt" - man könnte dafür auch das Wort "gebürtig" setzen - sind die im
"Ländchen" geborenen Gottscheer und ihre unmittelbaren Nachkommen, die ebenso
gut in den USA und Kanada oder in Österreich und Deutschland oder nach 1941 in
einem Flüchtlingslager geboren sein können, gemeint. Die meisten von ihnen
beherrschen noch den Gottscheer Dialekt oder verstehen ihn zumindest gut.
Vor dem Versuch, die Gesamtzahl der Gottscheer in der Mitte der siebziger Jahre
des 20. Jahrhunderts zu ermitteln, erhebt sich für manche Leser sicher die
Frage, wozu es gut sein soll, den Schlußakt der Tragödie Gottschee, das langsame
Dahinschwinden der letzten Generation, bis zum bitteren Ende auszuspielen. Wer
so fragt, stellt dieses gesamte Werk in Frage, denn auch der Untergang ist
Gottscheer Geschichte. Außerdem verfügen nur die Letzten dieses kleinen
Völkchens aus dem Karst nach ihren sechs Jahrhunderten Geschichte über eine
politische und menschliche Reife, der man weite Verbreitung wünschte. Zwar
widerstrebend, doch endgültig haben sie sich mit der Unabänderlichkeit ihres
Schicksals abgefunden und sich die Erkenntnis zu eigen gemacht, daß sie in allen
Machtzentren bestenfalls ein mitleidiges Lächeln geerntet hätten, wären sie nach
1945 auf die Idee verfallen, ihr altes Siedlungsgebiet zurückzuverlangen.
Wenn man nur im einzelnen zu prüfen versucht, wie weit die Angabe John Kikels,
daß 1947 im nordamerikanischen Raum rund 19.000 Gottscheer und ihre Angehörigen
lebten, zutrifft, so hält es in großen Zügen nicht nur die Geschichte der
Einwanderung der Gottscheer in die USA fest, sondern auch die statistischen
Voraussetzungen für die Gesamtzahl der Gottscheer in der Mitte der siebziger
Jahre des 20. Jahrhundert.
Hat John Kikel recht? Wir müssen davon ausgehen, daß seine 19.000 eine Schätzung
sind. Uns stehen heute folgende Zahlen, an die wir gebunden sind, zur Verfügung:
1876: Der Wiener Bevölkerungswissenschafter C. Czoernig schätzt die Zahl der
Gottscheer auf rund 25.000 bis 26.000. Wir nehmen die obere Grenze, 26.000.
1910: Die letzte Volkszählung in der österreichisch-ungarischen Monarchie ergibt
17.400.
1930: Eine private Zählung mit Hilfe der Pfarreien ermittelt rund 14.500.
1941: Ergebnis der Durchschleusung im EWZ-Zug rund 12.000.
Wir überblicken daher die Bevölkerungs- und Wanderbewegung von genau hundert
Jahren, von 1876 bis 1976. Führen wir uns noch einmal vor Augen, daß das
Gottscheerland in diesen drei stürmischen Menschenaltern zwei epochalen
Entwicklungen zum Opfer fiel, dem Wanderungsausgleich zwischen der dicht
bevölkerten alten und der dünn besiedelten neuen Welt auf der einen und den
chauvinistischen Auswüchsen des mitteleuropäischen Nationalismus auf der anderen
Seite. Die Gottscheer sind von ihrem Fleckchen Erdboden verschwunden, aber ihre
Lebenskraft ist vorerst noch ungebrochen. Wenn wir nämlich die etwa 19.000
Gottscheer John Kikels, die etwa 12.000 Umsiedler von 1941 und die rund 700
(Schätzung des Verfassers) echten Gottscheer in der Ersten Republik Österreich
zusammenzählen, stehen plötzlich rund 32.000 Gottscheer vor uns. Man kann hier
mit John Kikel sagen: ".. .und mag diese Zahl größer, aber sicher nicht kleiner
sein." Sie illustriert außerdem das Übergewicht der Amerika-Kanada-Gottscheer:
60 der Menschen gottscheerischer Abstammung lebten 1947 in Nordamerika!
Nehmen wir also zur
Überprüfung der Kikelschen Zahl von 1947 die erste Auswanderungsphase der
Gottscheer von 1880 bis 1914 unter die Lupe. Dabei unterscheiden wir genau
zwischen Geburtenjahrgängen und Auswanderungsjahrgängen. Zunächst interessiert
es uns, welche Altersgruppen in diesem Zeitraum in Bewegung gerieten und nach
Übersee auswanderten. Zwangsläufig mußten sie am Beginn ihrer persönlichen
zwanziger Jahre stehen und, wenn sie schon verheiratet waren, kinderlos sein.
Bereits ein einzelnes Kleinkind konnte die Seßhaftmachung in Amerika
entscheidend behindern, abgesehen davon, daß die Überfahrt hygienisch und
ernährungsmäßig für das gesundheitlich empfindliche Wesen Lebensgefahr bedeutet
hätte. Obwohl es Ausnahmefälle gegeben hat, schieden also Familien mit mehreren
Kleinkindern von vornherein aus. Wir dürfen daher das Durchschnittsalter der
ersten Auswanderergeneration ruhig mit 23 Jahren ansetzen. Die Burschen waren
etwas älter, weil sie ja ihre Militärzeit abzuleisten hatten, die Mädchen etwas
jünger, einundzwanzig bis zweiundzwanzig Jahre. Danach waren die fünfunddreißig
Jahrgänge der ersten Auswanderungsphase zwischen 1857 und 1891 geboren.
Zur Gesamtzahl der in dieser Zeit aus dem "Ländchen" ausgewanderten Gottscheer
und Gottscheerinnen ziehen wir zunächst die Rückgangszahl zwischen der Schätzung
von Czoernig (1876: 26.000) und dem Ergebnis der Volkszählung von 1910 (17.400)
heran. Die Differenz beträgt 8600. Diese 8600 Personen sind der
Wanderungsverlust zwischen 1876 und 1910. Er muß jedoch hinsichtlich der Jahre
1911 bis 1914 und hinsichtlich des Geburtenüberschusses seit 1876 bereinigt
werden. Von Czoernig weiß man, daß er seine Schätzung als die Höchstzahl der
Gottscheer in ihrer Geschichte betrachtet. Das bedeutete, daß ihre
Geburtenfreudigkeit 1876 nicht plötzlich abbrach, sondern anhielt, was einen
weiteren Geburtenüberschuß zur Folge haben mußte. Zweifellos nahm er als Folge
des Bevölkerungsüberdruckes in der Volksinsel ab. Wir tun daher gut, wenn wir
eine bescheidene Vorhersage treffen, denn von 1881 an fielen ja die Geburten der
ausgewanderten Mädchen und der jungen Frauen aus. Wir dürften der Wirklichkeit
ganz nahe kommen, wenn wir lediglich 60 bis 70 Kinder pro Jahr als
Geburtenüberschuß annehmen. Auch dann kommen wir immer noch auf etwa 2500. Diese
Zahl überdeckt die tatsächliche Zahl der Auswanderung, wir müssen sie daher den
8600 hinzufügen, womit wir bei 11.100 angelangt sind.
Zu den vermutlichen Auswandererzahlen der Jahre 1911 bis einschließlich 1914 ist
zunächst zu sagen, daß es sich um politische und militärische Krisenjahre
handelte. Die Balkankriege von 1912/13 förderten die Auswanderung ganz
beträchtlich, fanden sie doch gewissermaßen vor der Haustüre der Habsburger
Monarchie statt. Wie hoch sie anstieg, dafür gibt uns Dr. Podlipnig in der
Kulturbeilage Nr. 54 der "Gottscheer Zeitung" vom September 1973 einen
verbürgten Anhaltspunkt. Die Bezirkshauptmannschaft Gottschee gab in den ersten
sechs Monaten des Jahres 1914 noch 700 Reisepässe für Amerika aus. Da die
Sprachinsel Gottschee bekanntlich aber mit wesentlich kleineren Anteilen den
Bezirkshauptmannschaften Rudolfswerth und Tschernembl angegliedert war, müssen
wir weitere rund 200 Reisepässe für die USA hinzuzählen, mithin mit einer
Auswanderung von 900 Personen in der ersten Jahreshälfte 1914 rechnen. Eine
Auswanderung nach Kanada fand in dieser Zeit noch kaum statt. Die
Auswanderungszahlen in den Jahren 1911 bis 1913 stellen wir zumindest annähernd
mit Hilfe folgender Rechnung fest: Die durchschnittliche Auswandererzahl betrug
zwischen 1880 und 1910 rund 360 (11.100 : 30). Wenn wir diesen Durchschnitt in
die drei Jahre von 1911 bis 1913 weiterlaufen lassen, kämen wir auf 1080. Bei
einer Steigerungsrate infolge der gespannten Lage von rund 30 greifen wir
bestimmt nicht zu hoch und gelangen auf rund 1350. Mithin können wir folgende
Schlußrechnung der Auswandererzahl in den Jahren von 1880 bis 1914 aufmachen:
1.
Statistischer Wanderungsverlust zwischen 1876 bis 1910 |
8.600 |
2.
Geschätzter Geburtenüberschuß |
2.600 |
3.
Vermutliche Auswandererzahl 1911 bis 1913 |
1.350 |
4. 1914
mit großer Wahrscheinlichkeit rund |
900 |
|
13.350
|
Wenn wir nun diese für jeden
Kenner der Gottscheer Verhältnisse durchaus wahrscheinliche Zahl wiederum durch
fünfunddreißig - das ist die Zeit von 1880 bis 1914 - teilen, erhalten wir einen
Jahresdurchschnitt von 380.
Nun greifen wir auf die Geburtenjahrgänge von 1858 bis 1892 zurück und fragen,
wie viele Auswanderer aus diesem Zeitraum 1947 nach menschlichem Ermessen noch
am Leben gewesen sein konnten. Um das Verfahren abzukürzen, legen wir jeweils
fünf Geburtenjahrgänge zusammen, das macht 5 mal 380 = 1900.
1. Die Geburtenjahrgänge 1858 bis 1862 wären 1947 - 89 bis 85 Jahre alt
geworden. Weil die eingewanderten Männer und Frauen unter außerordentlich
erschwerten Arbeitsbedingungen gelebt hatten, erreichten sie kein so hohes
Alter.
2. Die Geburtenjahrgänge von 1863 bis 1867 wurden 1947 - 84 bis 80 Jahre alt.
Vermutlich lebte auch von ihnen niemand mehr.
3. Die Geburtenjahrgänge 1868 bis 1872 wurden 1947 - 79 bis 75 Jahre alt. Von
ihnen könnten noch 8 bis 10 gelebt haben, also etwa 175.
4. Die Geburtenjahrgänge von 1873 bis 1877 wurden 1947 - 74 bis 70 Jahre alt.
Von ihnen lebten möglicherweise noch 15 bis 17, vor allem Frauen, also etwa 315.
5. Die Geburtenjahrgänge 1878 bis 1882 wurden 1947 - 69 bis 65 Jahre alt. Von
ihnen lebten höchstwahrscheinlich noch 34 bis 36, demnach 690.
6. Die Geburtenjahrgänge 1883 bis 1887 wurden 1947 - 64 bis 60 Jahre alt. Von
ihnen lebten mindestens noch 85, also rund 1650.
7. Die Geburtenjahrgänge von 1888 bis 1892 wurden 1947 - rund 59 bis 55 Jahre
alt. Von ihnen lebten höchstwahrscheinlich noch 98, das heißt rund 1850.
Zusammen 4680.
Auf 4700 aufgerundet sind das demgemäß im Jahre 1947 die vermutlich noch
lebenden Alteinwanderer aus dem Gottscheerland. Darin sind die Rückwanderer, die
während des gleichen Zeitraumes heimkehrten, um eine neue landwirtschaftliche
Existenz aufzubauen, nicht enthalten. Wir besitzen nicht den geringsten
Anhaltspunkt, wie viele es gewesen sein könnten, zumal ein Teil von ihnen nach
dem Zweiten Weltkrieg doch wieder in die USA zurückgewandert ist.
Zu den restlichen 4700 Alteinwanderern kommen nun deren in den USA geborene
Kinder, die wir ja noch als echte Gottscheer ansprechen würden. Ihre
Geburtenzahl wird in den ersten achtziger Jahren sicher niedrig gewesen sein,
stieg jedoch infolge der wachsenden Einwanderung und der Existenzfestigung von
Jahr zu Jahr.
Sie selbst befanden sich etwa 1906 ebenfalls im Alter der Heiratsfähigkeit und
Familiengründung. Ihre Kinder kann man freilich nicht mehr als "echte Gottscheer"
bezeichnen, denn sie sprachen auch mit ihren Eltern nur noch englisch, hörten
nur selten oder gar nicht ein gottscheerisches Wort oder eine Schilderung des
Herkunftslandes der Großeltern.
Wie aber gelangen wir zu einer wenigstens ungefähren Zahl der Nachkommen der
Ureinwanderer aus dem Gottscheerland, damit wir sie mit den oben ermittelten
4700 zusammenziehen können? Als einfachster Weg scheint sich anzubieten, daß man
die Zahl der 13.350 Alteinwanderer halbiert, weil es ja etwa gleichviel Männer
und Frauen auf der Welt gibt. In diesem Falle nicht. Es sind in der ersten
Auswanderungsphase mehr Männer als Frauen in die USA gezogen. Gewiß war es die
Regel, daß der Gottscheer eine Gottscheerin heiratete, doch dürften infolge der
ungünstigen Verteilung der Einwanderer bzw. der überwiegenden Zahl der Männer
kaum mehr als 5500 Ehen zustandegekommen sein. Die hier nicht berücksichtigten
2350 Gottscheerinnen und Gottscheer heirateten entweder nicht oder verbanden
sich mit Partnern außerhalb der Gottscheer Gruppe. Schreiben wir nun jeder
dieser 5500 Ehen durchschnittlich zwei bis drei Kinder zu - womit wir der
Wirklichkeit vermutlich sehr nahe kommen - so dürfte die Zahl der "Nachkommen"
im Kikelschen Sinne 11.000 plus 2750 = 13.750 betragen haben. Die Ältesten von
ihnen waren 1947 dann 60 bis 65 Jahre alt. Zählen wir nun die 4700
Alteinwanderer und die Nachkommen aus den 5500 Gottscheer Ehen zusammen, so
stehen wir bereits an dieser Stelle bei rund 18.500! Dabei haben wir erst noch
die zweite Auswanderungsphase zu berechnen. Sie setzte, wie gesagt, 1920/21 ein
und lief in den dreißiger Jahren allmählich aus.
In der zweiten Phase haben wir auch die Auswanderung in die Republik Österreich
statistisch heranzuziehen. Sie setzt sich zusammen aus den Optanten für
Österreich, den auf diese Weise vertriebenen Lehrern und Beamten, den Schülern
und Studenten, die 1919 bis 1925 in Österreich die Schulen besuchten und nicht
mehr heimkehrten sowie dem ständig fließenden Rinnsal arbeitsuchender Gottscheer
aus handwerklichen und Dienstleistungsberufen. Wir unterschätzen die Gesamtzahl
dieser Personengruppe mit 700 gewiß nicht.
Zu einer ungefären Berechnung der zweiten Auswanderungsphase ziehen wir die oben
bereits aufgeführten, amtlichen bzw. halbamtlichen Zahlen heran:
1. Die
Volkszählung von 1910 |
17.400 |
2. Die
1930 durchgeführte Zählung mit Hilfe der Pfarreien |
14.500 |
3. Die
aufgerundete Umsiedlerzahl von 1941 |
12.000
|
Die offizielle jugoslawische
Volkszählung aus dem Jahre 1921 ist für unsere Zwecke unbrauchbar, denn sie
manipulierte die Ergebnisse im Gottscheerland zu einer statistischen Farce, wie
einige Gegenüberstellungen der österreichisch-ungarischen Volkszählung von 1910
und der jugoslawischen von 1921 beweisen. Wir zitieren Dr. Podlipnig
(Kulturbeilage Nr. 54 der "Gottscheer Zeitung" vom September 1973): Deutsche
= D, Slowenen = S
Altlag
1910 - D 828; S 5
1921 - D 694; S 53 |
Obermösel
1910 - D 1056; S 17
1921 - D 762: S 299 |
Mitterdorf
1910 - D 1223; S 119
1921 - D 996; S 321 |
Gottschee/Stadt
1910 - D 2025; S 255
1921 - D 1226; S 1799 |
Rieg
1910 - D 426; S 20
1921 - D 340; S 85 |
Morobitz
1910 - D 291; S -
1921 - D 222 ; S 1 |
Göttenitz
1910 - D 359; S 13
1921 - D 337; S 13 |
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Die Manipulation der
angeblichen Zählergebnisse ist zu augenscheinig, als daß man dazu viel erläutern
müßte. Nur so viel sei gesagt, daß man einfach eine bestimmte Zahl von
Gottscheern aus den Zählungslisten strich und dafür eine etwa entsprechende Zahl
von Slowenen einsetzte. Auch das war eine Art Slawisierung des Gottscheerlandes.
Da aber in der Zeit von 1919 bis 1921 niemand im "Ländchen" das Geld hatte, um
Wohnhäuser zu bauen - insbesondere nicht der junge SHS-Staat - ist unerfindlich,
auf welche Weise man plötzlich in Mösel rund 280 Menschen unterbringen sollte.
Zwangseinquartierungen sind nicht erfolgt. Es wurde auch keine slowenische
Schule errichtet. Außerdem: wohin sollten die verschwundenen Gottscheer gekommen
sein? Die Auswanderung in die USA und Kanada lief mit geringen Zahlen eben erst
wieder an. Die Option für Österreich wurde vom Gottscheer Bauern kaum
wahrgenommen. Um den Schein zu wahren, ließ man jedoch in Morobitz und Göttenitz
die Zahl der Slowenen gegenüber 1910 bestehen. Warum aber in Göttenitz nur 22,
in dem wesentlich kleineren Morobitz hingegen rund 70 Gottscheer das Weite
gesucht haben sollen, während in dem benachbarten Rieg 85 Slowenen zugezogen
sind, wird stets das Geheimnis der Laibacher Statistiker von 1921 bleiben.
Doch nun zurück zur zweiten Auswanderungsphase.
Bevor wir fortfahren, noch ein Wort zu der Umsiedlerzahl von 12.000: Die EWZ
durchschleuste nach ihrem Schlußbericht 11.747 Gottscheer und Gottscheerinnen,
Dr. Wollert spricht von 12.000. In beiden Zahlen sind die Nichtoptanten und die
aus zivilen oder militärischen Gründen außerhalb des "Ländchens" weilenden, aber
noch dort zuständigen Personen natürlich nicht enthalten. Wenn wir jedoch auf
die Gesamtzahl der 1941 lebenden Gottscheer zusteuern, dürfen wir sie nicht
fehlen lassen, denn die Verweigerer der Option für Deutschland waren ja nicht
plötzlich keine Gottscheer mehr, wurden dadurch auch nicht plötzlich zu
Slowenen. Sie hatten letzten Endes für das Gottscheerland optiert. Wenn wir ihre
Zahl nur mit 3% ansetzen, kommen wir bereits auf rund 360. Mit der abwesenden
Gruppe zusammen dürften sie etwa 400 bis 500 Köpfe erreicht haben. Wir haben
daher eine den
Tatsachen nahekommende Differenz zwischen 1910 und 1941 von rund 5000 Personen
(17.400 minus 12.500). Die im alten Siedlungsgebiet seßhafte Bevölkerung
schrumpfte also in den fünfundsechzig Jahren seit 1876 um mehr als die Hälfte
etwa um 57%.
Der rein zahlenmäßige Menschen Verlust zwischen 1911 und 1941 bedarf ebenfalls
einer Bereinigung. Der Verfasser hat dies unter Berücksichtigung aller in Frage
stehenden Faktoren vorgenommen und ermittelte auf die gleiche Weise wie für die
erste Auswanderungsphase einen Abzug von rund 1600 Personen nach den USA und
Kanada. Der nördliche Nachbar der Vereinigten Staaten, ein Land von sehr großer
Ausdehnung, aber geringer Bevölkerungsdichte, wurde nach dem ersten Weltkrieg
für die Gottscheer deshalb interessant, weil sie von dort aus die strengen
Einwanderungsbestimmungen Amerikas über die "Grüne Grenze" oder durch ein
entsprechend langes Verweilen in Kanada umgehen konnten. Das taten natürlich
auch andere. Wie viele Auswanderer aus dem "Ländchen" diesen Weg gegangen sind,
läßt sich nicht rekonstruieren.
Daß zwischen 1920/21 und etwa 1935 nur rund 1600 Gottscheer in die USA
ausgewandert sein sollen, erscheint auf den ersten Blick völlig
unwahrscheinlich. Man muß jedoch berücksichtigen, daß die Einwanderungspolitik
Washingtons gegenüber dem Nachfolgestaat der österreichisch-ungarischen
Monarchie keine bedeutenden Quoten zuließ, und daß ferner ab 1929 die
Weltwirtschaftskrise mit ihrer Arbeitslosigkeit die Amerika-Gottscheer nicht
dazu veranlaßte, Landsleute in das Land der nunmehr begrenzten Möglichkeiten
hinüberzuziehen.
Setzen wir, wiederum rein rechnerisch, die Zahlen der aus den 1600 bei
Gottscheern und Gottscheerinnen entstandenen Ehen mit 560 bis 600 fest und
nehmen wir an, daß aus jeder im Durchschnitt zwei Kinder hervorgingen. Nur zwei
und nicht zwei bis drei deshalb, weil sich die Gottscheer auch in diesem Punkt
der abgesunkenen amerikanischen Geburtenfreudigkeit anpaßten. Jedenfalls erhöht
sich die Zahl der 1947 in Nordamerika lebenden Gottscheer um rund 1600
Einwanderer und ihre etwa 1200 Nachkommen auf die Endsumme von etwa 21.000.
Damit haben wir John Kikels Bemerkung, 19.000 seien niedrig geschätzt, vollauf
bestätigt. Wir nehmen allerdings an, daß auch er die Enkelkinder der
Alteinwanderer aus der Sprachinsel nicht mehr zu den echten Gottscheern zählte.
Was nun die Gesamtzahl der Gottscheer zu diesem Zeitpunkt angeht, so mag sie
zwischen 1941 und 1947 - einschließlich der in der alten Heimat
zurückgebliebenen Nichtoptanten - vermutlich um 32.000 bis 34.000 gelegen sein.
Wir schreiben das Jahr 1950. Die dritte Auswanderungsphase der Gottscheer nach
Nordamerika setzt ganz langsam ein. Nur ein geringer Teil der aus der
Untersteiermark geflohenen Umsiedler hat bisher die Flüchtlingslager verlassen
können. Er hat unter manchmal ungünstigsten Voraussetzungen wenigstens
Anhaltspunkte für den Aufbau einer neuen Existenz gefunden. Die jüngeren,
unverheirateten Umsiedler träumen von Amerika. Längst haben sie wieder die
Verbindung mit den Verwandten und Freunden in den USA und Kanada aufgenommen.
Die Lagerinsassen können es kaum erwarten, daß die Hoffnungen, die ihnen aus den
Briefen entgegenschlagen, in Erfüllung gehen. Sie erfahren, daß alles getan
werde, um ihnen möglichst bald die Auswanderung nach Amerika zu ermöglichen. Es
war außerordentlich schwierig, in dem ungeheuren Wirrwarr der Flüchtlingsströme
in den Nachkriegsjahren gleichsam ein kleines Rettungsboot für die Gottscheer zu
finden, die zu ihren Leuten in Amerika drängten. Es gab doch noch ungezählte
Nichtdeutsche, die der unselige Krieg und die Gewaltherrschaft entwurzelt hatten
und die nun in geordneten Bahnen ihren alten oder neuen Lebenszielen zustrebten.
Das Festbuch zum 25jährigen Bestehen des "Gottschee-Hilfswerks Relief
Association Incorporation" schreibt unter anderem über die Anstrengungen, deren
es bedurfte, um den Gottscheern gewissermaßen ein Mauertürchen in das Land der
nun scheinbar wieder unbegrenzten Möglichkeiten zu öffnen:
"In der zweiten Hälfte des Jahres 1951 kam die Einwanderung jedoch vollständig
ins Stocken. Dies bedingte eine Reise des Vertreters des Hilfswerks nach Europa,
besonders nach Deutschland und Österreich. In dieser Zeit fand eine Konferenz
für Flüchtlinge in Brüssel und eine Untersuchung in Frankfurt am Main statt,
welche mit einer Milderung der bestehenden Verschärfungen endeten und somit
wieder vielen Landsleuten die Einwanderung ermöglichten. Die Zusicherungen aus
unseren Kreisen waren aber bereits erschöpft. Doch war unserer Vertretung
bekannt, daß die N. C. W. C. bereit war, für 5000 Familien Zusicherungen zu
garantieren. Ein Besuch bei Msgr. Bernas, dem Vertreter des Katholischen
Hilfswerks, und ein dringendes Ersuchen ermöglichte es den Gottscheern, 500 von
diesen Zusicherungen zu erhalten. Auch wurde unserem Vertreter gesagt, daß auf
diese Zusicherungen bis 2000 Personen einwandern könnten.
Dieser, von der D. P. C. und N. C. W. C. befürwortete Besuch hatte ferner den
Vorteil, daß die Gottscheer anerkannt und die schon lange vorliegenden
Einwanderungsgesuche endlich bearbeitet wurden. Daraus ergab sich, daß im Jahre
1952 dann die größte Zahl an Gottscheer Einwanderern zu verzeichnen war. Am 31.
August 1952 wurde die D. P. C. aufgelöst und nur vereinzelt kamen 1953 und in
den nachfolgenden Jahren noch Gottscheer Einwanderer in die USA.
Der Großteil der Neueinwanderer ließ sich in jenen Städten Amerikas nieder, wo
bereits Landsleute aus früheren Jahren ansässig waren. Die auf Bemühung des "Gottscheer
Hilfswerks" unter der N. C. W. C. - Quote berücksichtigten Einwanderer landeten
oft in entlegenen Gegenden. Jedoch auch diese fanden bald den Weg in die "Gottscheer
Gemeinden". Allen war wieder Hilfe bereit und dankbar erinnert man sich noch
jener Landsleute, die dem Neueinwanderer zum ersten "Job" verhalfen."
Die Gottscheer hatten das Glück, in jenen Jahren, deren unmenschlichen und
materiellen Nöte nur mit systematisch eingesetzter Tatkraft zu bewältigen waren,
eine Persönlichkeit von Format zu besitzen. Hinter dem Wort "unser Vertreter"
versteckt sich niemand anderer als Adolf Schauer, die führende Kraft bei der
Gründung des "Gottschee-Hilfswerks" und dessen erster Präsident. Er führte die
im obigen Bericht angegebenen Verhandlungen und Besprechungen und ließ sich
durch keine Widerstände beirren. Und er war es, der die Europareise nicht
scheute, um möglichst vielen seiner Landsleute die Einwanderung in die USA zu
ermöglichen. Adolf Schauer ist 1901 in Oberwarmberg geboren. Er wanderte 1920 in
die Vereinigten Staaten aus und gründete in Ridgewood das heute noch bestehende
Versicherungsunternehmen "Schauer Agency". Er gilt als der große, weise Mann der
Amerika-Gottscheer. Seine Verdienste um sie und das gesamte Völkchen der
Gottscheer besitzen innerhalb ihres Rahmens geschichtlichen Rang. Seine
Landsleute wissen sie zu schätzen. Er ist Träger des Ehrenringes der Gottscheer
Landsmannschaften und Ehrenpräsident der "Relief Association". Von
amerikanischer Seite wurde ihm die "Bürger-Medaille" verliehen. In seiner Person
wurde aber auch das kleine Heer der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des
Hilfswerks geehrt.
Gewiß haben die Alteinwanderer ihren nachrückenden Landsleuten geholfen, sich in
dem Riesenland zurechtzufinden, gewiß haben sich in den hundert Jahren seit dem
Beginn der ersten Auswanderungsphase die beruflichen, sozialen und menschlichen
Verhältnisse in den USA zum Besseren gewendet, doch den letzten Einwanderern aus
der früheren Sprachinsel Gottschee wurde die wohlorganisierte Starthilfe der
großen Gemeinschaft der Amerika-Gottscheer zuteil. Sie aber waren nur deshalb
imstande, den plötzlichen, umfangreichen Zugang an zumeist erwachsenen Menschen
seelisch, wirtschaftlich und sozial zu verkraften, weil sie sich selbst auf
diesen Lebensgebieten im Gleichgewicht befanden. Nur deshalb vermochten sie
auch, tätige Aufnahmebereitschaft und nachbarschaftliches Entgegenkommen -
beides ist wörtlich gemeint - zu üben. Weit mehr als 2000 schuldlos zerbrochene
Schicksale unter eigenen Opfern zum Guten zu wenden, war ein menschlich
imponierendes weiteres Hilfswerk, dessen tiefere menschliche Beweggründe nicht
einfach zufällig vorlagen, sondern in Jahrhunderten gewachsen waren. Zweitausend
sind für amerikanische Verhältnisse wenig, für die Gottscheer viel.
Inzwischen haben auch diese letzten aus dem "Ländchen" stammenden Einwanderer
auf nordamerikanischem Boden endgültig Fuß gefaßt und sich in den "Way of Life"
Amerikas eingefügt, sich aber auch in die Organisationen der Gottscheer
eingegliedert. Allerdings haben auch sie erfahren, daß die USA zwar von den
Einwanderern in ihr Land beim Betreten des amerikanischen Bodens nicht die
Ablieferung des ererbten Volkstums verlangen, daß man sich aber nur durchsetzt,
wenn man sich von der ersten Stunde an anpaßt.
Als die Reisedauer über den Atlantik auf Stunden zusammenzuschrumpfen begann,
setzte bei den Amerika-Gottscheern eine neue, die allerletzte Wanderung ein: Sie
flogen in den Sommermonaten zu Hunderten nach Europa, mit Linienflugzeugen und
mit Chartermaschinen. Zuerst kamen die Auswanderer zwischen den beiden
Weltkriegen. Sie überzeugten sich mit Genugtuung, welchen Segen das "Gottschee-Hilfswerk"
und alle seine Mitarbeiter gestiftet hatten und daß sie nicht vergessen waren.
Aber Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre mehrten sich die
Europafahrer aus der Gruppe der Auswanderer der beginnenden fünfziger Jahre. Die
Lager waren längst geräumt. In den europäischen, namentlich in deutschen Städten
zeugten nur noch wenige Baulücken von der überwundenen Katastrophe. Gewiß hatten
nicht alle ihre Landsleute Anteil am Wirtschaftswunder Deutschlands und
Österreichs, doch es war von Staats wegen für alle gesorgt, die
Vermögenserstattung war im Gange, die Alten erhielten ihre Renten, der
Prozentsatz der Autobesitzer war auch unter den Gottscheern schon damals
beträchtlich. Die arbeitsfähigen Gottscheer und Gottscheerinnen hatten sich
gleich den Balten, den ostdeutschen Vertriebenen, den Sudetendeutschen, den
Südtirolern, den Deutschen aus dem Donau-Karpaten-Raum in den Wiederaufbau der
Volkswirtschaften in Österreich und Deutschland eingegliedert.
- Eine scheinbar nebensächliche Beobachtung am Rande: Die Amerika-Gottscheer
flogen und fliegen zumeist mit einer weltweit bekannten deutschen
Fluggesellschaft. Die Europa-Reisenden aus der früheren Sprachinsel Gottschee
haben für europäische Begriffe lange Strecken zu überwinden bis sie die
Verwandten, Jugendfreunde und Nachbarn besucht haben, denen die lange See- und
Luftreise hauptsächlich gilt. Doch die "Amerikaner", wie die Gottscheer ihre
Landsleute von "drüben" nennen, sind ja lange Reisestrecken gewöhnt. In der
Republik Österreich decken sich die aus menschlichen Gründen angesteuerten
Reiseziele sehr oft mit dem Wunsch, eine bestimmte Stadt zum ersten oder zum
wiederholten Male zu sehen, etwa Wien oder Graz, die für die Gottscheer - das
gilt natürlich nicht nur für sie - schon in der Zeit der alten Monarchie eine
magische Anziehungskraft besaßen. Dort gab es schon im 19. Jahrhundert seßhafte
Gottscheer, doch eine allgemeine Gottscheer Vereinigung entstand trotzdem nicht.
Erst 1891 wurde der "Verein der Deutschen aus Gottschee in Wien" ins Leben
gerufen. Das heißt, die erste, jedermann zugängliche Organisation von
Gottscheern außerhalb des "Ländchens" wurde in den Vereinigten Staaten
gegründet, eben der erwähnte "Erste österreichische Unterstützungsverein" in
Cleveland/Ohio. Sein Gründungsjahr ist 1889. -
Wenn Klagenfurt in den Reiseplänen auftaucht, so nicht einmal so sehr wegen
persönlicher Besuche, sondern, weil diese Stadt zum Zentrum der Exilkultur der
Gottscheer geworden ist. Davon wird noch ausführlich zu sprechen sein. Linz und
Salzburg, weniger Innsbruck, weisen seit den fünfziger Jahren ebenfalls nicht
unbeträchtliche Gruppen von Gottscheern auf, die naturgemäß jedes Jahr eine
Anzahl von "Amerikaner" an sich ziehen.
Als die ersten, vereinsgewohnten Amerika-Gottscheer in Europa eintrafen, fanden
sie nur Ansätze organisatorischer Zusammenschlüsse ihrer Landsleute in
Österreich und Deutschland. Während in Wien, Graz und Klagenfurt nur die alten
Vereine wiederbelebt wurden, war in Deutschland nirgends ein Ansatz aus früherer
Zeit gegeben.
Verein der Deutschen aus Gottschee, Wien
Die Wiener Gruppe nannte sich nun "Verein der Gottscheer in Wien", nachdem sie
als "Verein der Deutschen aus Gottschee" von vier beherzten Männern (Franz
Obermann, Josef Springer, Andreas und Georg Roschitsch) am 30. März 1891
gegründet worden war. Als Zweck des Vereines wird unter § 2 der Satzungen nach
dem "Jubiläumsbuch der Gottscheer 600-Jahr-Feier 1930" angeführt;
"a) die moralische und materielle Unterstützung von bedürftigen
Vereinsmitgliedern und unterstützungswürdigen Landsleuten.
b) die Unterstützung von Wohltätigkeits- und patriotischen Unternehmungen in
Gottschee, das ist im Gebiete des ehemaligen Herzogtums Gottschee.
c) die Förderung des geselligen Verkehrs zur Hebung der engeren
Landsmannschaft."
Ein Jahr später zählte der Verein bereits 252 Mitglieder und entwickelte bis zum
Ersten Weltkrieg eine segensreiche Tätigkeit. Darüber berichtet der Obmann
wieder im "Jubiläumsbuch 1930" auf Seite 242 folgendes: "Die Mittel des Vereines
ergaben sich aus den Mitgliedsbeiträgen, allfälligen Spenden von Förderern und
aus den Erträgnissen von Veranstaltungen. Stets hilfsbereit wurden im Laufe von
nahezu vier Jahrzehnten jeweilig nach Maßgabe der vorhandenen Kassabestände an
verschiedene hilfsbedürftige Landsleute Unterstützungen gewährt. Gemeinden und
Vereine erhielten Beiträge, sei es nun, wenn es galt, ein Kirchlein zu
reparieren, Feuerlöschgeräte anzuschaffen, von Naturgewalten angerichtete
Schäden zu lindern oder Veranstaltungen und dergleichen zu fördern. Es sei noch
gestattet, die an der Spitze des Vereines gestandenen Männer mit Namen
anzuführen: Franz Obermann, Kaufmann Josef Edler von Rom, k. k. Major; Georg
Roschitsch, Kaufmann; Andreas Schuster sen., Kaufmann; Josef Wuchse, Kaufmann;
Andreas Schuster jun., Kaufmann; Oberveterinär Dr. Adolf Wenzel."
Im Krieg (1914 bis 1918) verlor der Verein fast seinen gesamten Besitzstand und
mußte von vorne beginnen. Im Zweiten Weltkrieg stellte er seine Tätigkeit ein
und konnte sie erst nach Überwindung gewisser Schwierigkeiten 1951 unter dem
Namen "Verein der Gottscheer in Wien" wieder aufnehmen. Professor Franz Kraus,
der keine Mühe scheute, hat sich in dieser Zeit als Obmann große Verdienste
erworben. Ihm wurde für seinen Idealismus und seine Opferbereitschaft durch die
Ernennung zum Ehrenobmann gedankt. Wegen seines hohen Alters legte er 1966 sein
Amt zurück, und über seinen Vorschlag wurde Dipl.-Ing. Karl Skoupil einstimmig
zum Obmann gewählt. Unter seiner Leitung wurde auch in Wien der Verein in "Gottscheer
Landsmannschaft" umbenannt. Dies gelang erst nach Überwindung von Bedenken der
Behörden. Der Verein setzt seine bewährte Tätigkeit unter dem agilen Obmann für
die Gemeinschaft der Gottscheer in der Hauptstadt Österreichs fort.
Gottscheerland", Graz
In Graz und Klagenfurt führten die Vereine nach dem Zweiten Weltkrieg die
Bezeichnung "Hilfsverein für die Gottscheer und Deutsch-Krainer". Damit wurde
die Zielsetzung in den Vordergrund gestellt.
1919 gründete Josef Ramor, geboren in der Stadt Gottschee, den Verein "Gottscheerland"
in Graz und war sein erster Obmann. Oberstleutnant Paul Eppich schreibt über ihn
im Jubiläumsbuch auf Seite 243: "Das Wirken des ersten Obmannes, den die
edelsten Motive geleitet haben, war beispielgebend. Seine Arbeit, heute mit
prüfendem Auge beschaut, verdient höchste Anerkennung und Dank.
Erfolgreich arbeitete der Verein für die geistige und wirtschaftliche Wohlfahrt
des Gottscheer Volkes sowie des geselligen Verkehrs zur Hebung der Heimatliebe.
Nach Kräften wurden auch die Bestrebungen des Gottscheer Volkes zur Erhaltung
seines Volkstums unterstützt."
In den ersten zehn Jahren seines Bestandes hatte der Verein folgende Obmänner:
Bahnrat Josef Ramor, Dr. Hans Petsche, Medizinalrat Dr. Walter Linhart und
Professor Dr. Othmar Herbst. Ehrenmitglieder für besondere Verdienste waren:
Medizinalrat Dr. Linhart und Landesbeamter Michitsch. Zum Ehrenobmann wurde
Bahnrat Ramor gewählt.
Am 18. Mai 1929 übernahm Studienrat Prof. Dr. Othmar Herbst die Obmannstelle.
Sein Stellvertreter wurde Oberstleutnant Paul Eppich, ein geborener Ebentaler.
Die Vereinsarbeit war in den dreißiger Jahren nicht leicht, denn es gab in
Österreich innere Unruhen. Während der Kriegszeit von 1938 bis 1945 wurden keine
Versammlungen durchgeführt, und die Tätigkeit war vollkommen eingestellt. Sie
wurde jedoch bereits 1945 vom Obmann und seinem Stellvertreter wieder
aufgenommen. Dabei wurden sie durch Dr. Franz Perz aus Mitterdorf und den
Laibacher Dr. Plautz außerordentlich tatkräftig unterstützt. Diese beiden
bemühten sich besonders, das Schicksal der Flüchtlinge zu erleichtern.
Den "Hilfsverein" führten in weiterer Folge 1949 Schuldirektor Hans Eppich aus
Altlag, 1950 Primarius Dr. Walter Linhart, 1958 Notar Helmut Karnitschnig. Unter
seiner Obmannschaft bekam der Verein 1960 die Bezeichnung "Gottscheer
Landsmannschaft Graz". Durch Beschluß der "Arbeitsgemeinschaft der Gottscheer
Landsmannschaften" führen heute alle offiziellen Gottscheer Vereinigungen in
Österreich und Deutschland die Bezeichnung "Landsmannschaft".
1963 übernahm Josef Petsche aus Grafenfeld die Obmannstelle und führte die
Landsmannschaft mit großer Umsicht bis 1968. Helmut Bartelme war der nächste
Obmann, der dieses Amt 1973 krankheitshalber aufgeben mußte. Nach ihm wurde der
heutige Obmann Friedrich Petsche einstimmig gewählt. Der Verein der Gottscheer
in Graz zählte nach der Flucht die meisten Mitglieder aller Gottscheer
Vereinigungen in Europa.
"Gottscheerland", Klagenfurt
Obwohl der Verein "Gottscheerland" in Klagenfurt bis 1928 eine Zweigstelle des
Vereines in Graz war und erst dann selbständig wurde, entwickelte er bereits als
Zweigverein seit 1919 unter Leitung von Prof. Peter Jonke eine rege Tätigkeit.
Es gab landsmannschaftliche Versammlungen, die "Gottscheer Zeitung" sowie der "Gottscheer
Kalender" wurden von uneigennützigen Landsleuten für Bezieher in Kärnten
adressiert und verschickt.
Zu Pfingsten 1926 kam auf Einladung des Vereines der Männerchor aus Gottschee
unter Führung des Chorleiters Dr. Hans Arko auf Besuch nach Klagenfurt. Von hier
aus wurde per Schiff über den Wörther See der in Rosegg unweit von Velden
lebende Heimatforscher, Schuldirektor Wilhelm Tschinkel, besucht. Er ist der
Dichter und Komponist unseres so innigen Heimatliedes "Dü hoscht lai oin Attain,
oin Ammain dazua
..." Tschinkel hatte die Sänger aus Gottschee zu sich eingeladen, damit sie
zusammen mit dem von ihm geleiteten örtlichen Gesangsverein eine Liedertafel
unter der Devise "Kärnten-Gottschee" durchführen sollten. Es wurde ein glänzend
gelungenes Fest, zu dem viele Einheimische und in Kärnten lebende Landsleute mit
Freuden gekommen waren. Freilich mußten die Gottscheer Sänger sich nach ihrer
Heimkehr für dieses "Verbrechen" vor der Bezirkshauptmannschaft in Gottschee
verantworten. Der Verein "Gottscheerland" stellte seine Tätigkeit im Zweiten
Weltkrieg ebenfalls ein, wurde jedoch durch Professor Peter Jonke und
Regierungsrat Sepp König 1948 wieder aktiviert. Wie schon ausgeführt, nannte
sich die Neugründung "Hilfsverein der Gottscheer und Deutsch-Krainer" und
erhielt 1952 eine neue Führung unter dem Obmann Amtsrat Walter Samide. Die
größte Leistung für das Gottscheertum vollbrachte dieser Verein durch die
Wiederherausgabe der "Gottscheer Zeitung" im Jahre 1955. Das Bemühen um das
verlorene Vermögen und vor allem die kulturelle Tätigkeit der Gottscheer
Vereinigung in Klagenfurt nach fast drei Jahrzehnten ist vom Autor in diesem
Werk ausführlich dargestellt. Regierungsrat Walter Samide wurde 1971 zum Dank
für sein langjähriges, aufopferndes Bemühen um den von ihm geführten Verein zum
Ehrenobmann bestellt. Von ihm übernahm im gleichen Jahr, einstimmig gewählt, der
Rechtsanwalt Dr. Viktor Michitsch den Vorsitz.
In Österreich hat sich folgendes organisatorische Betreuungssystem
herausgebildet: Wien ist zuständig für die Landsleute in Wien und dem
Burgenland, Graz für jene von Steiermark, Ober- und Niederösterreich, Klagenfurt
erfaßt die Landsleute in Kärnten, Salzburg, Tirol und Vorarlberg.
Gottscheer in Deutschland
In der Bundesrepublik Deutschland ballten sich die Flüchtlinge aus der
ehemaligen Sprachinsel hauptsächlich in den Großräumen von München, Stuttgart
und Köln. In der Deutschen Demokratischen Republik leben, so weit sich dies
durch den Autor feststellen ließ, nur wenige Gottscheer. Das Fehlen einer
engeren dauerhaften Bindung der so weit auseinandergeworfenen Gruppen
untereinander wurde bald als schmerzlich empfunden. Es ging nicht nur darum, das
Flüchtlingsschicksal gemeinsam zu tragen, Kulturarbeit aus den Traditionen des
Gottscheer Völkchens zu formen sondern auch um ganz praktische Aufgaben, wie das
alle betreffende Vorbringen der materiellen Forderungen an die Nachfolgestaaten
des ehemaligen Deutschen Reiches. Die Gottscheer verlangten und benötigten wie
in Österreich auch in Deutschland und in anderen Ländern eine offizielle
Vertretung.
In der Bundesrepublik Deutschland wurde am 17. August 1952 in Adelgund a. d.
Mosel die "Landsmannschaft der deutschen Umsiedler aus der Gottschee in
Deutschland e. V." gegründet. Die Anmeldung beim Amtsgericht Zell/ Mosel vom 27.
Februar 1953 ist von den Gründungsmitgliedern Johann Pangretitsch, Josef Frank
Ferdinand Röthel, Johann Matzele, Robert Schmuck, Josef Weiß und Adolf Grill
unterzeichnet. Der erste Obmann war Johann Pangretitsch aus Obermösel.
Den Initiatoren Ferdi Wittine aus Rieg und Sepp Frank aus Tschermoschnitz ging
es darum, die in die Bundesrepublik gekommenen, weit verstreut lebenden
Gottscheer ausfindig zu machen, ihnen in der Not nach Möglichkeit zu helfen und
ihre Entschädigungsansprüche im Rahmen des Lastenausgleichs zu vertreten.
Besonders wurde versucht, die Anerkennung als Umsiedler von Seiten der
Nachfolgestaaten des Deutschen Reiches zu erhalten und entsprechend dem
Umsiedlungsvertrag entschädigt zu werden. Es ging aber auch darum, sich nach
langer Zeit wieder zu gut nachbarlichem Beisammensein zu finden. Zu Pfingsten
1956 war dann das erste größere Gottscheer Treffen in Köln mit mehr als 400
Teilnehmern.
Am 26. April 1958 war es dann so weit, daß in München der "Gottscheer
Arbeitskreis" gegründet werden konnte. Vorsitzender wurde Alois Stalzer,
Niedermösel, sein Stellvertreter Max Jaklitsch, Reintal. Zu den
Gründungsmitgliedern zählen: Josef Janesch, Ernst Stalzer, Rudolf Jonke, Georg
Brändle, Franz Schaffer, Johann Fmk, Adolf Kikel, Friedrich und Franz Kresse und
andere. Damit war der erste Zusammenschluß der Gottscheer in Deutschland
vollzogen.
Bei allen Zusammenkünften wurde der Wunsch laut, die Gottscheer in Deutschland
und Österreich zusammenzuschließen. Weitere Vereine wurden gebildet. Doktor
Viktor Michitsch arbeitete einheitliche Satzungen aus. Auf der Hauptversammlung
in Köln am 17. Mai 1959 wurden diese einstimmig angenommen und die Umbenennung
in "Gottscheer Landsmannschaft" vollzogen. Der Vorstand blieb unverändert (Alois
Stalzer und Max Jaklitsch). Auf dieser Tagung beschloß man einhellig, drei
Landesgruppen zu bilden und so entstanden dann im Laufe des Novembers 1959 die
Landesgruppe Nord-West in Köln (Vorsitzender Franz Nelles), die Landesgruppe
Baden-Württemberg in Stuttgart (Vorsitzender Karl Bartelme) und die Landesgruppe
Bayern in München (Vorsitzender Max Jaklitsch).
Eine wichtige Maßnahme für die überregionale, weltweite Zusammenarbeit in der
Volksgruppe war die Gründung der "Arbeitsgemeinschaft der Gottscheer
Landsmannschaften" am 14. August 1960 in Ulm/Donau. Sie wählte in den Vorstand
als Vorsitzenden Dr. Viktor Michitsch, als dessen Stellvertreter Amtmann Ferdl
Wittine und als Schriftführer Schuldirektor Fritz Högler. Mit der Bildung dieser
Dachorganisation wurde der Zusammenschluß der Gottscheer in Österreich und
Deutschland konsequent zu Ende geführt. In Nordamerika haben sich das "Gottschee-Hilfswerk"
in New York, Ridgewood und die Gottscheer Organisation in Toronto/Kanada der
Arbeitsgemeinschaft angeschlossen. Damit besitzen nun die Gottscheer in aller
Welt eine gemeinsame Interessenvertretung.
Im "Südostdeutschen Rat", einem Zusammenschluß der Vertriebenenorganisationen
aus Südosteuropa, hat ein Delgierter der Gottscheer Landsmannschaft in
Deutschland Sitz und Stimme. In Ulm/Donau wird die Hauptgeschäftsstelle der
Landsmannschaft errichtet und von Alois Michitsch aus Rieg (+ 1976) geleitet.
Ein weiterer Abschnitt in der Geschichte dieser Landsmannschaft entwickelt sich
1968 mit dem Auftritt der "Gottscheer Sing- und Trachtengruppe Klagenfurt" beim
Volkstumsabend der Donauschwaben in Sindelfingen, der Patenstadt der
Volksdeutschen aus Jugoslawien. Die Gottscheer Volkslieder, die Mundart- und
Brauchtumstradition (dargestellt vom 1. Vorsitzenden und Kulturreferenten
Richard Lackner) erhielten nicht nur spontanen Beifall im voll besetzten großen
Saal der Stadthalle, sondern es war, als ob sich Geist und Leben der 600jährigen
Sprachinselgemeinschaft vorgestellt hätten. Eine Welle der Zuneigung schlug den
Gottscheern entgegen. Die Stadt Sindelfingen, vertreten durch den
Oberbürgermeister Arthur Gruber, die Vertreter der Landesregierung von
Baden-Württemberg und des Bundesministers des Inneren in Bonn äußerten die
Bereitschaft, die Kulturpflege des Gottscheertums zu unterstützen.
Danach konnten die Gottscheer Landsmannschaften eine verstärkte Breitenarbeit
auf kulturellem Gebiet unter der Führung Richard Lackners, dem Vorsitzenden der
"Gottscheer Landsmannschaft" in Ulm, entwickeln. Zur Zeit führt er mit Max
Jaklitsch die Gottscheer Landsmannschaft in Deutschland.
Gottscheer Zeitung
Der 1928 in Göttenitz als Sohn eines Land- und Gastwirtes (Gruabarsch)
geborene Rechtsanwalt Dr. Viktor Michtisch gehörte schon frühzeitig zu den
Männern in Kärnten, die nach Wegen suchten, um den Zusammenhalt der letzten
Gottscheer Generation zu finden und zu sichern. Als wirksamstes Bindeglied wurde
die Wiedergründung der "Gottscheer Zeitung" erachtet. Die ersten Gespräche dazu
fanden bereits 1953 zwischen Oberstudienrat Peter Jonke, Obermösel,
Regierungsrat Sepp König, Altlag, Volksschuldirektor Fritz Högler, Altlag, Dr.
Viktor Michitsch, Göttenitz, und Pfarrer Heinrich Wittine, Lichtenbach, statt.
Die Vorausberechnung der Herstellungskosten bestätigte die Vermutung, daß die
selbstständige Herausgabe finanziell nicht tragbar war. 1954 wurde dann ein
Zeitungsausschuß mit folgenden Mitgliedern eingesetzt:
Sepp
König, Altlag (Obmann) |
Albert
Loser, Grafenfeld |
Viktor
Stalzer, Reichenau |
Fritz
Högler, Altlag |
Dr. Viktor
Michitsch, Göttenitz |
Erich
Sterbens, Obermösel |
Peter
Jonke, Obermösel |
Walter
Samide, Langenton |
Hubert
Truger, Gottschee/Stadt |
Am Rande sei bemerkt,
daß Albert Loser bald nach der Gründung des Ausschusses in die USA auswanderte
und seit geraumer Zeit in New York die redaktionelle Vertretung der "Gottscheer
Zeitung" wahrnimmt. Viktor Stalzer folgte dem am 4. Juli 1969 verstorbenen
Hubert Truger als Verantwortlicher für Inhalt und Aufmachung.
Nach der finanziellen Absicherung durch die beiden Gottscheer Vereine in
Klagenfurt und Graz stand dem Erscheinen der neuen "Gottscheer Zeitung" nun
nichts mehr im Wege. Zum ersten Schriftleiter wurde durch den Besitzer und
Herausgeber, also die Landsmannschaft, Fritz Högler, berufen. Die erste Nummer
erschien im Juni 1955. Das Impressum weist die "Gottscheer Landsmannschaft" in
Klagenfurt als Eigentümerin, Verlegerin und Herausgeberin aus. Das einmal im
Monat erscheinende Blatt wurde einige Jahre in Wolfsberg-Lavanttal und wird nun
bei der Großdruckerei Carinthia in Klagenfurt gedruckt.
Die alte-neue "Gottscheer Zeitung" wurde von ihrer Leserschaft begeistert
begrüßt. Flugs erhielt sie den Kosenamen "da
Gatscheabarin",
die Gottscheerin. Sie erreichte nach einer kurzen Anlauf- und Werbezeit eine
Auflage, die sie daheim nie erzielt hatte: rund 3300 Exemplare. Von ihrer
Aufgabe her, Bindeglied und Sprachrohr der Gottscheer zu sein, stellt sie
eigentlich einen regelmäßig erscheinenden, überdimensionalen gedruckten
Familienbrief dar. Sie nennt sich jedoch mit Recht Zeitung. Sie ist es nicht nur
in ihrer äußeren Aufmachung, sondern auch inhaltlich, denn sie erstattet bis in
alle Einzelheiten Bericht für die Öffentlichkeit aus der Öffentlichkeit der
letzten Gottscheer Generation. Wie bei einer Tageszeitung beträgt die Zahl der
Leser ein Mehrfaches der Bezieher. Ein wesentlicher Unterschied gegenüber der
Tageszeitung ist allerdings anzumerken: Die große Tagespolitik schlägt sich nur
selten in ihren Spalten nieder. Ihr Durchschnittsleser sucht darin ja auch keine
Politik, trägt sie doch als Leitspruch: "Mit der Heimat im Herzen über Land und
Meer verbunden!"
Wenige Zeitungen dürften ein solch passioniertes Leserpublikum aufzuweisen
haben, wie die "Gottscheer Zeitung". Sie wird buchstäblich von vorne bis hinten
und umgekehrt gelesen, oft wiederholt, aufgehoben und wieder gelesen. Und nicht
wenige alte Gottscheer lassen, wenn sie eintrifft, alles liegen und stehen, weil
sie erst einmal "da
Gatscheabarin"
lesen müssen. Das Um und Auf jeglicher Berichterstattung, - nämlich das Wer?
Was? Wo? Wann? Wie? und Warum? - liest sich in der Heimatzeitung viel fesselnder
und persönlicher als in der Lokalzeitung des neuen Wohnortes. Schon der
Leitartikel befaßt sich mit einzelnen, alle Leser interessierenden, aktuellen
oder jahreszeitlich bedingten Themen. Darauf folgen Berichte über die
Tätigkeiten der Landsmannschaften und Vereine, Erinnerungen an bemerkenswerte
Persönlichkeiten oder Einrichtungen des "Ländchens", ernste und heitere
Geschichten aus alter Zeit.
Die nächste Spalte, "Aus dem Leben unserer Landsleute", bringt in bunter Fülle
Einzelnachrichten und -berichte, vor allem über die Lebensstationen, die allen
Menschen gemeinsam sind, Geburt und Tod, Hochzeiten und persönliche Ehrentage,
Besuche hüben und drüben sowie Briefe. Außerordentlich zahlreich sind die Photos
aus der Gegenwart und der jüngeren Vergangenheit, mit denen die Schriftleitung
die beiden Hauptthemen variiert, die den gesamten Lesestoff überlagern, Familie
und verlorene Heimat. Eine ständige Kulturbeilage veröffentlicht Aufsatzreihen
über geschichtliche, kulturelle, volkskundliche, auch wirtschaftliche Themen,
ferner Erzählungen in hochdeutscher und mundartlicher Darstellung, neue
Gedichte, sprachwissenschaftliche Aufsätze, und anderes mehr.
Die Auflage ist inzwischen unter dreitausend gesunken und sinkt weiter. Die
Todesnachrichten und -anzeigen auf der letzten Seite sagen uns, warum. -
Die umfangreichste Ankündigung und Berichterstattung widmet die "Gottscheer
Zeitung" dem Volksfest in New York, den Feiern in Cleveland, den Wallfahrten in
Klagenfurt und Maria Trost, den Treffen in Aichelberg (Schwarzwald), in Kanada
und Australien sowie der alljährlichen "Gottscheer Kulturwoche", den
Weihnachtsfeiern und sonstigen Zusammenkünften der Landsleute in aller Welt.
Alle diese Veranstaltungen stehen zahlenmäßig weit hinter dem Jahrestreffen etwa
der Sudetendeutschen, Siebenbürger oder Donauschwaben zurück, vermögen jedoch in
ihrer Absicht, Anlage und Durchführung auch den Nicht-Gottscheer zu
beeindrucken. Wenn wir die Veranstaltungen außerhalb der USA als Gegenstück zu
der Großveranstaltung in Nordamerika betrachten, so ersehen wir allein schon aus
den Teilnehmer-Zahlen, wo heutzutage die meisten Gottscheer leben. Niemals
könnten wir in Europa solche Besucherzahlen erreichen (5000 und mehr!). Hier
können wir mit Hilfe von drüben bestenfalls 2000 zählen, ob dies nun in
Österreich oder in Deutschland wäre.
Zum Schriftleiter der neuen "Gottscheer Zeitung" wurde, wie schon angeführt, der
Volksschuldirektor Fritz Högler von der Landsmannschaft in Klagenfurt bestellt.
Sein Nachfolger wurde 1962 Landsmann Herbert Erker aus Mitterdorf. Von ihm
übernahm Hauptschuldirektor Ludwig Kren aus Mitterdorf 1971 diese mühevolle aber
auch schöne Aufgabe.
Der Gottscheer
in aller Welt
Das Leben war weiter gegangen. In den fünfziger Jahren hatten sich die
Flüchtlingslager geleert, in den sechziger Jahren kamen dann auch die Gottscheer
in Österreich und Deutschland zur Ruhe. Alle besaßen nun den politischen Frieden
in ihren neuen Heimatländern und erholten sich auch wirtschaftlich. An harte
Arbeit gewöhnt, schufen sie sich nicht nur in Übersee, sondern auch in Europa
ihre schmucken Eigenheime und Eigentumswohnungen. Der Gottscheer war wieder
seßhaft, aber leider nicht in geschlossenen Siedlungen. Dies gelang nur
teilweise in den USA (Walden und Hawley, Pa.), wo etliche Gottscheer in einer
Dorfgemeinschaft leben. Umsomehr hatte er das Bedürfnis, sich Treffpunkte zu
schaffen, wo er dem einstigen Nachbarn in die Augen sehen konnte. Auch die Toten
wollte er nicht vergessen. So entstanden in Österreich und Deutschland in den
sechziger und siebziger Jahren drei Gedenkstätten, und zwar in Krastowitz bei
Klagenfurt, Maria Trost bei Graz und Aichelberg im Schwarzwald.
Das Symbol der "Gottscheer Gedächtnisstätte" bei Klagenfurt ist die Schloßkirche
von Krastowitz, einem alten Herrensitz in unmittelbarer Nähe des Flughafens in
Klagenfurt/Annabichl. Sie wurde von der Landsmannschaft Klagenfurt unter
mehreren Möglichkeiten deshalb ausgewählt, weil sie auf Kärntner Boden steht,
vom bischöflichen Ordinariat Klagenfurt/Gurk kostenlos zur Verfügung gestellt
wurde, und, nach Größe und Baustil beurteilt, gut eine Filialkirche im
Gottscheerland hätte sein können. Das Gotteshaus wurde nach gründlicher
Renovierung den Gottscheern mit der Aushändigung des Schlüssels an den beliebten
Geistlichen Rat Alois Krisch im September 1962 übergeben. Die Renovierung war
durch zahlreiche Spenden, insbesondere von Amerika-Gottscheern, ermöglicht
worden. An der linken Innenseite des Kirchenschiffes kündet eine Granittafel
nachstehenden Inhalts von seiner besonderen Zweckbestimmung:
GÖTT WU TR IN HIMML, BIR PATN GUAR SCHEAN
SHÖ LUESS INSHR HOIMOT IN HARZN PESCHTEAN
1330 - 1918
1941 - 1945
GEWEIHT DEM GEDENKEN AN DIE HEIMAT
G O T T S C H E E
WIR GEDENKEN ALLER, DIE IN DER HEIMAT
RUHEN + IN DEN KRIEGEN IHR LEBEN GABEN +
DURCH DIE DRANGSAL DER ZEIT GESTORBEN ODER
VERSCHOLLEN SIND + IN VIELEN LÄNDERN DER ERDE
DEN EWIGEN FRIEDEN GEFUNDEN HABEN.
Die Schloßkirche von Krastowitz birgt außerdem zwei Kostbarkeiten, ein
"Gedenkbuch" mit den Namen der gefallenen Gottscheer beider Weltkriege und der
Todesopfer der Vertreibung und Flucht aus der Untersteiermark. Das Buch wurde
von Richard Lackner graphisch gestaltet. Im Turm aber hängt seit 1966 die kleine
Glocke der Franziskuskirche in der Nähe von Rieg im Hinterland.
Die "Gottscheer Landsmannschaft Klagenfurt" kaufte das Gelände um die
Schloßkirche im Ausmaß von 7600 Quadratmeter. Die Landeshauptstadt verlieh
diesem Treffpunkt durch Senatsbeschluß die Bezeichnung "Gottscheer
Gedächtnisstätte" und gab der dorthin führenden Straße den Namen "Gottscheer
Straße".
In Leoben, Steiermark, gründeten 1964 die Landsleute Fritz Högler, Alois Kresse,
Alois Krauland, Johann Schemitsch und andere den Verein "Gottscheer
Gedenkstätte", der den Zweck hatte, in Steiermark aus eigener Kraft einen
Erinnerungsbau an Gottschee zu errichten. So entstand nach eifrigem Sammeln von
Spenden, die besonders reichlich aus den USA flössen, in der Nähe der weithin
bekannten Wallfahrtskirche "Maria Trost" bei Graz ein moderner Kirchenbau,
welcher der Heimat Gottschee gewidmet ist. Auf Marmortafeln sind das
Gottscheerland sowie jene Landsleute verzeichnet, die durch die Wirren beider
Weltkriege umgekommen sind.
Am letzten Sonntag im Juli jeden Jahres finden sich die Vereinsmitglieder und
viele andere Landsleute in Maria Trost zum Gedenken an die Heimat und der
Verstorbenen ein. Der Samstag ist einem Festabend gewidmet und der Sonntag der
Totenmesse und der Wiedersehensfreude.
Mitten im Schwarzwald nahe der Ortschaft Aichelberg (Baden-Württemberg) steht
seit dem Sommer 1975 die dritte Gedenkstätte der Gottscheer in Europa. Es ist
dem Landsmann Richard Lipowitz aus Suchen nach mehrjährigen Bemühungen mit Hilfe
der Stadtgemeinde Bad Einöd und durch Spenden von Landsleuten gelungen, hier
eine Erinnerungsstätte an unsere verlorene Heimat Gottschee zu errichten. Dieser
Gottscheer Brunnen besteht aus einem riesigen Stein (es ist ein Findling mit
zwölf Tonnen), der mit dem Wappen der Stadt Gottschee geschmückt ist. Auf einem
weiteren Stein befindet sich eine Gedenktafel mit folgendem Inhalt:
"Dieser Brunnen wurde 1975 gebaut zur Erinnerung an die Sprachinsel Gottschee
in Krain-Jugoslawien. Um 1330 haben deutsche Waldbauern Gottschee gegründet.
1941 verloren die Gottscheer ihr Land durch die Umsiedlung der Volksgruppe. 1945
mußten sie das Ansiedlungsgebiet in der Untersteiermark verlassen und in vielen
Ländern eine neue Heimat suchen."
Ein liegender Stein (drei Tonnen) trägt die Brunnenschale. Am 17. Juli 1977
wurde unter Teilnahme von offiziellen Vertretern der Regierung in Bonn, der
Landesregierung in Stuttgart, der örtlichen Gemeindevertretung sowie des
Gottscheer Trachtenchors Klagenfurt und die Vertreter der Gottscheer
Organisationen in Deutschland und Österreich diese Gedenkstätte feierlich
eingeweiht. Sie dient nun dem Treffen der Gottscheer in Deutschland.
An allen Stätten landsmannschaftlicher Begegnungen, der Erinnerungen und
Gefühle, finden wir sie wieder, die leuchtenden Augen, die freudigen Zurufe, das
sinnende Lauschen, gelöstes Lachen und melancholisches Singen wie bei allen
Treffen von Gottscheern.
Die Feiern in Klagenfurt und Graz werden verschönt durch die "Sing- und
Trachtengruppe der Gottscheer Landsmannschaft in Klagenfurt". Sie entstand
bereits aus kleinen Anfängen 1952. Ins Leben gerufen wurde sie vom damaligen
Hauptschullehrer Bruno Jonke, später führte sie Frau Mitzi Verderber. Lange Zeit
wurde die Gruppe aber von Frau Schuldirektorin Amalia Erker, die selbst eine
Anzahl von Mundartliedern schuf, und später von Hans Brugger betreut. Die
Mundartliederwerden in den siebziger Jahren von Volksschuldirektor Walter J.
Siegmund aus Altbacher dirigiert, während die vom Chor gesungenen Kärntnerlieder
vom Kärntner Volksschuldirektor Stefan Slamanig betreut werden, dessen Gattin
die Gottscheerin Berta Tscherne ist. Slamanig hat auch mehrere Gedichte in
gottscheerischer Mundart vertont und durch den Chor zu Gehör gebracht.
Die Gruppe tritt bei allen wichtigen Veranstaltungen der Gottscheer
Landsmannschaften in Österreich und in der Bundesrepublik Deutschland auf. Dabei
erntet sie freudigen Beifall, bei den Gottscheern verständlicherweise aber
stürmischen Dank.
Gottscheer
Kulturwoche
In der Geschichte der Gottscheer waren wenig glückliche Ereignisse zu
verzeichnen. Die "Gottscheer Kulturwoche" scheint ein solches zu sein. Sie ist
in der Idee und Gestaltung das Werk eines einzelnen Mannes, des Oberschulrates
Hermann Petschauer aus Lichtenbach. Er gründete sie 1966 und leitet sie seither
ohne Unterbrechung. Sie bildet das geistige Forum, auf dem Forschungsergebnisse
über die ehemalige Sprachinsel Gottschee in wissenschaftlichen Vorträgen und
Lichtbildreihen sowie Lesungen dargestellt werden. Diese Veranstaltungen finden
im Vortragssaal der im Schloß Krastowitz untergebrachten "Bäuerlichen
Volkshochschule Dr. Arthur Lemisch" des Landes Kärnten statt. Das Schloß
Krastowitz wurde für ihre Zwecke stark erweitert. Diese Anstalt stellt den
Gottscheern die Unterrichts- und Unterkunftsräume Ende Juli bis Anfang August
für sieben hochgestimmte Tage zur Verfügung. Die Schloßkirche von Krastowitz,
die keine hundert Meter von der "Bäuerlichen Volkshochschule entfernt steht,
aber ist das Endziel der "Gottscheer Wallfahrt".
So nahe beieinander liegen die Stätten der Begegnung mit der Gottscheer
Geschichte und mit der letzten Gottscheer Generation. Ein Zufall? Ja und nein,
denn Hermann Petschauer erkannte als Teilnehmer der ersten Wallfahrten die
günstigen Voraussetzungen für die Abhaltung eines historischen Seminars, das ihm
schon länger vorschwebte. Als er dann bei der Landwirtschaftskammer von Kärnten
beantragte, auf Schloß Krastowitz während der Ferien einen Kurs für Gottscheer
Geschichte abhalten zu dürfen, fand er viel Verständnis und die Zustimmung. Ein
reiner Zufall aber ist es, daß der gegenwärtige Direktor der "Bäuerlichen
Volkshochschule Krastowitz , Dipl.-Ing. Dr. Kurt Erker, von Gottscheer Eltern
aus Mitterdorf abstammt Er selbst ist in Kärnten geboren, sein Vater war als
Regierungsrat bei der Landesregierung tatig. "
Zielstrebig hat Hermann Petschauer aus der Reihe der Wissenschaftler, denen
Gottschee zu einer Herzensangelegenheit geworden ist, sowie aus der Volksgruppe
selbst eine Anzahl von vortragenden Damen und Herren verpflichtet. Die Mundart
allgemeine und kulturelle Geschichte, die Volkskunde und das Erzählgut, aber
auch die Mundartdichtung der letzten Jahrzehnte, stehen bei ihren Vorträgen im
Mittelpunkt.
Die Mundart wurde vom Verfasser des "Wörterbuchs der Gottscheer Mundart", Dr.
Walter Tschinkel, und von Frau Univ.-Prof. Dr. Maria Hornung vertreten Sie wird
es künftig allein tun, weil Walter Tschinkel im Oktober 1975 allzu früh starb.
Die beiden Wissenschaftler arbeiteten unter der Ägide des kurz vor Tschinkel
verstorbenen Universitätsprofessors Dr. Eberhard Kranzmayer viele Jahre eng
zusammen, so daß Maria Hornung in der Lage war, dem dahingeschiedenen Gottscheer
Gelehrten einen letzten Freundschaftsdienst zu erweisen: An seiner Stelle las
sie die Schlußkorrekturen des zweiten Bandes seines Mundart-Wörterbuches.
Während Dr. Tschinkel die sprachgeschichtliche Substanz seiner Heimatsprache
betonte, beschäftigt sich die Wiener Univ.-Professorin überwiegend mit der
Bedeutung des Gottscheer Dialektes für die deutsche Sprachforschung überhaupt
und für die tirolerisch-kärntnerischen Mundarten im Herkunftsgebiet der
Gottscheer und stellt Vergleiche mit den Sprachinseln in Oberitalien an. Sie ist
überdies Gründerin und Leiterin eines Arbeitskreises, der sich mit der
Vertiefung der Kenntnisse über diese von Österreich her kolonisierten
Siedlungsgebiete befaßt.
Die Gottscheer Volkskunde ist bei Frau Dr. Maria Kundegraber, Kustos des
"Bäuerlichen Museums" in Stainz bei Graz, und bei dem emeritierten Wiener
Universitätsprofessor Dr. Richard Wolfram in den besten Händen. Maria
Kundegraber beschäftigt sich hauptsächlich mit den Gegenständen des täglichen
Hantierens im gesamten Lebensbereich des Bauern in der ehemaligen Sprachinsel,
Gegenständen, welche die Gottscheer daheim noch selbst hergestellt haben. Ferner
hat sie sich mit Lichtbildvorträgen der von der Zerstörung durch Mensch und
Natur verschonten Kirchenmalerei zugewandt. Außerdem ist sie den alten
Wallfahrtswegen der Gottscheerinnen und Gottscheer zu entlegenen und nahen
Gnadenorten nachgegangen.
Die Forscherin kam erst nach dem Zweiten Weltkrieg mit der ehemaligen
Sprachinsel in Berührung. Glücklicherweise gelang es ihr noch rechtzeitig, bei
Nichtumsiedlern zahlreiche volkskundlich interessante Gegenstände zu erfassen
und für das Wiener Volkskundemuseum sicherzustellen. Außer ihren Vorträgen auf
der "Gottscheer Kulturwoche" und anderen Orten veröffentlichte sie eine größere
Zahl von Aufsätzen zu ihren Spezialthemen, von denen hier einige genannt seien:
"Eine Reise nach Gottschee", "Donau- und Karpatenraum", Wien 1961.
"Die Wallfahrten der Gottscheer". österreichische Zeitschrift für Volkskunde 65
(1962)233-260.
"Bibliographie zur Gottscheer Volkskunde", Jahrbuch für ostdeutsche Volkskunde 7
(1962/63), 233-272.
"Gottscheer Ochsenjoche". Ein Kapitel aus der Gottscheer Gerätekunde. Jahrbuch
für ostdeutsche Volkskunde.
"Heutragen und Heuziehen in Gottschee", Jahrbuch für ostdeutsche Volkskunde.
"Das Schicksal der Gottscheer Volksliedsammlung" (1906-1912). Jahrbuch des
österreichischen Volksliedwerkes 13 (1964) 143-148.
"Zwei Andreas-Lieder aus Pöllandl in Gottschee". Jahrbuch des österreichischen
Volksliedwerkes 13 (1964) 131-133.
"Entstehung und Bedeutung der Gottschee-Sammlung des österreichischen Museums
für Volkskunde". Carinthia I 155 (1966) 799-834.
"Die Kosmas- und Damian-Wallfahrt nach Oberburg". In: Festschrift für Leopold
Kretzenbacher, München, 1972.
"Gottscheer Putscherlein und mittelalterliches Pilgerfäßchen". In: Festschrift
für Leopold Schmidt, Wien, 1972.
"Die Gottscheer Frauen-Festtracht - ein Relikt mittelalterlicher Mode". In:
Festschrift für Hanns Koren, Graz, 1966.
"Das Gottscheer Hemdkleid". In: Zs. für historische Waffen- und Kostümkunde 1971
(München).
"Die Frauenjoppe in Pöllandl, Gottschee". In: Slovenski etnograf, etwa 1970.
Der beste Kenner des Gottscheer Brauchtums ist zweifelsfrei
Universitätsprofessor Dr. Richard Wolfram. Seine tiefschürfenden Kenntnisse aus
diesem etwas vernachlässigt gewesenen Gebiet sind umso höher einzuschätzen, als
es der Kulturkommission beim deutschen Umsiedlungsbeauftragten in Laibach dank
einer italienischen Schikane nicht mehr möglich war, ihre volkskundliche
Forschungsarbeit rechtzeitig vor der Umsiedlung in Angriff zu nehmen. Nicht nur
für einen Gottscheer ist es fesselnd, Wolframs Schilderungen der
Brauchtumsgeschehnisse zur Weihnacht und beim Jahreswechsel, der Sommer- und der
Wintersonnenwende und des Osterfestes, wie bei Hochzeit und Taufe zu lauschen
und mitzuerleben, was an Hand tätigen Brauchtums in der Phantasie der Menschen
in der alten Sprachinsel vor sich ging. Vieles davon ist von der Ansiedlung her
noch überliefert und heidnischen Ursprungs, manches hat sich nur in Gottschee
erhalten und wenig wurde von der slawischen Umgebung übernommen. - Prof. Wolfram
begann seine Forschungsarbeit noch in dem bewohnten Gottscheerland und brachte
sie in den Flüchtlingslagern zu Ende. Bisher veröffentlichte er sechs längere
Aufsätze über das Brauchtum der Gottscheer in dem "Jahrbuch für ostdeutsche
Volkskunde", N. G. Elwert-Verlag, Marburg. Er beabsichtigt, sie in einem Band
zusammenzufassen.
Mehrere Vorträge steuerte der Verfasser zur "Gottscheer Kulturwoche" bei. Er
behandelte unter anderem die Entstehungsgeschichte der ehemaligen Sprachinsel,
die Genealogie der Häuser Ortenburg und Auersperg sowie die Sagen und Märchen
der Gottscheer.
Daß die Gottscheer Mundart auch für die reine, insbesondere lyrische Poesie
verwendbar ist, legte Richard Lackner in mehreren Lesungen zahlreicher Gedichte
aus jüngster Zeit dar. Er selbst erwies sich dabei als stilsicherer und begabter
Poet, der ein feines Gespür dafür besitzt, was man der Gottscheer Mundart als
dichterisches Ausdrucksmittel zumuten kann und was nicht. Einige ähnliche
Begabungen brachte die letzte Gottscheer Generation hervor. Lackner rezitierte
beispielsweise aus dem Sammelbändchen "Spätherbst" (Dar schpuata
Herbischt), worin außer ihm Bernhard Hönigmann, Ludwig Kren, Hilde Otterstädt
geb. Erker und Karl Schemitsch zu Worte kommen.
Ein Tag der Kulturwoche gehört einer Art Pilgerfahrt. "Pilgerfahrt" deshalb,
weil die Reise von Klagenfurt nach Spittal eine gleichnishafte Heimkehr in das
Herkunftsgebiet der Urahnen darstellt. Ihr eigentliches Ziel ist der bauliche
Mittelpunkt der Draustadt, Schloß Porcia, das Gabriel Salamanca um 1527 erbauen
ließ. Der vielbewunderte Renaissance-Bau steht aus Gründen, die hier nicht zu
erörtern sind, mit dem Namen Ortenburg in Verbindung.
Wiewohl das Schicksal die Gottscheer und ihr "Ländchen" mit viel Unglück
überschüttete, gönnte es ihnen gleichsam einige mildernde Umstände. Nicht so,
als ob die Geschichte über sie zu Gericht gesessen und ihnen ein paar
Erleichterungen zugestanden hätte - sie hat ihnen vielmehr einige Sternstunden
gegönnt, damit ihr Los nicht ganz und gar unerträglich würde. Bis zum Jahre 1918
waren es eigentlich nur vier, sie waren jedoch für den Fortbestand des
Gottscheerlandes von ausschlaggebender Bedeutung:
Das Waldgesetz des letzten Ortenburger Grafen Friedrich III. aus dem Jahre 1406
griff nicht weniger tief in die Grundlagen des Bestehens der Sprachinsel ein,
als der Kauf der Grafschaft Gottschees durch den Grafen Wolf Engelbrecht von
Auersperg 1641 oder die Erhebung der Grafschaft zum Fidei-Kommiß durch den
Fürsten Johann Weikhart von Auersperg, dessen überaus erfolgreiches, dennoch
unglückliches Leben 1677 zu Ende ging. Den wissenschaftlichen Meilenstein auf
dem Wege zu einer Gottschee-Kunde aber setzte Adolf Hauffen 1895 mit der
Herausgabe seines Werkes "Die deutsche Sprachinsel Gottschee". - Nach 1918
blieben den Gottscheern weitere geschichtliche Lichtpunkte versagt, es sei denn,
man bezeichnet die Sechshundertjahrfeier als solchen. Das Völkchen aus dem Karst
und sein "Ländchen" schienen für immer in die Geschichtslosigkeit zurückgeworfen
zu sein, gleichsam nicht mehr teilnahmeberechtigt am Völkerleben, gewogen und zu
leicht befunden. Das erste Signal, daß es trotzdem noch lebt, gab 1946 die
Gründung des "Gottschee-Hilfswerks" in New York. Und daß es nicht daran dachte,
seine Traditionen und Erinnerungen aufzugeben, beweisen drei Stationen, die fast
wie Informationsstände auf dem Weg in die absehbar kurze Zukunft des Gottscheer
Völkchens wirken: Die Idee der "Kulturwoche", das "Wörterbuch der Gottscheer
Mundart" und - die "Gottschee-Schau" im Schloß Porcia.
Die "Gottschee-Schau" verdankt ihr Entstehen dem Gründer und Kustos des
"Bezirksheimatmuseums für Oberkärnten", Prof. Helmut Prasch. Wie fast alle
Kenner und Förderer des Gottscheertums, gehört auch er dem Lehrstande an. Die
Symbolkraft des Vorhandenseins der "Gottschee-Schau" in Spittal an der Drau im
Oberkärntner Heimatmuseum und im Schloß Porcia bedarf keiner weiteren
Sinndeutung, sie liegt auf der Hand. Ergänzend sei jedoch soviel gesagt, daß
diese ständige Gottschee-Ausstellung in der bestehenden Form kaum oder gar
besser anderswo entstanden wäre, hätte nicht auch hier der Zufall mitgewirkt.
Helmut Prasch und Walter Tschinkel waren vor dem Zweiten Weltkrieg im Bezirk St.
Veit an der Glan Lehrer an zwei benachbarten Volksschulen. Prasch hatte das
Gottscheerland bereits lange vor der Umsiedlung kennengelernt. Sein Wissen über
die Abstammung, Geschichte und Kultur der Gottscheer vertiefte sich in
zahlreichen Gesprächen mit Tschinkel soweit, daß er nach der Einrichtung des
Bezirksheimatmuseums beschloß diesem eine Gottschee-Abteilung anzugliedern. Sie
sollte das 1921 von Pfarrer Josef Eppich gegründete Heimatmuseum in Gottschee,
aber auch den sechshundertjährigen Lebenskreis Kärnten und Osttirol - Gottschee
- Kärnten sichtbar machen und schließen.
Breitet die "Kulturwoche" im Vortragssaal des Schlosses Krastowitz die geistige
Schau der sechshundertjährigen Geschichte der Gottscheer aus, so betrachtet der
Besucher der "Gottschee-Schau" im Schloß Porcia viel Gegenständliches, das den
alten Bauern im "Ländchen" täglich umgab und das, von modernem Zeug verdrängt in
irgendeinem Winkel auf dem Dachboden neuerlicher Betrachtung
entgegenschlummerte. Vom einfachsten Haushaltsgerät bis zur Tracht, vom "Pütschale"
bis zum Ochsenjoch von der ersten Nummer des "Gottscheer Boten" bis zum
Wörterbuch Walter Tschinkels ist vieles von dem ausgelegt, was Umsiedlung und
Flucht überstanden hat. Allmählich schließen sich die in der damaligen Hast
entstandenen Lücken. Dann und wann bringt die neue "Gottscheer Zeitung" Listen
mit weiteren Schaustükken, unter denen sich wiederholt Schenkungen des Prinzen
Carl von Auersperg befinden. Prinz Carl, der letzte Sohn des letzten Herzogs von
Gottschee, Fürst Carl von Auersperg, lebt auf Schloß Wald bei St. Pölten, wo
immer wieder Gottscheer zu einem Gedankenaustausch einkehren. Der derzeitige
nominelle Träger des Herzogtitels von Gottschee, Carl Adolf, lebt in Uruguay,
Südamerika.
Die "Kulturwoche" und die "Wallfahrt" finden bei Presse, Funk und Fernsehen in
Kärnten ein lebhaftes Echo. Offizielle Vertreter des Landtags, der
Landesregierung und des Senats sowie der Bürgermeister der Landeshauptstadt
Klagenfurt nehmen an der Eröffnung der "Kulturwoche", die durch den Vorsitzenden
der Arbeitsgemeinschaft der Gottscheer Landsmannschaften, Dr. Viktor Michitsch,
vorgenommen wird und an dem Empfangsabend vor dem Wallfahrtssonntag teil.
Der frühere Bürgermeister, Hofrat Dr. Hans Ausserwinkler, ging noch einen
Schritt weiter. Er besuchte im Jahre 1973, begleitet von Dr. Michitsch und Dr.
Herbert Krauland, dem Schriftführer der "Arbeitsgemeinschaft der Gottscheer
Landsmannschaften", das frühere Siedlungsgebiet der Gottscheer. Das gleiche tat
- das sei hier vorweggenommen - der langjährige Oberbürgermeister der
württembergischen Industriestadt Sindelfingen, Arthur Gruber. In seiner
Begleitung befanden sich außer den beiden genannten Herren Hermann Petschauer
und für die "Gottscheer Zeitung" Viktor Stolzer. Oberbürgermeister Gruber wurde
auf der Hinfahrt in Laibach (Ljubljana) samt seiner Begleitung vom dortigen
Bürgermeister und von Regierungsmitgliedern der Teilrepublik Slowenien zu einem
Freundschaftsbesuch empfangen.
Während der Amtszeit Arthur Grubers wurde Sindelfingen im übrigen zur Patenstadt
der Deutschen aus Jugoslawien erklärt. Hier entstand mit großzügiger
Unterstützung der Stadt das "Haus der Donauschwaben", das in Erinnerung an die
ehemalige Schicksalsgemeinschaft in Jugoslawien auch den Gottscheern jederzeit
offensteht. In seinem kultivierten Rahmen machten sie beispielsweise im April
1974 eine größere Öffentlichkeit mit dem "Wörterbuch der Gottscheer Mundart"
bekannt, wie dies auch in Wien und Klagenfurt vorher geschehen war. Die
Festansprache hielt jeweils sein Verfasser, Dr. Walter Tschinkel.
Der Gottscheer
Waldbauer wird zum Städter
Alle Gottscheer der letzten Generation entstammen, mit geringen Ausnahmen, durch
Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern, einem Bauernhaus. Und jeder aus ihrer
Mitte lebt nun in einer Stadt. Ein oberflächlicher Beobachter mag in dieser
soziologischen Verhaltensweise, nämlich der totalen Landflucht, nach der
Umsiedlung und der Abkehr vom Hausierwesen bei den sogenannten Umsiedlern von
1941 eine negative Auslese und sozusagen den biologischen Bodensatz der
sechshundert Jahre Gottscheer Geschichte sehen wollen. Wer so denkt, ist nicht
bis ans Ende des Gottschee-Problems vorgestoßen. Es ist doch nicht so, daß es in
deutschen Landen und im übrigen Europa keine Landsleute gegeben hätte. Er mag
auch von Entwurzelung reden. Doch Entwurzelung und Entwurzelung kann zweierlei
sein. Die Vertreibung bäuerlicher Menschen von Haus und Hof bedeutet nicht,
jedenfalls nicht bei den Gottscheern, zwangsläufig den Verlust der das Leben
bestimmenden moralischen, sittlichen und geistigen Werte. Ebensowenig wie
Gottscheer in den Slums von New York, Cleveland und Chicago verkamen, darf man
den Umsiedlern des Jahres 1941 entgegenhalten, sie seien von vornherein
entwurzelt gewesen, weil sie nicht einmal den Versuch unternahmen, wieder in der
Landwirtschaft Fuß zu fassen. Wo hätten sie das auch tun sollen? Die Rückkehr in
die alte Heimat, wie dies den vertriebenen Slowenen in der Untersteiermark
gegönnt wurde, war ausgeschlossen. Ihnen blieb keine Wahl, als aus den Lagern
weiter zu wandern, und wenn sie Glück hatten, war der Weg zum nächsten
Verwandten oder Freund nicht weit. So wie die Landsleute drüben, jenseits des
Ozeans, bewiesen die Umsiedler in Österreich und Deutschland, daß sie Halt und
Haltung besaßen und vor keiner zumutbaren Aufgabe kapitulierten.
Man trifft die unternehmungsfreudigen Söhne und Töchter der letzten "Besitzer"
in Gottschee als kleine und mittlere Unternehmer, Handwerker, Inhaber von
Dienstleistungsbetrieben, Geschäften und Restaurants, man findet sie in
geistigen Berufen, als Juristen, Ärzte und Beamte, vor allem aber als Lehrer und
Lehrerinnen. Der verhältnismäßig hohe Prozentsatz an geistig Berufstätigen ist
weiter nicht erstaunlich, denn das alpenländische Österreich war ja, besonders
seit der Gründung des Gymnasiums in Gottschee, für die überschüssige Gottscheer
Intelligenz einschließlich der gehobenen Handwerksberufe das natürliche
Ausweichfeld. Auch hier ist noch das Lebensgesetz von der Enge des Raumes zu
spüren.
Mancher Nicht-Gottscheer unter den Lesern wundert sich vermutlich über die große
Zahl an Familiennamen in diesem Buch, die er mit dem anderen Lesestoff
mitschleppen muß. Wenn er jedoch bedenkt, daß es vor allem in die Hände der
Gottscheer geschrieben ist, begreift er plöztlich ihre starke menschliche
Aussage und geschichtliche Erinnerungskraft.
War es bisher schon nicht einfach, die in der Gottscheer Öffentlichkeitsarbeit
stehenden bzw. in der Pflege des Heimatgedankens tätig gewesenen Männer und
Frauen auszuwählen, so ist es nun doppelt schwer, jene Gottscheer
herauszustellen, die im allgemeinen Berufsleben und als Menschen hervorragende
Leistungen erbracht haben. Eine Sonderleistung für das gesamte Gottscheertum
oder eine hervorragende Einzelleistung außerhalb des "Ländchens" waren für die
Hereinnahme von Namen in den Bericht maßgebend. Begreiflicherweise war auch eine
zeitliche Abgrenzung nach rückwärts erforderlich. Der Zeitraum, der mit der
Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert begann, erhielt den Vorzug. Mit weiter
zurückliegenden Lebensläufen verbinden die noch lebenden Gottscheer in den
wenigsten Fällen eine Vorstellung. Zu den herausragenden Gesamtleistungen einer
Familie des Gottscheerlandes gehört vor allem jene des Oberlehrers Franz Höfler,
der durch lange Jahre die Volksschule in Stalzern leitete. Aus seiner Ehe mit
der aus Rieg stammenden Maria Ostermann gingen elf Kinder hervor, die alle eine
höhere Schulbildung genossen. Drei Söhne wurden Ärzte, der vierte Sohn Lehrer,
vier Töchter Lehrerinnen, zwei übten ebenfalls geistige Berufe aus und eine
Tochter starb als Lehramtskandidatin. Die bedeutendste Lebensleistung erzielte
der älteste Sohn Dr. Franz Högler in Wien als Universitätsprofessor der Internen
Medizin und Verfasser von rund 20 Büchern und Schriften auf seinem Fachgebiet,
darunter ein grundlegendes Werk über den Diabetes. Er wurde oft von
hochgestellten Persönlichkeiten des In- und Auslandes zu ärztlichen
Konsultationen gebeten.
Prof. Högler fühlte sich lebenslang als Gottscheer und pflegte hilfesuchende
Landsleute kostenlos zu behandeln.
Unvollendet blieb das Leben eines Sprachgenies aus Lichtenbach: Dozent Dr. Josef
Stalzer, geboren 1880, gefallen 1914 in Galizien. Stalzer beherrschte 15
Sprachen, darunter das Aramäische. -
Selbst nicht mehr in Gottschee geboren, doch eindeutig gottscheerischer
Abstammung, ist der weltbekannt gewordene Prof. Dr. Hermann Knaus (geboren 1892,
gestorben 1971), der gemeinsam mit dem japanischen Gynäkologen Ogino die
Gesetzmäßigkeit des weiblichen Fruchtbarkeitszyklus entdeckte. Seine Vorfahren
waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus dem Suchener Hochtal (Merleinsraut)
nach Sankt Veit an der Glan in Kärnten ausgewandert, wo der Forscher zur Welt
kam.
Ebenfalls internationalen Ruf erwarb ein weiterer Forscher aus dem
Gottscheerland, Dr. med. vet. Hans Ganslmayer aus Inlauf. Dort entwickelte er
für die Tiermedizin das "Antiseptom", das nach dem Tode seines Erfinders unter
anderem Namen auch in die Humanmedizin Eingang fand. Dr. Ganslmayer wirkte an
hervorragenden Stellen am Aufbau des Veterinärwesens in der Türkei. - Sein
Bruder, Dr. med. vet. Rudolf Ganslmayer, Hofrat, stieg nach einer ungewöhnlich
erfolgreichen Berufslaufbahn zum Landesveterinär der Steiermark auf.
Zweier Ärzte sei noch gedacht: Obermedizinalrat Dr. Karl Rom aus Oberdeutschau
(1902-1963) machte sich durch den Aufbau der kassenärztlichen Organisation im
Bundesland Niederösterreich einen Namen. Karl Rom, der seine
ärztliche Laufbahn in Ferlach im Rosental begonnen hatte, ist auch als Verfasser
des historischen Romans "Rebellion in der Gottschee" bekannt geworden.
Medizinalrat Dr. Josef Krauland aus Gschwend (geboren 1897, gestorben 1973)
ordinierte bis zur Umsiedlung in Gottschee/Stadt und baute sich nach der
Vertreibung in Villach eine neue Existenz in einem zahntechnischen Labor auf.
Mit bemerkenswerter persönlicher Hingabe führte er seit ihrer Gründung im Jahre
1960 das Amt des Schriftführers der "Arbeitsgemeinschaft der Gottscheer
Landsmannschaften" aus. Zu seinem Nachfolger in diesem Ehrenamt wurde der
Finanzrat, Dr. Herbert Krauland, geboren in Klagenfurt, ernannt. Sein Vater war
der Landesfinanzinspektor, Hofrat Dr. Josef Krauland aus Koflern, geboren 1894,
gestorben 1960 in Klagenfurt.
Als großer und anerkannter Künstler, Maler und Holzschneider, ist Suitbert
Lobisser in Kärnten und darüber hinaus bekannt. Seine Holzschnitte und Fresken
finden noch heute Bewunderung. Der Vater Lobissers war Lehrer an mehreren
Dienstorten in Kärnten, war in Mitterdorf bei Gottschee geboren und erkannte
frühzeitig die zeichnerische Begabung seines Sohnes. Der Künstler hielt sich oft
im Gottscheerland auf, war doch seine Schwester mit dem tüchtigen
Tischlermeister Meditz in Nesseltal verheiratet und der Geistl. Rat, Pfarrer
August Schauer sein bester Freund.
In den zwanziger- und dreißiger Jahren hatte die Stadt Baden bei Wien einen
Bürgermeister, dem die Badener heute noch für seine Leistungen dankbar sind. Sie
haben dem Gottscheer aus Grafenfeld, Josef Kollmann, ein Denkmal gesetzt, ebenso
wie die Weinbauern der Umgebung für seinen wertvollen Rat. Unter dem
Bundeskanzler Schober war Kollmann auch österreichischer Finanzminister.
Wie bereits ausgeführt war die Gottscheer Lehrerschaft insbesondere in Kärnten
und Steiermark, aber auch in Niederösterreich, zahlreich vertreten. Allein in
Kärnten wären ab 1919/20 wenigstens 60 Namen von Lehrern und Lehrerinnen zu
nennen. Eine beachtenswert große Zahl von ihnen erreichte die Stellung eines
Volksschul- und Hauptschuldirektors, dem in der Republik Österreich bei
besonderer Leistung vom Bundespräsidenten der Titel "Oberschulrat" verliehen
wird. Zwei, Dr. Walter Tschinkel und Hermann Petschauer, traten auf dem Felde
der Mundartforschung bzw. dem kulturell-organisatorischen Gebiet besonders
hervor.
Auf dem erzieherischen Sektor des Landes Kärnten erwarb sich die Gottscheerin
Mater Alfonsa am Ursulinenkloster zu Klagenfurt außergewöhnliches Ansehen. Sie
war von 1918 bis 1938 Direktor der Lehrerinnen-Bildungsanstalt, der Hauptschule
(früher Bürgerschule), und der Volksschule des Klosters. Sie genoß auch
außerhalb ihrer Wirkungsstätte großes Vertrauen als Helferin bedrängter
Menschen. Sie trug, vermutlich als einzige Gottscheerin, den Titel
"Regierungsrat". Geboren wurde sie unter dem bürgerlichen Namen Josefa Samide in
Koflern 1878 und starb 1968 hochbetagt in Klagenfurt.
Gottscheer
Fluggäste
Wir begleiten die Flugwanderer zwischen den beiden so ungleichen Hälften des
Gottscheer Völkchens in seinem österreichischen und deutschen Exil weiter und
sehen mit ihren Augen auch noch einen anderen Tatbestand: Verständlicherweise
haben die älteren Umsiedler nicht in dem Maße an dem ausklingenden
Wirtschaftswunder ihrer neuen Heimatländer Anteil wie die Geburtenjahrgänge, die
in unserer Gegenwart voll in der Verantwortung stehen, einmal in den ihnen
zugefallenen, beruflichen Aufgaben und zum anderen als Ehepartner für das
gedeihliche Fortkommen der Familie. Doch auch für sie, die Alten, ist durch
Renten und Pensionen, öffentliche Wohnungsbeschaffung und private Initiativen
auf diesem Sektor gesorgt worden. Und sie erfahren, daß um die Weihnachtszeit
vom "Gottscheer-Hilfswerk" in Amerika Spenden eintreffen und dorthin gelangen,
wo sie als Hilfe angebracht sind.
Jeder, aber auch wirklich jeder der "Amerikaner" steht in seinen Gedanken vor
einem anderen Reiseziel. Nicht Paris oder Rom, Rothenburg ob der Tauber und
Salzburg oder die Romantische Straße, obwohl auch sehr viele von ihnen ihre
Schritte zu diesen Zentren des internationalen Tourismus lenken, das heimliche
Reiseziel aller ist vielmehr das Gottscheer-Land bzw. das, was davon
übriggeblieben ist. Doch nur ein Teil trifft dort ein. Die anderen zögern, den
endgültigen Entschluß zur Fahrt nach Gottschee zu verwirklichen. Sie wollen den
goldenen Erinnerungsschatz an das "Ländchen" als Ganzes, das Dorf, ihr
Elternhaus, die Nachbarn so bewahren, wie sie ihn daheim jung und emsig
aufgehäuft haben. Jene aber, die die Reise in das südliche Slowenien antreten,
obwohl sie aus der Zeitung, aus Briefen und Erzählungen wissen, was sie
erwartet, nähern sich von Reifnitz her bange und erfüllt von einem Gemisch aus
Trauer, doch auch Neugier, der Stadt. Schon nach dem Überschreiten der früheren
Sprachinsel-Grenze stellen sie fest: Der Wald erobert sich das "Ländchen"
zurück. Die Stadt hat sich sehr stark verändert und bietet nur noch wenige der
früher so vertrauten An- und Ausblicke. Die Doppeltürme der Stadtpfarrkirche
beherrschen nicht mehr allein weithin das Landschaftsbild und die Stadt, sondern
es sind mehrere Betonwohntürme dazugekommen. Sie könnten ebensogut am Rande
einer westeuropäischen Kleinstadt stehen, zweckmäßig, modern, doch geschmacklos.
Dafür vermißt der Besucher auf seiner kurzen Wanderschaft durch die
Vergangenheit das Schloß der Grafen von Auersperg. Ihm ist zumute, als begegne
er einem Denkmal, dem man den Kopf vom Rumpf geschlagen hat. Ein weiteres Stück
Vergangenheit wurde beseitigt. Die Stichbahn Laibach-Gottschee, 1893 eröffnet,
wurde wegen Unrentabilität aufgelassen. Der Personenverkehr wird auf der
modernen, ausgebauten Staatsstraße mit Omnibussen, der Warenverkehr mit
Lastwagen abgewickelt. Die beiden noch aus der Ansiedlungszeit stammenden
Straßenzüge Gottschee-Obermösel-Graflinden-Unterdeutschau und
Gottschee-Hohenegg-Nesseltal-Unterdeutschau dienen nur noch der Holzbringung.
Neu gebaut wurden eine hauptsächlich für den Reise- und Lastenverkehr bestimmte
Straße von Gottschee/Stadt in südlicher Richtung nach Fiume (Rijeka), womit der
alte Traum von der direkten Verbindung an die Adria in Erfüllung ging, und eine
Waldstraße von Gottschee/Stadt in südöstlicher Richtung über den südlichen
Ausläufer des Kummerdorfer Berges bis Brunnsee. Das Hinterland ist den Besuchern
der früheren Sprachinsel Gottschee nach wie vor verschlossen. Die eigentlichen
Gründe für diese Regierungsmaßnahme sind nicht erkennbar. Gleich nach dem Krieg
ging das Gerücht, im Raum Göttenitz befänden sich Konzentrationslager. Später
behauptete sich hartnäckig die Mär, in der Nähe von Göttenitz seien in
achthundert Meter Tiefe Uranlagerstätten gefunden worden, zu denen jedermann der
Zutritt verweigert wird. Ebenso sind die Gebiete von Verdreng-Hornberg und seit
1977 auch von Lichtenbach gesperrt.
Man könnte die im "Ländchen" geborenen Gottschee-Fahrer sicher auch als eine Art
Heimkehrer bezeichnen, das wäre aber sehr symbolisch, denn das ursprünglich
Gegenständliche der Heimat existiert nur noch in der Erinnerung. Lediglich die
alten Besiedlungspunkte - wir haben sie wiederholt aufgezählt - und einige
größere Siedlungen haben die Kampfhandlungen zwischen den Partisanen und der
italienischen Besatzungstruppe einigermaßen heil überstanden. Die kleineren
Dörfer abseits der aufgeführten Verkehrswege sind verschwunden. Die "Heimkehr"
sieht in den meisten Fällen so aus: Hat man sich durch eine Wildnis
durchgeschlagen und die ungefähre frühere Lage seines Geburtsortes ausgemacht,
steht man fassungslos vor nur noch sehr kleinen Hügeln, überwuchert von
Brennesseln, Unkraut, Gestrüpp, mächtigen Stauden, fünfundreißig-, dreißig- und
zehnjährigen Bäumen, die Hügel-Gräber früherer Bauernhöfe, ehemaliger
Elternhäuser. Einige Augenblicke lang schwebt einem plötzlich das Dorf vor, wie
es war, die Häuser, die Scheunen, die Obstbäume, der Dorfweiher - doch das Bild
ist seltsam leblos, wie eine gemalte Bühnenlandschaft. Die Menschen fehlen darin
.. . "Gehen wir?"
Die meisten Kirchen sind Ruinen, die Bergkirchen verfallen. Aus manchem Ort
verschwanden die Kirchenmauern und Grabsteine in Kalkbrennöfen. Nur wenige
Gotteshäuser überstanden das Chaos, so jene in Mitterdorf und die
Stadtpfarrkirche. Darin erinnert ein deutschsprachiges Bibelwort um den
Hochaltar heute noch an ihre Erbauer, und die Betbank der Familie Auersperg an
der Spitze der linken Bankreihe des Kirchenschiffes ist erhalten geblieben.
In geringer Zahl treffen die Besucher ihrer alten Heimat auch auf ehemalige,
slowenische Dorfgenossen. Diese wissen ebensogut wie die älteren Slowenen in der
Berührungszone zwischen dem gottscheerisch-deutschen und dem slowenischen
Siedlungsgebiet, daß mit den vertriebenen Gottscheern bis in die Krisenjahre vor
der Umsiedlung ein gutes Auskommen war. Die Treffen zwischen alten Gottscheern
und alten Slowenen verlaufen wie bei guten Bekannten, die sich lange nicht
gesehen haben. Fünfunddreißig Jahre danach, ein Beispiel für mehrere: Der in
München lebende, aus Nesselthal stammende Schreinermeister Ernst Stalzer
berichtete dem Autor von einer solchen Begegnung.
Nach längerem Fragen hin und her in der Gottscheer Mundart, sagte der Slowene
unvermittelt:
"Bei sheit'r gagean?"
(Warum seid Ihr gegangen?)
Alle Gottscheer bedauern, daß das slowenische Volk von 1941 bis 1945 seitens des
kriegführenden deutschen Reiches schwer zu leiden hatte. Die Gottscheer hatten
daran keinen Anteil. Die Zeit vermochte manches zu heilen. Auch in Slowenien
wurden inzwischen dreißig und mehr Jahrgänge geboren. Auch bei der politischen,
das heißt staatlichen Führung der Slowenen ist eine Wandlung gegenüber den
Gottscheern eingetreten. Sie dürfen das frühere Gottscheerland ohne
Schwierigkeiten betreten und sich darin mit Ausnahme des Hinterlandes und der
bereits vorher erwähnten Sperrgebiete frei bewegen. Die Abschirmung dieser
Landschaften gilt für alle Fremden. Die Toleranz gegenüber den Gottscheern aber
sieht die Regierung in jedem Sommer neu gerechtfertigt, denn sie bringen keine
Unruhe ins Land und sie verhalten sich so, wie es ihnen die eigene Erkenntnis
erlaubt: Das Gottscheer-Land ist keine politische Frage mehr.
Wenn daher die letzte, auf seinem Boden geborene Generation außerhalb
Jugoslawiens und unpolitisch ihr kulturelles Erbe pflegt und historisch getreu
zu bewahren trachtet, so geschieht dies aus den gleichen Beweggründen, wie auch
andere Völker und Volksgruppen ihr überliefertes Kulturgut zu erhalten suchen.
Das slowenische Volk selbst ist dafür ein beredtes Beispiel. Und wenn dieses
Bericht geschrieben wurde, so unter anderem deshalb, damit in der Diskussion
über die Geschichte des "Ländchens" auch die Stimme eines Gottscheers für alle
seine Landsleute zu Worte kommt und von der menschlich-tragischen
Zwangsläufigkeit des Untergangs seiner Heimat kündet.
Wir wissen, daß für das Völkchen im Karst diese Heimat unwiederbringlich
verloren ist. Um so mehr interessiert uns schließlich noch, ob und wieweit die
Gottscheer in der Republik Österreich und in der Bundesrepublik Deutschland in
die staatliche Vermögensentschädigung einbezogen wurden. Erst nach hartem Ringen
mit verständlicherweise auf Sparsamkeit bedachten Behörden gelang in der
Bundesrepublik die vollständige und in der Republik Österreich die teilweise
Einordnung der Gottscheer Flüchtlinge und anderer Entschädigungsberechtigter in
die betreffende Gesetzgebung. In der Bundesrepublik gelang es den Gottscheern
nach dem Lastenausgleichsgesetz, in den USA, Kanada und Südamerika aber nach dem
Reparationsschädengesetz, eine Vermögensentschädigung zu erhalten.
In der Republik Österreich sah der Gesetzgeber davon ab, für die Berechnung und
Auszahlung von Kriegsfolgeentschädigung einen eigenen juristischen Komplex zu
schaffen. Vielmehr wurde er in das bereits vorhandene Paket der
Sozialgesetzgebung eingebaut. Gemessen an den Entschädigungen, die in der
Bundesrepublik Deutschland vergütet wurden, kamen die Flüchtlinge in Österreich
vergleichsweise sehr schlecht weg. Trotz aller Bemühungen der Gottscheer
Landsmannschaften und des Verbandes der Volksdeutschen Landsmannschaften in
Österreich, in die sich der "Südostdeutsche Rat" tatkräftig einschaltete, war
nicht mehr als eine Entschädigung für die Haushaltseinrichtung und für die
Gegenstände der Berufsausübung durchzusetzen. Die österreichische
Bundesregierung vermochte mit Hilfe eines durchaus tragfähigen Arguments die
Entschädigungsansprüche aus land-und forstwirtschaftlichem Besitz abzulehnen:
Österreich war ja nicht kriegführender Staat gewesen und hatte durch die
Kriegführung auf seinem Territorium außerdem selbst sehr erhebliche Schäden
erlitten.
In der Bundesrepublik wurde auch der Verlust von Betriebsvermögen in den Sparten
Handel, Handwerk und Gewerbe zu einem gesetzlich festgelegten Teil entschädigt.
Selbstverständlich unterlagen die Gottscheer, wie der gesamte in Frage kommende
Personenkreis, dem unumgänglichen, wenn auch umständlichen Prüfungsverfahren,
das mit einer Antragstellung begann. Sie verfügten dabei im Verhältnis zu den
Flüchtlingen aus den deutschen Ostgebieten über den Vorteil, daß ihr in der
alten Sprachinsel zurückgelassenes Besitztum aus zwei Gründen überschaubar
geblieben war: Einmal wegen der verhältnismäßig geringen Ausdehnung des
fraglichen Gebietes und zum anderen, weil die Gottscheer Schätzleute, bzw.
Gutachter, für alle erdenklichen Fragen noch verfügbar waren. Sie wurden
entsprechend den 1933 in der Sprachinsel geschaffenen Großgemeinden zu
Arbeitsgruppen zusammengefaßt, also Altlag, Gottschee-Stadt und -Land (in der
Bewertung wurden die beiden Großgemeinden Gottschee als Einheit behandelt), Rieg,
Obermösel, Nesselthal, Tschermoschnitz (Bestandteil des Bezirks Rudolfswerth),
Großgemeinde Tschernembl-Land (dazu gehörten die Gemeinde Stockendorf und das
Weinbaugebiet von Meierle und Umgebung), und die Großgemeinde Cabar, zu der das
Suchener Hochtal zählte. In unzähligen Sitzungen rekonstruierten die Schätzer
den früheren Besitzstand der Antragsteller. Die Namen dieser verdienten Männer
jedoch durften und dürfen nicht bekanntgegeben werden. - Eine gewiß kluge
Maßnahme.
Ein Name muß jedoch in diesem Zusammenhang herausgegriffen werden:
Regierungsamtmann Ferdinand Wittine. Wir haben diesen Namen bereits in der
Bundesrepublik kennengelernt. Auf ungewöhnlich weiten Umwegen führte ihn das
Schicksal an diesen Arbeitsplatz heran, von dem aus er seinen Landsleuten am
meisten nützen konnte. Ferdinand Wittine wurde 1906 in Rieg geboren. Mit seiner
Ausbildung geriet er in das Ende der äußerst schwierigen Nachfolgezeit des
Ersten Weltkrieges. Lassen wir ihn selbst sprechen:
"Im September 1918 trat ich in das achtklassige Gymnasium in Gottschee ein. Der
Krieg war kaum zu Ende, da wurde das Obergymnasium (ab der 5. Klasse) aufgelöst,
die 1. Klasse aber nur mehr slowenisch geführt. Ich hatte damit das Glück, die
letzte deutsch geführte Klasse besuchen zu dürfen. Nach Abschluß der 4. Klasse
kam ich ins Staats-Obergymnasium nach Laibach. Hier konnte ein Gottscheer in
jener Zeit nur unter größten Schwierigkeiten bestehen." - Ferdl Wittine war dann
durch Jahre Amtsleiter der Großgemeinde Rieg. Damit blieb er mit seinen
Landsleuten in ständigem Kontakt und konnte dadurch manchen staatlichen
Übergriff mildern.
Während und nach dem Krieg war er in mehreren Berufen tätig - wie andere
Landsleute auch - und landete nach großen Umwegen 1954 als Sachbearbeiter beim
Ministerium für Flüchtlinge und Vertriebene in Stuttgart. Hier konnte er durch
zwölf Jahre in der Vermögensfrage der Gottscheer helfend eingreifen. Die Hebung
der Hektarsätze an die Wirklichkeit in der verlorenen Heimat war sein besonderes
Verdienst. Er verstand es, sich gegen die Unwissenheit in seiner Umgebung
durchzusetzen.
Ferdinand Wittine war, wie bereits erwähnt, Mitbegründer der Gottscheer
Landsmannschaft in Deutschland und deren eifriger, langjähriger Vorsitzender.
Für seine Verdienste wurde er zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Auch ist er
Ehrenmitglied der Gottscheer Landsmannschaft in Klagenfurt. Vom deutschen
Bundespräsidenten wurde ihm für seine Leistungen das Bundesverdienstkreuz
verliehen.
Die Vermögensrückerstattung an die Gottscheer ist - soweit sie überhaupt
beantragt wurde - im großen und ganzen abgeschlossen. Schwierigere Einzelfälle
hinken bei der Abfassung des Berichts immer noch nach. Regierungsamtmann
Ferdinand Wittine stellte dem Verfasser seine Aufzeichnungen über die Zahl der
eingereichten Anträge und die darin angegebene landwirtschaftliche Nutzfläche
zur Verfügung, soweit sie über das Lastenausgleichs- und das
Reparationsschädengesetz erstattet wurden. Insgesamt sind über den
Lastenausgleich 578 und über das Reparationsschädengesetz 953, zusammen 1531
Erstattungsfälle bearbeitet und abgeschlossen worden. Dabei wurden insgesamt
rund 26.000 Hektar erfaßt.
Die Erstattungsfälle in Übersee bestanden vielfach in Erbansprüchen. Die
auffallend hohe Differenz zwischen den Erstattungsfällen über den
Lastenausgleich und das Reparationsschädengesetz und der Gesamtfläche der
früheren Sprachinsel von rund 85.000 Hektar (auf etwa 850 Quadratkilometer) läßt
sich leichter erklären, als es zunächst den Anschein hat. Vor allem entfallen
für die Entschädigung die 34% Weide- und Ödland. Ungefähr die gleiche
Bodenfläche bedeckte der Wald. Auf das gesamte Weide- und Ödland bestand kein
Anspruch. Von der Waldfläche ist der bereits seit 1930 von Jugoslawien
beschlagnahmte Auerspergsche Anteil wegzulassen. Von der Gesamtfläche der
ehemaligen Sprachinsel sind weiter die 8% des slowenischen Kleinbesitzes
abzuziehen. Außerdem fiel der in seinem Umfang unbekannte Gemeindebesitz an den
jugoslawischen Staat. Nicht in die Berechnung fällt auch der in keiner Statistik
auftauchende kirchliche Grundbesitz. Für Schätzungen der beiden letztgenannten
Areale liegen keinerlei Anhaltspunkte vor. Ferner abzuziehen sind die
Bodenansprüche jener Umsiedler, die in Österreich ansässig geworden waren, da -
wie gesagt - die Republik Österreich solche Ansprüche nicht gelten ließ. Auch
dieser Bereich verschließt sich vollends einer Schätzung. Nicht wenige
anspruchsberechtigte Gottscheer in der Bundesrepublik haben, teils aus
Unkenntnis, teils aus Furcht vor Scherereien, ihre Ansprüche nicht angemeldet.
Das Völkchen der Gottscheer wird also nie erfahren, was sein kleines Heimatland
sechshundert Jahre nach der Besiedlung in Mark und Pfennig, Schilling und
Groschen, Dollar und Cent wert gewesen ist. Dennoch gebührt den Männern, die
viel Zeit und Kraft für diese Ermittlungsarbeiten aufwendeten, der Dank der
lebenden Gottscheer.
Gottscheer und
Slowenen
Das Verhältnis zwischen Gottscheern und Slowenen war durch Jahrhunderte ein gut
nachbarliches. Von der ehemaligen Monarchie her gab es ebenfalls keine Trübung.
Erst im 19. Jahrhundert bahnte sich eine solche durch den aurbrechenden
Nationalismus an. Wie groß die Toleranz auf deutscher Seite schon im 16.
Jahrhundert war, kann man im Großen Brockhaus, Band XIX, Ausgabe 1934, Seite
116, über den von den Slowenen hochverehrten Primoz Trüber nachlesen:
"Truber, Primoz (Primus Trüber), slowen. Geistlicher und Schriftsteller, geb.
Rascica (Krain), 8. Juni 1508, gest. Derendingen (Württemberg) 25. Juli 1586,
war Kanonikus in Laibach und Vikar in Krain und Kärnten. T. widmete sich
besonders der Ausbreitung der Reformation unter den Slowenen und wurde zum
Begründer der slowenischen Schriftsprache. 1547 ausgewiesen, ging er nach
Deutschland, wo er den "Catechismus in der windischen Sprache' 1550 und 1556,
ein Abededarium (1559, 1555) das Neue Testament (1557-1582) den Psalter (1556)
u. a. ins Slowenische übersetzte und (bei Ungnad in Urach in Tübingen) drucken
ließ. 1561 wurde er von den Krainischen Ständen nach Laibach zurückgerufen,
mußte aber 1565 das Land wieder verlassen. Er war kurze Zeit Pfarrer in Lauffen
(Neckar), seit 1566 in Deringen. Trubers Briefe erschienen 1897, hg. v. Th. Elze."
Wie schwer es allerdings einem slowenischen Intellektuellen selbst noch in
jüngster Vergangenheit fiel, den Gottscheern gegenüber einen Mittelweg zwischen
Vernunft, gesteuerter Toleranz und gefühlsüberfrachtetem Nationalismus zu
finden, zeigt ein im Juni 1970 gehaltener Vortrag von Dipl.-Ing. Milan Ciglar.
Der genannte Forstfachmann war zur damaligen Zeit Chef des slowenischen
Instituts für Forst-und Holzwirtschaft in Laibach (Ljubljana). Er sprach in
Gottschee zu Tiroler Forstfachleuten über das Thema "Zerfall und Neuaufbau einer
Landschaft, dargestellt am Beispiel des Gottscheerlandes". Seine Ausführungen
sind für die Gottscheer von hohem Informationswert. Man wird es ihnen jedoch
hoffentlich nicht verübeln, wenn sie ihrem Inhalt zunächst einmal kritisch
gegenüberstehen, obwohl Dipl.-Ing. Ciglar ein gewisses Streben nach Objektivität
nicht abgesprochen werden kann.
Bemerkenswert ist vor allem anderen die Offenheit, mit der Milan Ciglar darlegt,
was seine Landsleute aus der von den Gottscheern verlassenen Kulturlandschaft
gemacht oder nicht gemacht haben. Er, der Forstmann, stellt ganz natürlich den
Wald als eine mit den Menschen ringende Lebensgemeinschaft in den Mittelpunkt.
Nach seiner Meinung hat sich von allen Teillandschaften Sloweniens jene des
Gottscheerlandes am wenigsten verändert. Rotbuche und Tanne sind die am
weitesten verbreiteten Baumarten, aber auch Fichte und Ahorn sind überall
anzutreffen. Auf Seite 9 des in Maschinenschrift vorliegenden Manuskriptes
schreibt Ciglar:
"Die Natur des Gottscheerlandes ist also durch einen vitalen, unzerstörbaren
Wald gekennzeichnet."
Die deutsche Besiedlung der ehemaligen Sprachinsel setzt der Vortragende,
historisch richtig, mit den dreißiger Jahren des 14. Jahrhunderts an. Als
Herkunftsgebiete der Kolonisten bezeichnete er Oberkärnten und Osttirol, womit
er die Forschungsergebnisse der Wiener Professoren Dr. Kranzmayr und Dr. Maria
Hornung anerkennt. Von Thüringen und Franken ist allerdings nicht die Rede. Die
deutschen Siedler seien in ein praktisch unbesiedeltes Gebiet eingezogen, führt
er weiter aus.
Das sind bekannte, historische Fakten. Die Gottscheer horchen erst auf, wenn
Ciglar auf die Frage nach den Hintergründen ihres Umsiedlungsentschlusses
eingeht und sich mit dem Verhalten seiner eigenen Landsleute nach der
Wiederherstellung Jugoslawiens beschäftigt.
Den Umsiedlungsentschluß beurteilt Ciglar auf Seite 15 seines Vertrages wie
folgt:
"Ein entsetzliches Verbrechen brach über die Gottscheer im Jahr 1941 herein, als
die gesamte deutschsprechende Bevölkerung auf Grund eines deutsch-italienischen
Vertrages in das Grenzgebiet des ehemaligen deutschen Reiches in die Nähe von
Brezice (Rann) und Krsko (Gurkfeld) ausgewandert ist, wo wiederum dort die
einheimische slowenische Bevölkerung vertrieben worden ist. Im Fall der
Auswanderung der Gottscheer Bauern ist jedermann erstaunt, daß sie, obwohl sie
600 Jahre lang an Ort und Stelle lebten, doch nicht fest wurzelten und sich
offenbar nicht genügend an den Heimatboden gebunden fühlten, wobei man sich die
Frage vorlegen muß, ob sie sich vielleicht schon immer als Fremde fühlten und zu
kleine innere Beziehungen zu den Vorfahren hatten oder ob sie einer
augenblicklichen Verblendung anheim fielen, als sie auswanderten, ob sie schon
längere Zeit den Gedanken der Auswanderung in sich trugen. Für die Auswanderung
gibt es sicher mehrere Ursachen, die man hier nicht im einzelnen analysieren
kann."
Die vorstehend zitierte Stellungnahme Ciglars zur Umsiedlung der Gottscheer ist
nach Ansicht des Autors unsachlich und ungenau. Dem Verfasser ist beim Überlesen
seines Vertrages nicht aufgefallen, daß die Einleitung und der Schluß den Inhalt
des Mittelteiles aufheben.
Eingang spricht der Vortragende von einem "Verbrechen", das mit einem
deutsch-italienischen Vertrag über die Gottscheer gekommen sei. Das heißt nicht
mehr und nicht weniger, als daß die Gottscheer nicht freiwillig "ausgewandert"
sind.
Ciglar ist in Gottscheer
Fragen viel zu gut bewandert, als daß er diese Tatsache nicht gewußt hätte. Die
durch nichts begründeten Unterstellungen, die Gottscheer hätten sich vielleicht
schon immer als Fremde auf ihrem Boden gefühlt bzw. dazu keine rechte Bindung
gewonnen und gegenüber ihren Vorfahren eine zu kleine Anhänglichkeit bewiesen,
daß sie sich womöglich auch schon länger mit dem Gedanken der Auswanderung
getragen hätten, sind daher falsch. Es wird damit versucht, die ganze
Verantwortung für die Auflösung der ehemaligen Sprachinsel Gottschee ihren
Bewohnern und dem Deutschen Reich zuzuschieben, während der slowenische Anteil
an dem desolaten seelischen Zustand der Gottscheer von 1918 bis in das "Verbrechens"-Jahr
1941 zugedeckt wird. Ganz wohl fühlt sich der Vortragende allerdings in seiner
Richterrolle über die Gottscheer nicht, sonst hätte er die Bemerkung, daß es
"sicher mehrere Gründe für die Auswanderung" gegeben habe, unterlassen.
Wer ist ferner dieser "Jedermann", der über die "Auswanderung" der Gottscheer
erstaunt gewesen sein soll? Etwa der Slowene, der Österreicher oder der
Reichsdeutsche schlechthin? In allen drei Fällen beschäftigte sich nur ein ganz
kleiner Kreis von politischen Experten bzw. organisatorisch Beauftragten mit der
Problematik, die sich aus dem Vorhandensein des Gottscheerlandes ergeben hatte.
Jeder dieser Kreise wußte, daß die Gottscheer, oder besser der Rest des
Gottscheer Völkchens, nicht ausgewandert war, sondern umgesiedelt wurde. Die Art
und Weise, wie dies geschah, ist nur aus der damaligen Zeit heraus begreifbar.
Es ist unkorrekt, durch Verschweigen des Widerstandes vorzutäuschen, die
Bevölkerung sei freiwillig gegangen. Die Behauptung aber, die Gottscheer hätten
keine Bindung an ihren Boden besessen, ist absurd. Der Autor erlaubt sich
lediglich die Gegenfrage, wie lange die Gottscheer noch auf ihrem Boden hätten
verbleiben müssen, um ein Heimatgefühl zu entwickeln, wenn 600 Jahre dafür nicht
genügten?
Zu den Plänen für den Wiederaufbau der zerstörten Gottscheer Kulturlandschaft
fand der Chronist Ciglar nichts zu berichten, was der Leistung der deutschen
Kolonisten des 14. Jahrhunderts vergleichbar gewesen wäre. Er stellte lediglich
folgendes fest: "Man (gemeint sind die slowenischen Planer nach der Errichtung
des sozialistischen jugoslawischen Staates, Anmerkung des Verfassers) baute ein
großes, ideales Modell einer großzügig angelegten sozialistischen
Landwirtschaft, in der Neusiedlung weder erwünscht noch erlaubt war.
Es leuchtet ein, daß es wenig sinnvoll gewesen wäre, die jahrhundertealte
Gottscheer Wirtschafts- und Siedlungsform mit der starken Bodenzersplitterung da
wieder aufzunehmen, wo die Umgesiedelten aufgehört hatten, zumal die meisten
Siedlungen ja dem Erdboden gleichgemacht waren. Auch die Gottscheer hätten sich
umgestellt, wenn sie nicht vertrieben worden wären. Dies war in den dreißiger
Jahren bereits deutlich zu spüren.
An anderer Stelle der Seite
17 des Manuskriptes heißt es wörtlich: "In späterer Zeit kamen die
Saisonarbeiter in das Land, von denen nur ein kleiner Teil geblieben war. Sie
lebten mehr von Versprechungen und Erwartungen, als vom Resultat ihrer eigenen
Arbeit und Anstrengung. So wechselte in jener Zeit häufig die Bevölkerung, und
diejenigen, die geblieben sind, sind wohl solche, von denen man nicht immer
sagen kann, daß sie sich mit dem Land verbunden fühlten".
Über die Stadt Gottschee sagte Ciglar, man habe sie modern aufgebaut, habe
Straßen wie in Laibach angelegt, sowie eine Holz- Chemie- und Metallindustrie
aufgebaut und damit neue Elemente in die Landschaft getragen.
Über die Zerstörung der Gottscheer Kulturlandschaften und der zurückgelassenen
baulichen Eigenheiten sagte der Redner andererseits wörtlich: "Doch das Land um
die Stadt Gottschee herum blieb tot, wie ein verlassener Friedhof. Die Zeit
zerstörte angeblich alle Gebäulichkeiten, Dächer, Glockentürme aller Kirchlein,
die alten Dorrbrunnen versiegten, die Obstbäume blieben ungeerntet, verwilderten
jahraus, jahrein, mehr und mehr. Die Kapellchen und Dorflinden gerieten in
völlige Vergessenheit. Die Bauherren, die alleinstehende Wald- und Jagdhäuser
bauten, holten ihr Baumaterial von den alten Siedlungen und zerstörten damit die
letzten Zeugen der alten Zeit. In späterer Zeit ging man dazu über, die
Heiligenfiguren in Privathäuser, Kirchen und Antiquitätensammlungen zu bringen.
Wer sich in den ersten Nachkriegsjahren in Gottschee einigermaßen zurecht fand,
der vermochte sich allein aus den überall zugänglichen Kirchenschätzen ein
ansehnliches Vermögen zu erwerben, ohne der Staats- oder Kirchenbehörde eine
Rechnung zu bezahlen."
Den "vorstürmenden Wald" schildert Milan Ciglar seinen Tiroler Fachkollegen
folgendermaßen: "Aber die gewaltigste Veränderung hatte nach dem Kriege niemand
bemerkt, sondern erst zehn Jahre darnach, die unaufhaltsame Zurückeroberung der
landwirtschaftlich genutzten Flächen. Die Uranfänge dieser Zurückeroberung
gingen schon auf die Zeit vor hundert Jahren zurück, auf die Zeit vor dem Ersten
Weltkrieg .. . Selbst für den flüchtigen Kenner der Gottscheer Verhältnisse ist
dieses Vordringen von Wald ein Vorgang von geradezu phantastischem Ausmaß. Man
kann mit Sicherheit behaupten, daß der Wald inzwischen etwa 30.000 Hektar, rund
300 Quadratkilometer, also ein Drittel der Gottscheer Gesamtfläche erobert hat."
Seit dieser Schätzung aus dem Jahre 1970 dürften mindestens 36.000 bis 37.000
Hektar geworden sein. Der Laibacher Diplomingenieur fährt fort: "Angesichts
dieser Tatsache muß man sich nun vorstellen, wie dieses Gebiet in weiteren
dreißig Jahren aussehen wird, nichts als Wald, Wald, überall Wald."
Bis hierher reichte die Lebenskraft des Autors. Erich Petschauer starb am 6.
September 1977.
Er wußte um dieses Schicksal und hat seinen Bruder gebeten, das Schlußkapitel
"Der Kreis schließt sich" nach seinen Angaben und in seinem Sinne zu Ende zu
bringen.
Hermann Petschauer hat ihm seine letzte Bitte erfüllt.
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