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DAS OBERLAND
Der Querrücken des
Schweineberges ist schnell überwunden, und wir betreten Gottscheer Boden.
Die ersten Gottscheer Dörfer, Ober‑, Nieder‑ und Neuloschin, befinden sich
links von der Straße. Viele Mulden weisen auf Vertiefungen hin, aus denen
im Frühjahr das Wasser quillt und weite Teile überschwemmt. Wellig hügelig
ist dieser erste Gottscheer Boden. Nach diesen Orten öffnet sich das Tal
zum wohl fruchtbarsten Teile Gottschees: Mitterdorf und seiner Umgebung.
Nur leichte Bodenwellen sind zu sehen, herrliche Wiesen und Äcker dehnen
sich vor dem Beschauer aus, es ist kaum zu glauben, daß es Karstland ist.
Am Westrande dieser weiten Ebene befindet sich das Quellgebiet der Rinse
bei Mooswald.
Mitterdorf als Zentrum der Gemeinde mit der schönen Pfarrkirche,
mit Pfarrhof, Schule, Geschäftshäusern
und Gasthöfen, einen breiten Dorfplatz, mit den Bauerhöfen im Umkreis, ist
ein stets einladender Ort. Wie ein Kranz umgeben den Hauptort die
Ortschaften Koflern, Ort, Obrern, Kerndorf, Rain, Windischdorf und
Gschwend. Die Bahn rückte das Oberland näher zur Stadt Gottschee,
Verdienstmöglichkeiten der weichenden Söhne waren durch die Bahnverbindung
erleichtert, Studenten war die Heimfahrt vom Gymnasium möglich.
Das Herzstück des Gottscheer Landes war stets die Stadt Gottschee,
„inshr Schtatle" ‑ unser Städtchen liebevoll genannt. Es war das
wirtschaftliche und kulturelle Zentrum, für das große Agrarland der
Umgebung leider viel zu klein, um die Produkte der gesamten Umgebung auch
gewinnbringend verwerten zu können. Für viele Landsleute, vor allem für
die Frauen war es bereits die Welt, war es ein besonderes Erlebnis, zu den
großen Markttagen in die Stadt zu kommen, es war für sie ein besonderer
Festtag.
Unsere Stadt erlebte Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs, Sorgen
blieben aber auch ihr nicht erspart. Siebenmal wurde sie von den Türken
geplündert und in Brand gesteckt und wieder aufgebaut, sie erhielt 1471
von Kaiser Friedrich III das Stadtrecht verliehen. Nun wurde die Rinse
aufgestaut und umgeleitet, in einem breiten Wassergraben gab sie der
neuentstandenen befestigten Stadt besseren Schutz.
Ab 1641 sind die Grafen Auersperg die Herren von Gottschee, sie ließen in
der Stadt ein schönes Schloß errichten, förderten Wirtschaft und Handel,
auch das Untertanenverhältnis brachten sie in erträgliche Zustände.
Eine Besonderheit gab es für die Stadt und das Land Gottschee 1874 mit der
Errichtung eines Gymnasiums. Neben dem Gymnasium gab es in der Stadt eine
Bürgerschule, eine Holzfachschule und selbstverständlich eine Volksschule.
1904 wurde die heutige Stadtpfarrkirche fertiggestellt. Sie war und blieb
das würdige Wahrzeichen der Stadt und des Landes Gottschee. Sie zählt zu
den wenigen Sehenswürdigkeiten der Stadt, die den Krieg überdauerten. Das
Schloß selbst wurde 1943 bei Kriegshandlungen zerstört, ebenso ein großer
Teil des einstigen Stadtkernes.Auch um die Stadt Gottschee gab es einen
herrlichen Kranz von Dörfern, die engstens mit dem Städtchen verbunden
waren: Schalkendorf, Seele, Klindorf, Mooswald, Zwischlern, Grafenfeld,
Lienfeld, Hasenfeld und Schwarzenbach, obwohl die beiden letzten
Ortschaften schon zur Gemeinde Mösel gehörten.
Die Gemeinde Mösel mit den Pfarren Mösel mit der Expositur
Oberskrill umfaßte 22 Ortschaften und besaß eine dreiklassige Volksschule,
Postamt, Gendarmerie und Pfarramt bildeten mit einer Reihe von Gasthäusern
und Geschäften das Zentrum. Auf einer schönen Anhöhe gelegen, war Mösel
weithin sichtbar. Die Pfarrkirche war in der Zeit der Türkennot eine
Wehrkirche. Außerhalb des Ortes stand die Wallfahrtskirche Heiligenblut,
von der Sage oft mit der Kirche in Heiligenblut in Kärnten in Verbindung
gebracht.
Nach Obermösel kamen die Kinder auch aus Reintal, Niedermösel,
Durnbach und Otterbach zur Schule. Aus Hasenfeld und Schwarzenbach gingen
sie nach Lienfeld in die Schule. Weitere, allerdings einklassige
Volksschulen gab es in Unterlag, Verdreng und Unterskrill. Nach Unterlag
kamen die Kinder aus Thurn, Römergrund, Ramsriegel, Graflinden und
Neugereuth an der Kulpa, nach Verdreng aus Unter‑ und Oberpockstein und
Verderb, nach Unterskrill aus Fliegendorf, Oberskrill, Küchlern und
Suchenreuther.
Die Gemeinde Mösel war kein ebenes Land, viele Gruben erschwerten die
Arbeiten, dennoch galten die Bauern dieser Gemeinde als wohlhabend. Der
Riegel und der Verdrenger Berg erhoben sich direkt im Gemeindegebiet. Auf
dem Verdrenger Berg stand eine vielbesuchte Kirche; nach Oberskrill zogen
viele Wallfahrer.
Mit dem Raum Unterlag führte ich den Besucher bereits in die Untere
Seite. Der Hauptort des östlichen Teiles der Unteren Seite war wohl
Nesseltal. Die Großgemeinde um Nesseltal umfaßte 22 Ortschaften, von denen
heute wohl nur mehr ein ganz kleiner Teil auffindbar ist.
Wie Mösel war auch Nesseltal ein besonderes Zentrum: Eine dreiklassige
Volksschule, Pfarrhof, Postamt, Gemeindeamt, Gendarmerieposten, Kauf‑ und
Gasthäuser, dazu wieder ein herrlich gepflegtes Dorf um die Pfarrkirche.
Kleinere Mittelpunkte mit einklassigen Volksschulen waren in dieser
Gemeinde Lichtenbach mit einer für längere Zeit aufstrebenden
Lodenerzeugung, Unterdeutschau als großer Wallfahrtsort, wohin auch die
Wallfahrer aus den benachbarten slowenischen und kroatischen Gebieten
kamen, Reichenau galt als besonderes Viehzentrum. Die vielen Ortschaften
dieser Gemeide sind im Nachtrag von Oberlehrer Perz ersichtlich, wo alle
Ortschaften Gottschees verzeichnet sind. Meinem letzten Buche „Das war
Gottschee" ist auch eine Landkarte mit allen Orten Gottschees beigelegt.
Die Pfarre Seele mit Schalkendorf und Klindorf war schon sehr eng mit
dem Wirtschaftsleben der Stadt verbunden. Sie galt als Zuzugsland auch für
viele Arbeiter, die in der Kohlengrube bei Schalkendorf Beschäftigung
fanden und sich hier ein Häuschen errichteten, dennoch aber blieb das
bäuerliche Dorf in seiner Ursprungsform gut erhalten. Alle drei
Ortschaften sind auch heute erhalten und bewohnt, die Kirchen stehen.
DIE WALDEN
Der Raum Walden umfaßte
die Pfarren Altlag, Warmberg und Ebental. Es sind da drei in sich
geschlossene Siedlungsräume, durch größere Wälder voneinander getrennt.
Hier griff der Siedlungsraum der Gottscheer am tiefsten in den Hornwald
hinein, auch heute ist Altlag Ausgangspunkt für große Jagdführungen in den
Hornwald. Eine Reihe von Jagdhäusern in Altlag weist auf die heutige
Bedeutung dieses Raumes als Jagdgebiet der neuen Herren hin.
Altlag war eine der größten Ortschaften des Gottscheer Landes mit 125
Hausnummern und ebenso ein lokales Zentrum mit einer größeren Schule, dem
Pfarramt, Post, Geschäfts‑ und Gasthäusern. Ein Schmuckstück unter den
Gottscheer Dörfern war Ebental. Eine schön angelegte Allee durchzog das
Dorf, eine weite Ebene erstreckte sich um die beiden Dörfer Ebental und
Setsch. Von den vielen Ortschaften um Warmberg und Langenthon sind kaum
mehr Ruinen zu sehen, dasselbe Bild ergibt sich auch um das Zentrum.
Die Bewohner der Walden hatten es vor allem in trockenen Jahren
sehr schwer. Viehzucht, etwas weniger Ackerbau, aber dazu die
Holzverwertung sicherten die Lebensgrundlagen in diesem Landesteil. Als
tüchtige Unternehmer sind viele Auswanderer aus der Walden in der ganzen
Welt bekannt. Sie waren in der alten Heimat die harte Arbeit gewohnt, so
setzten sie sich auch überall durch.
Neben der Unteren Seite gehört die Walden heute zu jenen Gottscheer
Landesteilen, die den Krieg am wenigsten überdauern konnten, der Großteil
der Ortschaften ist gänzlich verschwunden, nur vereinzelt, sind da und
dort kleinere Ruinen auffindbar, gibt es Zeugen einstiger Kulturarbeit.
Gern besucht waren die Wallfahrtkirchen in Maria Schnee bei Tiefenthal und
St. Peter bei Oberwarmberg.
DIE MOSCHE ODER MOSCHNITZE
Die drei Hauptgebiete
dieses Raumes zeigen jeweils e‑nen anderen Landschaftscharakter.
Pöllandl war der tiefstgelegene Ort im Gottscheer Lande, an den Hängen
bei Neuburg und Kleinriegl gedeiht ein guter Wein. Der Wildbach mit seinen
dreizehn Mühlen und Sägen gab vielen Bewohnern zusätzliche Arbeit und
damit gute Verdienstmöglichkeiten. Wirtschaftlich war dieser Teil schon
gänzlich nach Rudolfswerth (Novo Mesto) ausgerichtet. Der slowenische
Einfluß war daher schon früher gegeben, dennoch aber standen auch diese
Landsleute stets treu zum Gottscheer Stamm. Die Pfarrkirche, eine Schule
und ansehnliche Bürgerhäuser in Pöllandl weisen auch heute noch darauf
hin, daß man hier einmal gut leben konnte.
Entlang des Wildbaches schlängelt sich durch das Engtal aufwärts die
Straße nach Tschermoschnitz in den Mittelpunkt der Mosche. Die
schöne Ortschaft mit der mächtigen Pfarrkirche, der Schule und den schönen
Bürgerhäusern zeigt (auch heute) noch, daß sich hier ein tüchtiges
Völklein wohlfühlen mußte. Auch da gab es einen Kranz von Ortschaften um
den Hauptort, nur im Tal selbst ist noch ein Teil der Häuser bewohnt. Die
Ortschaften beiderseits an den Hängen sind alle verschwunden.
Tschermoschnitz war schon früh mit elektrischem Strom versorgt, auch die
Wasserleitung war ein Segen des Ortes. Die nahen Wälder brachten den
zahlreichen Fuhrleuten dieser Gegend einen bescheidenen Wohlstand. Es
mußte das Holz zu den Sägewerken am Wildbach geführt werden.
Dazu gab es
Fuhrleistungen nach Rudolfswerth zur Bahn.
Herrlich war stets ein Ausflug nach Stockendorf, hinauf auf die
„Alm" „aff de Aube". Meistens waren die Ausflüge in Verbindung mit den
Wallfahrten auf den 1048 m hoch gelegenen Friedensberg. In Prozessionen
zogen die Wallfahrer hinauf zum heiligen Franziskus. Heute ist der
Kirchturm zu einer Aussichtswarte umgebaut, die Kirche wurde abgetragen
und durch ein Jagdhaus ersetzt.
Von der Gatschen war die Sicht frei nach Südosten. Wie man auf dem
Unterlager Berg ‑ der Schpahe ‑ die ersten Höhenfeuer für das Haupttal
Gottschee aufflammen ließ, so warnten auch auf dieser Höhe die treuen
Wächter die Bewohner der Mosche und darüber hinaus alle gegen Norden zu
beim Herannahen der Türken.
DAS HINTERLAND
Hinter dem Friedrichsteiner Wald war das Hinterland mit den Pfarren Rieg,
Göttenitz und Morobitz, wobei der Hauptort Rieg schon einem kleinen
Städtchen glich. Durch die größere Entfernung von der Stadt Gottschee kam
diesem Hauptort noch mehr Bedeutung als kulturelles und wirtschaftliches
Zentrum dieser Talschaft zu. Der Bach bei Rieg ermöglichte die Errichtung
von drei Sägewerken und Getreidemühlen. Nach dem Ersten Weltkrieg kamen
noch zwei Dampfsägen hinzu. Für sich abgeschlossen war Göttenitz, der
älteste Ort und wohl auch die älteste Pfarre des gesamten Hinterlandes.
Wie im Hornwald und dem Friedrichsteiner Wald gab es auch im
Göttenitzer Bergland großartige Wälder. Sie zählten zu den schönsten in
Krain überhaupt. Die Fürsten Auersperg hatten im nahen Kaltenbrunn ein
Jagdhaus und betrieben dort eine große Dampfsäge.
Auch der Raum um Morobitz war für sich abgeschlossen. Schule und
Pfarrkirche waren kleine Zentren. Immer wieder zog es die Gottscheer auf
die herrlichen Höhen der Krempe, zur natürlichen Südwestgrenze des
Gottscheer Landes. Gar weit schweifte unser Blick hinaus über die steilen
Abhänge zur Kulpa.Was mag heute dieses so schöne Tal verbergen? Besuchern
ist jeder Zutritt strengstens untersagt. Von den Höhen bei Stalzern
streicht ein sehnsüchtiger Blick hinüber nach Rieg, hinein in das
idyllische Tal.
Am nördlichen Eingang ins Hinterland lag die Pfarre Masern mit
Masereben. Nach der Eingemeindung zu Niederdorf, einer slowenischen
Großgemeinde bei Reifnitz, blieb hier nur mehr eine schwache
Eigenständigkeit durch die Schule und das Pfarramt erhalten. Die
Lebensbedingungen in Masern waren recht günstig. Das Tal um die beiden
Orte war fruchtbar. Zwei Bäche lieferten
stets das im Karst so kostbare
Wasser. Zwei Sägewerke, Holzhandel und Fuhrwerksverkehr sicherten den
Bewohnern von Masern ausreichende Arbeit und sicheres Einkommen.
DAS SUCHENER
HOCHTAL
Hinter dem Göttenitzer Bergland befindet sich in einer Höhe von über
siebenhundert Meter das Suchener Hochtal mit den Ortschaften Gehack,
Merleinsrauth, Suchen, Mittergras und Obgrgras. Nur wenige benützten den
zweistündigen Weg über den Göttenitzer Berg nach Göttenitz. Der bessere
Zugang führte über das slowenische Sodraschitz. Schuläh gab es in Suchen
oder Obergras, Holzverwertung und Viehzucht waren der Haupterwerb in
diesem Landesteil.
Durch die Abgeschiedenheit war die Mundart in diesem Tale mit einer
Reihe von Eigenheiten versehen, auch mehr Lehnwörter aus dem Slowenischen
wurden verwendet, und doch war auch dieser Teil ein herrliches Stück des
Gottscheer Landes.
Tüchtige Gottscheer gab es auch in dieser Gegend. Der Dichter Karl
Morre, der Verfasser des Nullerls, die allseits geachteten Familien Knaus
in Kärnten, aus deren Sippe der weltberühmte Frauenarzt Knaus stammte,
kamen aus dem Suchener Land. |