Gottscheer
Landsmannschaft Wien
Vereinsgeschichte
Die Gottscheer in Wien, Dipl.-Ing. Karl Skoupil, 1980
Mit dem Ende der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts begann der Hausierhandel
der Gottscheer infolge der Gründung von Handelshäusern zu stocken. In den
neunziger Jahren nahm die Abwanderung aus der Heimat schon solche Formen an, daß
der Weiterbestand zumindest gefährdet war. Die um das Wohl der Heimat besorgten
Männer erkannten, daß ohne Hilfe von außen der Untergang langsam konkrete Formen
annehmen würde. Diese Hilfe von außen mußte vor allem finanzieller Natur sein,
um bestehende kulturelle Einrichtungen wie Gesang- und Turnvereine, das
Studentenheim und zu erhaltende Schulen zu sichern bzw. neue dieser Art
entstehen zu lassen.
Aus diesem Grunde setzten sich vier beherzte Gottscheer, Franz Obermann, Josef
Springer, Andreas und Georg Roschitsch, in einer gut besuchten Versammlung von
Landsleuten im späteren Vereinsheim in Wien I, Nibelungengasse 5, mit den
Zwecken des zu gründenden Vereins auseinander. Es ist demnach das unbestreitbare
Verdienst unseres Landsmannes Franz Obermann, die in der Fremde lebenden
Gottscheer erfaßt und in ihnen die Bereitschaft erweckt zu haben, der bedrohten
Heimat zu helfen. Schon bei der Gründung konnte der Verein auf nicht
unbedeutende Mittel hinweisen, die auf die Stifter, die Großkaufleute Johann
Zekoll in Wien und Josef Plesche in Prag, zurückgingen, ferner auf die Beiträge
der 115 eingeschriebenen Mitglieder des Vereins und auch auf solche der Stadt
Gottschee.
Hier ist der Platz, darauf hinzuweisen, daß die Gottscheer in Wien bei den dort
ansässigen Gottscheer Kaufleuten immer einen Rückhalt fanden, aber auch darauf,
daß diese unsere Landsleute im Geschäftsleben der Weltstadt Wien eine Rolle
spielten. Stellvertretend mögen hier zwei Namen genannt werden, ohne die anderen
zurückstellen zu wollen:
Bald nach dem Ende des Ersten Weltkrieges zog es Hans Kresse, der ein Geschäft
am Hauptplatz der Stadt Gottschee betrieb (sicher mochten auch die geänderten
politischen Verhältnisse eine Rolle gespielt haben), nach Wien, wo er in der
Gumpendorfer Straße eine Feinkosthandlung eröffnete. Er gründete in der Folge
mit einigen Kaufleuten die "Wiener Feinkost-Einkaufsgenossenschaft" (WIFEG), die
sich bald zu einem derart florierenden Unternehmen entwickelte, daß sich die
Wiener Feinkosthändler gerne darum bewarben, in diese Genossenschaft aufgenommen
zu werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg führte Kresse diese Genossenschaft in die
ADEG über, er war deren gründendes und lange Jahre leitendes Mitglied. Landsmann
Kresse war in vielen staatlichen Organisationen tätig, die sich mit dem
Lebensmittelhandel beschäftigten; auch an der Reglementierung des
österreichischen Lebensmittelkodex war er maßgeblich beteiligt.
Hans Kresse wurde in Anerkennung all seiner Bemühungen zum Kommerzialrat ernannt
und mit der Medaille der Wiener Handelskammer ausgezeichnet. Im hohen Alter zog
sich Kresse nach einem Herzinfarkt in den Ruhestand zurück und verstarb nach
längerem Leiden im 83. Lebensjahr. Es erübrigt sich wohl, zu sagen, daß er eines
der treuesten und eifrigsten Mitglieder der Gottscheer Landsmannschaft in Wien
war.
Aber schon um die Jahrhundertwende bestand am Kärntner Ring der Haupt- und
Residenzstadt Wien das Delikatessengeschäft "Stalzer am Ring". Es hatte einen
guten Ruf weit über die Stadt Wien hinaus und ging knapp vor Ausbruch des
Zweiten Weltkrieges in fremde Hände über, da sich keine Erben eingestellt
hatten.
Der Vorsitzende des Proponentenkomitees, Franz Obermann, konnte schon bei der
gründenden Versammlung am Ostermontag, dem 30. Mai 1891, auf zahlreiche
Glückwunschschreiben hinweisen, die ihm u.a. zugegangen waren von Professor
Obergföll, Professor (und später k. k. Landesschulinspektor) Wilhelm Linhart,
zugleich Herausgeber des "Deutschen Kalenders für Krain und das Küstenland", von
Domprediger Josef Erker, der das Unternehmen mit Freude begrüßte und wünschte,
es möge der Verein, vom Geiste Gottes getragen, stets ein kräftiger Förderer des
materiellen und geistigen Fortganges des Ländchens zu Nutz und Frommen aller
Gottscheer Landsleute sein und bleiben.
Bei der nun folgenden Wahl des Vereinsvorstandes gab es bezeichnenderweise
solche Einmütigkeit, daß der Vereinsausschuß nach den eingereichten Vorschlägen
mit Stimmeneinhelligkeit aufgestellt werden konnte. Nun entwickelte sich in der
folgenden Zeit ein erfreulicher Vereinsbetrieb. Schon in der 1. Hauptversammlung
waren wegen ihrer Verdienste um das Heimatländchen zu Ehrenmitgliedern des
Vereines ernannt worden: Frau Adelheid Stampfl in Prag, die Herren Exzellenz
Geheimrat Josef Freiherr von Schwegel, Professor der Technischen Hochschule in
Wien, Hofrat Wilhelm Exner, der Obmann des Deutschen Schulvereines, Dr. Moritz
Weitlof, Professor Karl Schröer und Gymnasialdirektor Benedikt Knapp.
Da die Vereinskasse zufolge der großen Mitgliederzahl (235) ansehnliche Beträge
aufzuweisen hatte, wurden für die Schulen in Stadt und Land und für den
Studentenunterstützungsverein große Geldmittel freigestellt. Auch für das von
einem Erdbeben im Jahre 1895 arg heimgesuchte Laibach wurde eine Spende von 112
Gulden ausgeworfen. Um den Verein für seine großen Zukunftsaufgaben auszubauen,
hat der Verein unter Obermanns Vorsitz die Presse zu Hilfe genommen und eine
eigene Zeitung, benannt "Mitteilungen des Vereines der Deutschen aus Gottschee"
ins Leben gerufen, die aber nach einigen Jahren zufolge interner Zerwürfnisse
eingestellt werden mußte. Um den satzungsgemäßen Aufgaben des Vereines gerecht
zu werden, hat die Vereinsleitung ohne Zögern die Kosten für die Drucklegung des
Werkes von Hofrat Georg Widmer "Urkundliche Beiträge zur Geschichte des
Gottscheer Ländchens" übernommen. Der Verein hat sich damit anläßlich der Feier
seines 40jährigen Bestandes ein ehrendes Denkmal gesetzt. Eine fast bleibende
Einrichtung in unserem Verein waren noch vor dem Zweiten Weltkrieg die in der
Faschingszeit veranstalteten Bälle, die dank der tatkräftigen Mitwirkung von
Frau Maria Stalzer, Kaufmannsgattin in Wien, zu einem Repräsentativfest der
Wiener Gesellschaft ausgebaut wurden.
Der unglückselige Ausgang des Weltkrieges, der zum Verlust unserer eigenen
Heimat führte, brachte auch unserem Verein schwere Tage, so daß wir erst nach
mehr oder weniger unwesentlichen Änderungen der Vereinsstatuten nach einer fast
achtjährigen Unterbrechung die Tätigkeit in unserem Verein wiederaufnehmen
konnten. Der Proponent, Senatspräsident Dr. Hans Luscher, verkündete am 5. Mai
1951 die polizeiliche Genehmigung zur Wiederaufnahme unserer Tätigkeit.
Erwähnt sei noch, daß wir der 65. Wiederkehr unserer Vereinsgründung am 19. Mai
1957 in einem größeren Rahmen gedachten, wozu wir nicht nur Teilnehmer aus
Europa, sondern auch aus Übersee begrüßen konnten.
Der Verein hatte in den
neunziger Jahren bis zu 235 Mitglieder; durch Abwanderung und Tod sank sie
ständig und hält heute bei 50 Mitgliedern.
Von der Zielsetzung her, nämlich Gelder für die diversen kulturellen
Einrichtungen der bedrohten Heimat zu beschaffen, hatte sich der Verein schon
sehr früh vor allem mit der Organisation von Veranstaltungen befaßt; in diese
Richtung ging auch seine Aktivität während der Zeit seines Bestehens:
zusammenhalten und unterhalten!
Als die Gottscheer Vereine in Europa durchwegs die Bezeichnung "Landsmannschaft"
annahmen, reihte sich auch der Verein der Gottscheer, damals mit Dipl.-Ing.
Skoupil als Obmann, ein und legte den traditionsreichen Namen ab. Skoupil
bemühte sich, wie auch schon sein unmittelbarer Vorgänger, Prof. Kraus, vor
allem um die Erreichung einer Entschädigung für das in der Heimat
zurückgelassene Vermögen. Um mit mehr Nachdruck auftreten zu können, haben sich
alle Gottscheer Landsmannschaften in Österreich dem im Wien gegründeten
Dachverband der Heimatvertriebenen angeschlossen (VLÖ). Die Obmänner der Wiener
Landsmannschaft fungierten hier, schon wegen der örtlichen Nähe, als Treuhänder
aller Gottscheer Landsmannschaften, nahmen an Vorbesprechungen sowie
Besprechungen teil, sprachen mit den Delegierten der anderen Verbände der
Heimatvertriebenen bei Regierungsstellen vor und reisten nach Bonn zu
Besprechungen mit den Stellen der Bundesrepublik, leider bis jetzt
offensichtlich ohne Erfolg.
Die älteste, einst so blühende Vereinigung der Gottscheer in Europa wird
wahrscheinlich als erste aller Landsmannschaften der Gottscheer das Los
erleiden, das allen bevorsteht: aus Mangel an Mitgliedern die Auflösung zu
beschließen. Möge es dem derzeitigen, vermutlich letzten Obmann der Gottscheer
in Wien, Ingenieur Richard König (er stammt aus Kerndorf, vlg. Mattlsch),
gegönnt sein, dies erst nach der Feier des 100 Jahre währenden Bestehens der
Gottscheer Landsmannschaft in Wien am 30. Mai 1991 tun zu müssen.
(650 Jahre Gottschee, Festbuch 1980, Dipl.-Ing. Karl Skoupil)
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