Die Forst und Landwirtschaft |
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Die Landwirtschaft |
Industrie im eigentlichen Sinne gab es in der Gottschee nur spät und spärlich. Der Lebensunterhalt wurde soweit es ging aus dem Boden des Landes gewonnen,wobei Zusatzmöglichkeiten genützt werden mußten. Aber der bäuerliche Betrieb war Naturalwirtschaft, kaum Marktwirtschaft. Wie es um die Besitzverhältnisse stand, lassen Erhebungen von 1940 aus den Großgemeinden Mösel und Rieg erkennen, die H. O t t e r s t ä d t 1s anführt. Das war kurz vor dem Ende der Sprachinsel. Die Bewohner sind einzuteilen in Keuschler mit einem Bodenbesitz bis zu 1 ha, die zur Gänze auf anderen Erwerb angewiesen sind. Dann Keuschler mit 1‑5 ha Besitz, die wenigstens teilweise einen Nebenerwerb haben müssen. Besitzgrößen von 5‑10 ha sind Zwergbauern, die im Winter zusätzlich Heimarbeit ausnützen müssen. Erst Menschen mit 10‑25 ha sind als Kleinbauern zu betrachten und über 25 ha als mittlere Bauern. Wir erinnern uns des großen Anteils an nur extensiv zu bewirtschaftenden Ländereien. Wendet man diese Einteilung auf die erwähnten Großgemeinden mit ihren 42 Ortschaften an, so erhält man folgende Gruppen: 33% waren Keuschler mit bis zu 5 ha, 16% Zwergbauern bis 10 ha, 34% Kleinbauern bis 25 ha und nur 17% mittlere Bauern. Die Gottschee war zuletzt ein Kleinbauernland.14 Darum hatten sie auch wenig Gesinde, und Nachbarschaftshilfe und Gemeinschaftsarbeit spielten eine wichtige Rolle. Ihre größte wirtschaftliche Blüte erreichte die Sprachinsel zwischen 1868 und 1878. Damals zählte sie 26.000 Einwohner, verfügte über 20.000 Rinder, 6000 Schweine, 1000 Pferde und Tausende von Schafen und Ziegen. Es gab Heimarbeit, Ansätze zu einer Industrie und der Hornwald lieferte jährlich über 800.000 Kubikfuß Holzkohle für auswärtige Betriebe (1884 begannen die großen Lieferungen nach Triest). Der Rückschlag war die große Auswanderung nach Amerika, die um 1880 einsetzte. In wenigen Jahrzehnten wurde die Bevölkerungszahl fast halbiert. 1913 lag infolge Mangels an Arbeitskräften bereits ein Drittel der Acker brach. Bis 1925 waren 25.000 Gottscheer nach Obersee gegangen, von denen nur ein kleiner Teil wieder zurückkehrte. Allerdings, wohin sie auch verschlagen wurden, überall bewahrten sie ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl und eine Bindung an die alte Heimat, die sich in Notzeiten in großzügiger geldlicher Hilfsbereitschaft äußerte. Regelmäßige Zuwendungen von Ausgewanderten an Daheimgebliebene ließen auch eine Art Rentnertum entstehen. Nach dem Ersten Weltkrieg geriet die Volksgruppe unter den Druck starker Entnationalisierungsbestrebungen, weshalb die Intelligenz im Lande kein Auskommen mehr fand und weitgehend in österreich neue Lebensgrundlagen suchen mußte. Mit der deutschen Schule wurden auch die Lehrer abgebaut. Das war die äußere Lage bis zur Umsiedlung und dann Vertreibung im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg. Von den zusätzlichen Erwerbsmöglichkeiten soll in den beiden nächsten Kapiteln die Rede sein. Hier sei einführend nur einiges zum Landwirtschaftsbetrieb gesagt. Die Viehhaltung diente der eigenen Ernährung. Bei den Feldfrüchten veränderten neuere Entwicklungen zum Teil das frühere Bild. So besaß einst der Flachs eine sehr große Bedeutung, selbst hergestellte Leinwand war ein Handelsartikel der Wanderhändler. Das ging später stark zurück. Auch der Dinkel, der früher zum wichtigsten Brotgetreide gehörte. Geblieben ist der Anbau von Buchweizen und Hirse, beides altertümliche Sorten. Schon V a 1 v a s o r 15 berichtet im 17. Jahrhundert, daß Hirse neben Hafer „gewaltig viel" gebaut wurde. Auch die Saubohnen waren früher für die Ernährung wichtig. Ihnen verdanken die Nesseltaler den Spitznamen „Boanhäuta". Bereits im vorigen Kapitel wurde aufgezählt, welche von den heute gängigen Getreidesorten in der Gottschee gediehen: Winterweizen kaum, ebenso Roggen, nur Gerste, Hafer und Sommerweizen, dazu Mais in geeigneten Lagen. Erst mit der Einfuhr einer neuen Sorte gab es auch Winterweizen. Das schwere Korn säte der Bauer überhaupt als Wintergetreide. „Gesät wurde (sonst) Sommergerste und Weizen je nach Witterung Anfang bis Mitte März, Roggen und Hafer Mitte bis Ende März, der Mais bis Ende April, am spätesten die Hirse. Die Schnitternte des Getreides beginnt Mitte Juli, der Mais reift im September. Der Wiesenschnitt kann in guten Lagen dreimal im Jahre, auf Bergwiesen nur ein‑ bis zweimal stattfinden. An Gemüsen werden am meisten die verschiedenen Arten von Fisolen, Rüben und Kraut gebaut. Sie bilden neben Kartoffeln und Mais die Hauptnahrung der Gottscheer Bevölkerung." 18 „Im Gartlein beim Haus waren die Heilkräuter, Kamille, Salbei, Majoran" (Klindorf). In sonnigen, geschützten Lagen gab es gutes Obst. Im Frühjahr waren die Dörfer von dessen Blütenwellen umrahmt. Selbst heute noch, wo von vielen Ansiedlungen nicht einmal mehr Mauerreste vorhanden sind, bezeugen noch die Obstbäume die einstigen Wohnstätten. Das sonnige Gelände um Mairle, das nur etwa 300 m hoch liegt, erlaubte auch einen Weinbau. Der hier gefechste „Rote" wurde nicht ausgeführt, sondern von den Gottscheern selbst verbraucht. Die Fruchtfolge war nicht einheitlich, sondern richtete sich nach dem Boden und der Besitzgröße. Brache war zumeist nicht üblich. „Jeder Bauer wußte, in welcher Folge er welche Frucht bauen maß. Der Wechsel war unterschiedlich nach dem Ackerland der Besitzer. Dementsprechend maßte auch gedüngt werden. Wenn da Klee war, hat man im nächsten Jahr ,türkischen Woize` (Mais) gebaut. Der Bauer hat sich im Winter mit seiner Frau beraten, was an welcher Stelle gebaut wird. Nach den Erdäpfeln kam Klee, den man mit Hafer zusammen säte. Nach der Haferernte ist der Klee geblieben. Das war drei bis vier Jahre so. Baute man Kukuruz, brauchte das sehr viel Mist. Roggen baute man je nach der Lage. Im Hinterland ist nur Sommerweizen gegangen. Ein großer Besitzer hat auch mit dem Kukuruz nach einem Jahr gewechselt, der kleine hat einige Jahre Mais gebaut, aber sehr stark gedüngt. Im Herbst hat man den Klee hinein, wenn ein Acker bereits gemacht war. In den Winterweizen hinein Klee. Luzerne ist aber nicht unter das Getreide gesät worden, nur Rotklee. Luzerne hat mehr Eiweiß gehabt, das war für die Milchkühe gut. Aber Klee hat man nicht allein gefüttert, immer gemischt. Bei Pferden aber schon mit reinem Klee. Der erste Kunstdünger kam um 1907 (Phosphor und Kali), er wurde zuerst auf den ,Heufeldern` verwendet. Chilesalpeter. Kali hat den Ackern am meisten gefehlt. Thomasmehl. Das kam mit der Errichtung der Landwirtschaftsfiliale in Gottschee. Der Bauer hat sich das früher gar nicht kaufen können. Er bekam Subventionen von der Südmark. Das war gegen 1914. Ein Fachmann, der Pregel, hat Vorträge gehalten und die Leute angelernt. Er war aus der Steiermark. Nach dem Ersten Weltkrieg kam ein anderer, die Bauern waren aber erst sehr mißtrauisch" (Aussagen einer Gruppe von Gewährsleuten 1974). Auch der Waldreichtum des Landes brachte zusätzlichen Verdienst: als Forstarbeiter und Heger in den Auerspergischen Waldungen, als Sägewerksarbeiter und beim Holzkohlenbrennen. Schlägerungen aus eigenen Wäldern warfen erst in der Spätzeit mit ihren neuen Transportmöglichkeiten einen merkbaren Nutzen für den bäuerlichen Besitzer ab, der in den Notzeiten nach dem Ersten Weltkrieg nicht selten auch zu Tlberschlägerungen führte. Willkommene Zusatznahrung brachte auch die Jagd. Zusätzliche Erwerbsquellen Schon ein Urbar von 1574 spricht davon, daß der Boden den Gottscheern wenig Ertrag liefert und die Menschen sich „härtiglich" und „mit den Hauen" ernähren maßten; also der Pflug nicht überall ansetzbar war. 17 Dazu traten noch geschichtliche Schicksale. Im 15. Jahrhundert begann die in der Sprachinsel 125 Jahre dauernde Türkenzeit mit zuweilen fast jährlichen Heimsuchungen. Siebenmal brannte der Hauptort Gottschee, erstmals beim Einfall 1469, und wurde gleichwohl immer wieder aufgebaut. Ganze Landstriche wurden entvölkert, vor allem an den Rändern der Sprachinsel. te Den Türkeneinfällen folgten außerdem Plünderungszüge der in den Kriegswüstungen angesiedelten Uskoken und verschiedener anderer Kriegsvölker aus dem Südosten. Sperrwälder, in denen nicht gerodet werden durfte, Kirchenburgen und ein System von Kreitfeuern zur rechtzeitigen Warnung suchten Schutz zu bieten. Um der heimgesuchten Bevölkerung aufzuhelfen, verlieh Kaiser Friedrich IV. „in Ansehung des erlittenen Türkenruins" den Gottscheern 1492 das Privileg des Hausiererhandels „auf das Croatische und anderweitig hin". Dieses „anderweitig" reichte selbst bis in die Moldau und Walachei, doch wurden Innerösterreich und Süddeutschland zu ihrem Hauptbereich. 1774 gestattete ihnen Kaiser Joseph Il. auch den Handel mit Südfrüchten, und der Handelsvertrag von 1785 zwischen dem Kaiser und Katharina II. öffnete den Gottscheern auch die Weite des russischen Absatzgebietes. Ursprünglich handelten die Gottscheer mit Holzwaren und Leinwand, die als Hausindustrie im eigenen Lande hergestellt wurden. Das Privileg lautete auch auf „Vieh, Leinwand und anderem, so sie erarbeiten" (also wohl auch Holzgegenstände). Dies wurde jedoch wenig lohnend. Eine große Erweiterung bedeuteten die Südfrüchte, die in Fiume oder Triest eingekauft und dann weiter vertrieben wurden. Bei den Südfrüchten erlangten die Gottscheer fast ein Handelsmonopol. Nicht wenige gründeten sogar Firmen und große Handelshäuser in den Zielorten ihrer Wanderschaft und verblieben dort. Mit der ursprünglichen Heimat gaben sie die Verbindung aber nie auf, etliche halfen ihr sogar durch große Stiftungen. Da moderne Handelsformen dem alten Hausiererhandel immer mehr Boden entzogen, vollzog sich eine neue und letzte Wandlung dieser Erwerbstätigkeit. Mit einem sogenannten „Bauchladen", einem an einem Tragriemen umgehängten Korb voll Südfrüchten, Sardinenbüchsen, verzuckerten Früchten usf., zogen sie von Gasthaus zu Gasthaus. Man konnte diese Dinge entweder direkt kaufen oder um sie spielen. Man setzte auf „gerad" oder „ungerad". Je nach der Nummer, die man zog, hatte man gewonnen oder verloren. Diese „Gottscheaberer" waren noch in der Zwischenkriegszeit unseres Jahrhunderts auch in Wien bekannte Gestalten des Volkslebens. Die Zahl der Männer, welche auf diese Weise in der Winterszeit unterwegs waren, wenn die Feldarbeit ruhte, schwankte sichtlich zu verschiedenen Zeiten. Sie war nicht unbedeutend, ls und mit ihnen kam eine gewisse händlerische Unternehmungslust, Beweglichkeit und Wanderfreude in die Bauernbevölkerung. Das wirkte sich sichtlich auch bei der großen Amerikaauswanderung aus. Der Gottscheer konnte sich rasch auch fremden Verhältnissen anpassen. Gleichwohl hing er unverbrüchlich und mit voller Sehnsucht nach der Geborgenheit im notgedrungen starken Gemeinschaftsleben seines Dorfes an der alten Heimat, wo immer er auch Fuß faßte. Heute, in der Zerstreuung nach dem Ende der Sprachinsel ist das auch nicht anders. Im „Landsmann" lebt ihm die Heimat, wo immer er sich befindet. Beachtlich aber, wie gut sich das Bauernvolk alsbald auf völlig andere Berufe umzustellen vermochte. übrigens erwuchs aus dem Wanderhandel der Einzelperson auch früher schon nicht selten auch ein richtiges Handelsunternehmen mit Wagentransporten, aus dem sogar große Kaufherren hervorgingen. Der Hauptstock der Sprachinselbewohner blieb aber Bauern. In den Hausiererfamilien waren es die Frauen, welche inzwischen die Wirtschaft weiterführten und die alte Lebensform und die Oberlieferungen aufrechterhielten. „Ammo" (die Mutter) hatte nach einem Gottscheer Spruch in solchen Fällen „drei Ecken des Hauses zu tragen". Die Zeitwanderung der Gottscheer geschah in den Wintermonaten. Zwischen Oktober und März oder April waren sie unterwegs, früher kamen sie vielfach sogar erst zu Sonnwend heim in festlich bekränzten Postwagen und jubelnd begrüßt von den Daheimgebliebenen. Von ihrer Wanderung sandten die Hausierer ab und zu von ihrem Verdienst etwas nach Hause und die Freude war groß, wenn sie dann zuletzt noch einen beträchtlichen Spargroschen mitbrachten. G r o t h e (S.167) berichtet aus eigenen Befragungen in der Gottschee, daß es oft erst die Geldsendung eines Abwesenden war, welche es der Mutter ermöglichte, im Winter Mehl zum Brotbacken einzukaufen. Auch ihre Häuser konnten sie durch den Winterverdienst Instandsetzen und ausbauen. Gegenüber der Landwirtschaft und dem Handel hatte die Industrie in der Gottschee nur eine geringe und zeitweilige Bedeutung. Das Holz, der Hauptrohstoff der Sprachinsel, war die Grundlage zunächst einer bedeutenden familienweisen Verarbeitung. Schon V a 1 v a s o r (Bd. 1, S. 218) sagte im 17. Jahrhundert von den Gottscheern: „Sie seynd fast alle entweder Schachtelmacher, Tellerund Schüsseldrechsler, Löffel‑, Reiter‑ und Siebmacher . . . und wird ihre Machwerk weit verschickt." Eine Besonderheit sind die hölzernen Trinkfäßchen der Gottscheer, die sogenannten „Putscherlein", von denen um 1900 noch rund 10.000 im Jahr erzeugt wurden. Sägewerke entstanden erst seit dem Bahnbau. 1843 richtete ein Gottscheer eine Lodenfabrik ein, nach Vorbildern, die er auf seiner Wanderschaft in Böhmen gesehen hatte. Auch weitere Orte folgten diesem Beispiel. Der Loden wurde nach Kroatien und Dalmatien ausgeführt, doch überlebte dieser Erwerbszweig den Ersten Weltkrieg nicht. Ein Braunkohlenbergbau nahe dar Stadt Gottschee begann 1892, beschäftigte jedoch vorwiegend Fremdarbeiter aus dem slawischen Umland und ging später wieder zurück. Die Hauptgrundlage ihres Lebens war und blieb jedoch die Landwirtschaft bis zur Umsiedlung am Beginn der vierziger Jahre unseres Jahrhunderts. Ehe die bäuerliche Arbeit und ihr Brauchtum geschildert wird, stelle ich noch die Aussagen meiner Gewährsleute über Handel und Nebenerwerb zusammen. Aus ihnen geht hervor, was sie von diesen Entwicklungen im Gedächtnis behalten hatten.
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